EU rügt Orbans Asylpolitik
19. Juli 2018Nach seinem Wahlsieg im April hat der, wie er sich selbst nennt, "illiberale" Premierminister Viktor Orban seinem Land Ungarn eine weitere Verschärfung der Migrationsgesetzgebung verordnet. Wer in Ungarn als "illegal" eingestuften Migranten dabei hilft, einen Asylantrag zu stellen, Unterkunft oder Nahrung zu finden, dem droht wegen "Beihilfe zur illegalen Einreise" eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Das betrifft auch die bislang anerkannten Hilfsorganisationen. Viktor Orban sieht das Gesetz als Teil eines ganzen Pakets von Maßnahmen gegen den Milliardär George Soros.
Der ungarisch-stämmige Mäzen wolle auf Grundlage eines Plans der EU Ungarn und den Rest Europas mit muslimischen Flüchtlingen fluten, mutmaßt Orban in seinen schwer nachvollziehbaren Verschwörungstheorien. Die "Open Society"-Stiftung von George Soros in Ungarn weist die Vorwürfe und Verdächtigungen als lächerlich zurück. Nichtsdestotrotz fährt der vom Konservativen zum Rechtspopulisten gewandelte Orban eine "Anti-Soros"-Kampagne, die auch persönlich auf den ungarischen Auswanderer und Juden George Soros zielt.
EU-Zentrale schickt blauen Brief nach Budapest
Die Anti-Soros-Gesetze und deren Bestimmungen zur Verhinderung von Migration rufen nun auch die Europäische Kommission auf den Plan. Brüssel schrieb einen Mahnbrief an Viktor Orban und forderte ihn auf, binnen zwei Monaten zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Bei Missachtung dieser Frist droht eine weitere Klage gegen Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Der Mahnbrief ist die erste Stufe eines "Vertragsverletzungsverfahrens", mit dem die EU-Kommission versucht, unbotmäßige Mitglieder zu disziplinieren.
In einem anderen Verfahren hat die EU-Kommission an diesem Donnerstag bereits Klage gegen den ungarischen Staat eingereicht. Ungarn hat nach Ansicht der EU-Kommission die Asylverfahren seit 2015 unzulässig verschärft. Die Asyl suchenden Menschen würden in sogenannten Transitzentren zu lange festgehalten, bis über ihre Asylanträge entschieden werde, bemängelt die EU-Kommission. Zu diesen Vorwürfen hat sich die ungarische Regierung nach Auffassung der EU-Kommission nicht ausreichend geäußert. Deshalb müssten jetzt auf dem Klageweg Stellungnahmen und ein Wechsel der Politik erzwungen werden.
Ungarns Außenminister pocht auf Terrorabwehr
Der ungarische Außenminister Peter Szijarto rechtfertigte das Verhaltens Ungarns in Budapest damit, dass Gefahren vom ungarischen Volk und Europa abgewendet werden müssten. 29 große Terroranschläge in Europa in den letzten dreieinhalb Jahren seien von Menschen mit Migrationshintergrund verübt worden, behauptete Szijarto. "Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir europäische Interessen und die Sicherheit europäischer Völker anstelle von Brüssel verteidigen müssen. Das ist hier wieder der Fall", sagte der ungarische Minister vor Reportern. Die Regierung werde sich der juristischen Auseinandersetzung stellen.
Zweifel an Ungarns Vertragstreue
In Brüssel haben EU-Parlamentarier und auch die EU-Kommission ernsthafte Zweifel daran, ob sich Ungarn überhaupt noch an Urteile des Europäischen Gerichtshofes und rechtsstaatliche Grundsätze halten wird. Ungarn ignoriert wie Polen ein rechtskräftiges Urteil des EuGH zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Obwohl das Gericht Ungarn angewiesen hatte, eine kleine Anzahl von Flüchtlingen aufzunehmen, besteht die ungarische Führung darauf, überhaupt keine Flüchtlinge und Migranten ins Land zu lassen. Wegen dieser Weigerung hat EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos Ungarn im Dezember 2017 erneut vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Das Gericht in Luxemburg kann jetzt empfindliche Geldstrafen gegen Ungarn verhängen, die auch durch die Einbehaltung von EU-Fördermitteln für Ungarn eingetrieben werden könnten. Gegen Polen hat die EU-Kommission bereits ein Strafverfahren wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit nach Artikel 7 der Lissaboner Verträge eingeleitet. Gegen Ungarn steht dieser drastische Schritt noch aus.