Journalistenmorde in den Philippinen
2. Mai 2005
Die Menschen in den Philippinen sind im Allgemeinen stolz auf die demokratischen Errungenschaften ihres Landes, und weit verbreitet ist die Meinung, man besitze eine der freiesten Medienlandschaften Asiens. Tatsächlich haben die in der Verfassung festgeschriebene Pressefreiheit sowie eine im Großen und Ganzen liberale Regierungspolitik dazu beigetragen, dass in diesem südostasiatischen Entwicklungsland eine Medienlandschaft erblühen konnte, die in Bezug auf Meinungsvielfalt in der Region ihresgleichen sucht. Tausende Zeitungen, Radiosender und TV-Stationen buhlen in diesem Land der 7000 Inseln und 80 Millionen Einwohner um die Gunst des Publikums.
Mordserie
Aber ein dunkler Fleck überschattet das helle Bild des philippinischen Presse-Pluralismus. Reihenweise sind in den zurückliegenden Jahren philippinische Journalisten ermordet worden. Für das Jahr 2004 allein beläuft sich die blutige Bilanz auf 13 getötete Medienarbeiter. Im ersten Quartal diesen Jahres starben weitere vier philippinische Journalisten - in jedem Fall durch gezielte Kopfschüsse. In einer Statistik der Internationale Journalistenföderation (International Federation of Journalists) in Brüssel nehmen die Philippinen mittlerweile den Rang des zweitgefährlichsten Landes für Journalisten ein - unmittelbar nach dem vom Krieg verwüsteten Irak.
Viele Journalisten in der Provinz sind in höchstem Maße gefährdet und verwundbar. "Die Kollegen sind überzeugt, dass außerhalb der Hauptstadt Manila das Rechtssystem schwach ist", sagt Carlos Conde, der Generalsekretär der Nationalen Union der Philippinischen Journalisten (National Union of Journalists of the Philippines, NUJP). "Eine Kultur der Gewalt hat um sich gegriffen, die dazu beiträgt, dass Journalisten bedroht, eingeschüchtert oder einfach umgebracht werden."
Unvermögen der Polizei
Streiten Journalistengewerkschaften in anderen Ländern für die sozialen und wirtschaftlichen Belange ihrer Mitglieder, geht es Carlos Conde und seinen Kollegen derzeit ums blanke Überleben. Sie fordern ein Ende der Morde und ein hartes Durchgreifen der Polizei. Sie sind empört über das Unvermögen der Polizei, die Mörder und deren Hintermänner zur Rechenschaft zu ziehen.
Seit der Wiederherstellung der Demokratie 1986 wurden in den Philippinen über 60 Journalisten ermordet. Nicht ein einziges Verbrechen ist bis heute aufgeklärt, nicht ein einziger Mörder verurteilt und hinter Gitter gebracht. Die Regierung müsse endlich Ergebnisse produzieren, sagt auch Jose Pavia, der Herausgeber der Lokalzeitung Mabuhay.
"So viel Gerede, so viele Verordnungen, doch sehr wenige Handlungen. Nicht eine einzige Verhaftung hat es gegeben, die Regierung muss endlich was tun, weniger reden und Ergebnisse vorweisen."
Journalistenverbände und Menschenrechtsschützer werfen der Regierung nicht nur Versagen bei der Strafverfolgung vor. Conde sieht gar Ansätze einer Komplizenschaft mit den Killern: Viele der Verdächtigen seien mächtige Lokalpolitiker oder Drogenhändler mit Verbindungen zu Lokalpolitikern. "Nicht selten sind die Killer als Offiziere der Polizei identifiziert worden, oder wir wissen, dass sie Verbindungen zur Polizei oder zum Militär haben", sagt der Gewerkschafter. "Daher ist es nicht überraschend, dass die Regierung gleichsam instinktiv diese Dinge dementiert, denn wenn sie es nicht täte, hätte sie vermutlich mehr Probleme am Hals als jetzt."
Gefährliche Enthüllungen
Die gezielten Tötungen finden fest durchweg in den ländlichen Gebieten statt. Die Opfer sind in der Regel Journalisten, deren Enthüllungen korrupte Praktiken und illegale Machenschaften der Mächtigen vor Ort in Bedrängnis bringen. Fern der Hauptstadt Manila sind die Städte und Gemeinden eng verwobene Gemeinschaften. Die Politik in den Philippinen ist personalisiert - und oft fechten die Kontrahenten ihre Differenzen gewaltsam aus. Dabei geraten Journalisten, die sich für Hungerlöhne arbeiten und somit anfällig sind für Korruption, oft zwischen die Fronten.
Nicht selten, so räumt Carlos Conde ein, lassen sie sich instrumentalisieren. Viele Journalisten würden sich von Politikern aushalten lassen, vor allem im Wahlkampf. "Wir sehen immer wieder, dass einige einseitig berichten. Wenn jemand getötet wird und eine Beschwerde erfolgt, heißt es: Der war doch gar nicht sauber, er stand auf der Gehaltsliste dieses oder jenes Politikers", sagt Conde, fügt aber hinzu: "Unsere Position ist klar. Selbst wenn einer nicht sauber gewesen sein mag: Tod ist keine Lösung."
Längst warnen besorgte Filipinos, die gezielte Gewalt gegen die Medienvertreter schüchtere die Journalisten ein - und wirke somit wie eine indirekte Zensur. Wenn Journalisten um ihr Leben fürchten, könne von einer freien Presse keine Rede sein, sagt Herausgeber Jose Pavia, der am Ende gar die philippinische Demokratie als Ganzes in Gefahr sieht. "Wer die Pressefreiheit erstickt, erstickt die Demokratie", so Jose Pavia: "Journalisten zum Schweigen zu bringen heißt die Demokratie zum Schweigen zu bringen."