"Fidesz-Partei gehört nicht in die EVP"
20. Februar 2019Es war wohl der sprichwörtliche Tropfen, der das Geduldsfass des Jean-Claude Juncker zum Überlaufen brachte: In einer Plakataktion macht Ungarns nationalkonservative Regierung Stimmung gegen den EU-Kommissionspräsidenten. Zu sehen ist Juncker gemeinsam mit US-Milliardär George Soros, auf dem Text darunter steht: "Auch Sie haben ein Recht zu erfahren, was Brüssel vorbereitet".
Konkreter wird die Fidesz-Partei von Regierungschef Viktor Orban auf ihrer Facebook-Seite. Dort wirft sie Juncker und Soros vor, die Rechte der Mitgliedsländer zur Grenzverteidigung zu schwächen und Einwanderung mit Migrantenvisa zu erleichtern.
"Fidesz vertritt keinerlei christlichen Werte"
Der EU-Kommissionspräsident forderte daraufhin den Ausschluss der Fidesz aus der Europäischen Volkspartei (EVP). Die Partei vertrete "die christdemokratischen Werte in keinerlei Weise", sagte Juncker bei einer Podiumsdiskussion im baden-württembergischen Landtag. "Es gibt zwischen Herrn Orban und mir keinerlei Schnittmengen." Er sei der Meinung, "dass sein Platz nicht in der Europäischen Volkspartei ist", so Juncker, der ebenfalls EVP-Mitglied ist.
Nicht nur den Kommissionschef empört die neue Medienkampagne in Ungarn. Auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sagte, die Kampagne habe "nichts mit der Realität zu tun". EU-Kommissionssprecher Margaritis Schinas kritisierte die Aktion als "Fake News" und nannte sie "unfassbar". "Es ist schockierend, dass eine solch lächerliche Verschwörungstheorie sich in diesem Maße etabliert hat", sagte Schinas in Brüssel. "Es gibt keine Verschwörung." Es sei falsch, dass die EU nationalen Grenzschutz unterlaufe und es gebe auch keine Pläne für humanitäre Visa auf EU-Ebene. "Mitgliedsstaaten entscheiden, bis zu welchem Level sie legale Migration akzeptieren wollen." Ungarn sitze bei den Verhandlungen der EU zudem stets mit am Tisch, betonte Schinas.
Kein Statement von EVP-Spitzenkandidat Weber
Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold nannte die Plakataktion "niederträchtig" und forderte den Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, auf, Orbans Fidesz-Partei endlich aus der Fraktion zu werfen. Weber, der auch EVP-Spitzenkandidat für die Europawahl ist, äußerte sich bis jetzt noch nicht.
Orbans Regierung startet regelmäßig Kampagnen gegen die EU und den 88-jährigen Soros. Der Regierungschef hat den ungarischstämmigen, jüdischen Investor zum "Staatsfeind" erklärt, weil dieser angeblich eine unkontrollierte Masseneinwanderung fördere. Soros ist ein vehementer Kritiker des rechtsnationalen Orban. Der US-Milliardär unterstützt mit seinem Geld weltweit Bemühungen, Werte wie Meinungsfreiheit, Transparenz und eine verantwortliche Regierung zu fördern. In vielen Ländern wurde er inzwischen zu einem Hauptfeind von Rechtsextremisten.
Ungarn und die EU - keine Liebesgeschichte
Mit der EU liegt Ungarn seit längerem vor allem wegen der Flüchtlingspolitik über Kreuz. Das Land hat sich mit einem Stacheldrahtzaun gegen Serbien und Kroatien abgeschottet und weigert sich, zur Entlastung anderer EU-Länder Flüchtlinge aufzunehmen - und missachtet damit ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Die EU-Kommission hatte Ungarn im vergangenen Sommer außerdem vor dem EuGH verklagt, weil das Land an seiner Grenze Transitzonen für Asylbewerber eingerichtet hat. Davor war Brüssel wegen ungarischer Gesetze vor den Luxemburger Gerichtshof gezogen, welche die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen und Hochschulen durch Gelder aus dem Ausland erschweren. Letzteres zielte offenbar auf die von Soros gegründete Central European University (CEU) in Budapest .
Auch das Europaparlament hatte im September ein Strafverfahren gegen die Regierung in Budapest wegen der Verletzung von Grundrechten eingeleitet. Es kann theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten führen.
cw/rb (afp, dpa)