Katholiken streiten über Wiederverheiratete
22. November 2013Das umstrittene Papier gibt Seelsorgern des Bistums "Orientierung", wie sie mit Gläubigen umgehen sollen, deren kirchlich geschlossene Ehe geschieden wurde und die erneut standesamtlich geheiratet haben. Wollen sie "aus echten religiösen Beweggründen" am kirchlichen Leben teilnehmen, ist das Spenden von Sakramenten wie Kommunion oder Krankensalbung möglich, heißt es in dem 16-seitigen Papier. Sogar eine Gebetsfeier für die Zweitehe wird vorgeschlagen, die aber ausdrücklich keine "Quasi-Trauung" sein soll.
Verstoß gegen Kirchenrecht
Für die vatikanischen Glaubenshüter ist das ein rotes Tuch. Denn nach katholischem Kirchenrecht wird eine Scheidung nicht anerkannt, jede erneut geschlossene Ehe gilt als Sünde. Deshalb sind Wiederverheirateten alle Sakramente verwehrt. Dass laut Freiburger Handreichung "gangbare Wege" aufgezeigt werden sollen, diesen Gläubigen Sakramente zu spenden oder "irgendwelche liturgischen Handlungen vorzunehmen", stimme nicht mit der Glaubenslehre der Kirche überein, heißt es.
Die Anfang Oktober erschienene Handreichung ist mittlerweile auch als Diskussionspapier auf dem Tisch der Deutschen Bischofskonferenz gelandet, was den obersten römischen Glaubenshüter noch mehr erregt: Präfekt Gerhard Ludwig Müller hat die deutschen Bischöfe jüngst aufgefordert, den Entwurf "zurückzunehmen und zu überarbeiten".
"Kein Handlungsbedarf"
In Freiburg bleibt man gelassen. Der Umgang mit Wiederverheirateten sei im Erzbistum eines der drängendsten Themen, sagt Pressesprecher Robert Eberle. Die Seelsorger seien erleichtert, dass es nun endlich eine klare Handreichung gebe. Außerdem habe man einzelne Elemente aus anderen Bistümern abgeschaut: In Straßburg und Luxemburg würden beispielsweise Gebetsfeiern für geschiedene Wiederverheiratete seit Jahren praktiziert. Nach dem Brief von Präfekt Müller sieht das Erzbistum keinen direkten Handlungsbedarf. "Es macht wenig Sinn, eine Handreichung zu kassieren, die das beschreibt, was vielerorts ohnehin schon Praxis ist", sagt Eberle im Gespräch mit der Deutschen Welle. Wichtig sei, dass man nun offen über das Thema diskutiere.
Breite Rückendeckung bekommen die Freiburger auch von katholischen Laienverbänden: Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" lehnt Müllers Versuch "autoritären Durchgreifens" ab. "Nach einer Scheidung eine neue Ehe zu führen - und das nicht gegen den Willen der Kirche, sondern mit dem Segen der Kirche - das ist ein ganz wichtiger Schritt", sagt Sprecher Christian Weisner im DW-Interview. Mit einer so "unbarmherzigen und unpastoralen Haltung" konterkariere Müller im Übrigen auch den Ruf des Papstes nach Barmherzigkeit, kritisiert die Organisation.
Thema auch für die Weltkirche
Der Laiendachverband, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, hatte das Thema auf die Tagesordnung seiner Herbstvollversammlung in Bonn gehoben. Dazu sprachen Gebhard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der die Freiburger Handreichung als "wichtigen Impuls" sieht. Er hat sich in der Deutschen Bischofskonferenz dafür stark gemacht, das Papier zur Diskussionsgrundlage für eine bundesweite Regelung zu nehmen. Als Ziel hat er sogar "grundsätzliche Klärungen auf weltkirchlicher Ebene" vor Augen.
Dass das Thema in den vergangenen Jahrzehnten immer virulenter geworden ist, lässt sich an Statistiken belegen: Seit 2005 kommt in Deutschland etwa eine Scheidung auf zwei Eheschließungen. Und jeder zweite geschiedene Deutsche entschließt sich zu einer zweiten Heirat.
Die Haltung der katholischen Amtskirche zu Wiederverheirateten betrifft aber nicht nur die deutschen Katholiken. "Das ist ein weltweites Problem", sagt Christian Weisner. Und deshalb wird sich die Bischofssynode, die Papst Franziskus für das nächste Jahr einberufen hat, wohl auch mit diesem Thema beschäftigen.