"Der Name der Rose" als Serie
24. Mai 201926 Millionen Euro Produktionskosten, acht Teile, knapp sieben Stunden Spieldauer, zahlreiche internationale Stars, eine üppige Ausstattung - und ein paar weibliche Hauptdarstellerinnen mehr als in Roman und Kinofilm. "Der Name der Rose" als Serie - angekommen im 21. Jahrhundert - das könnte funktionieren. Die deutsch-italienische Co-Produktion ist sicher eine der spektakulärsten Serien-Neustarts in diesen Monaten, die nicht gerade arm sind an Serien.
Vielfältiges und komplexes Romankonstrukt: "Der Name der Rose"
Nach "Game of Thrones", wo mit Historie und Mythen recht frei umgegangen wird, nun also Serien-Mittelalterkost in Reinform. 1980 erschien der Roman des italienischen Semiotik-Professors Umberto Eco in Italien, es war sein Debüt als Literat und wurde ein Welterfolg.
Das Buch bot vieles: Kriminal- und Detektivstory, Historien- und Sittengemälde, literarisches Vexierspiel und ein Füllhorn an Zeichen und Verweisen aller Art. Zudem war "Der Name der Rose" natürlich auch - und für manche Leser zuallererst - ein packender Roman über Kirchengeschichte und Glaubenskriege, über Aufklärung und Religion.
Zwei Jahre nach der Originalausgabe erschien der Roman 1982 auch in Deutschland, die Kinozuschauer mussten noch vier weitere Jahre warten: Dann kam niemand geringeres als James-Bond-Darsteller Sean Connery auf die große Leinwand und spielte eben jenen William von Baskerville, den Umberto Eco ein paar Jahre zuvor in sein komplexes literarisches Detektivspiel geschickt hatte.
Ecos Buch: Roman über Kirchengeschichte, verpackt als Thriller
Zur Erinnerung: Der Franziskaner William von Baskerville wird Anfang des 14. Jahrhunderts in eine Benediktinerabtei in den ligurischen Bergen bestellt, um dort im Glaubenskrieg zwischen den verschiedenen Schulen der christlichen Kirche zu vermitteln - die Päpste residierten damals für einige Zeit im französischen Avignon. Da es im besinnlichen Klosterleben gerade einen mysteriösen Todesfall gegeben hat (dem weitere folgen) bekommt William (und sein Adlatus, der junge Adson von Melk) eine weitere Aufgabe.
Als ein ferner Vorfahre von Sherlock Holmes (der Name "Baskerville" war von Eco nicht zufällig gewählt worden) muss William seine intellektuellen Fähigkeiten und seinen ganzen Spürsinn aufwenden, um Licht ins Dunkel der geheimnisvollen Geschehnisse im Kloster zu bringen. Eine Hauptrolle spielt dabei ein geheimnisvolles, in der Abtei wie ein Schatz gehütetes Buch, das seinen Lesern Erkenntnis, aber auch Tod bringt. Dabei handelte es sich um das "Zweite Buch der Poetik" von Aristoteles, welches sich über den Humor und das Lachen ausbreitet - eine Gefahr für viele strenge Kirchenleute.
Umberto Eco war ein Meister der literarischen Verschlüsselung
Eco benötigte für seinen Stoff 650 Seiten und man konnte das Buch damals auf vielfältige Art und Weise lesen. Wer wollte, der durfte den zahlreichen mehr oder weniger versteckten Hinweisen des Semiotik-Professors nachgehen und sich in einem Kosmos aus Geschichte, Wissenschaft und Glaubenslehre verlieren. Man konnte das Buch aber auch in einem Rutsch weglesen, als spannende Detektiv- und Historienstory.
"Der Name der Rose" funktioniert auch als Serie
Die Serie, die nun am 24. Mai beim Streaming-Anbieter Sky in Deutschland startet (in Italien wurde sie bereits ausgestrahlt), steht dem Film näher als dem Buch - auch wenn sie sich natürlich in der Entwicklung einiger Erzählstränge mehr Zeit lassen kann als der Kinofilm. Die Serie ist unterhaltsam, gediegen-konventionell inszeniert, prächtig ausgestattet, die Besetzungsliste kann sich sehen lassen - eine Historien-Serie, mit allem was dazu gehört: Produziert in Italien, in englischer Sprache für den Weltmarkt gedreht.
Die Serie "Der Name der Rose" steht darüber hinaus auch für einen Trend. Im mittlerweile unüberschaubaren Serien-Angebot dürfen sich jetzt auch Literaturinteressierte angesprochen fühlen. Literatur als Serie - das kann, muss aber nicht funktionieren. Im Einzelfall kommt es immer auf die ästhetische und dramaturgische Qualität an.
Von Frank Schätzing bis Gabriel García Márquez
Das ist bei der Serienumsetzung des italienischen Bestsellers "Meine geniale Freundin" (seit kurzem bei Magenta TV abrufbar) so, das wird bei "Der Schwarm" nach dem Bestseller von Frank Schätzing so sein, der derzeit für das ZDF verfilmt wird. Und das wird auch bei der von Netflix angekündigten Serien-Verfilmung von "100 Jahre Einsamkeit" nach Gabriel García Márquez so sein. Weitere Romane, die derzeit verfilmt werden bzw. schon abgedreht sind: "Unterleuten" (nach Juli Zeh), "Altes Land" (Dörte Hansen) oder "In 80 Tagen um die Welt" nach dem Jules-Verne-Klassiker. Serien und Literaturfans dürfen sich also freuen.
Doch bei aller gebotener Freude über die neue Literatur-Serien, sollte man eines nicht übersehen: Serien sind nicht die Fortsetzung von Literatur mit anderen Mitteln. Die von manchen Fans vorgetragene These, dass die Serien das fortführen, was einst die Schriftsteller begonnen hätten, dass die Serien Balzac und Tolstoi fürs 21. Jahrhundert seien - diese These lässt sich kaum halten. Was richtig ist: Episches Erzählen, das Entwickeln komplexer Charaktere, eine verschachtelte Erzählweise - all das können Serien auch.
Unterschiedliche Kulturtechniken
Doch mit den Augen den Blick auf eine Mattscheibe richten und gut portionierte Serienepisoden konsumieren, das ist eine völlig andere Kulturtechnik, die ganz andere Hirntätigkeiten verlangt. Umberto Eco hätte diesen Unterschied vermutlich ganz wunderbar erklären können.
Elke Walthelm, Executive Vice President Content bei Sky Deutschland, drückt es so aus: "Mit 'Der Name der Rose' bieten wir unseren Kunden wohl eine der bekanntesten Content-Brands in faszinierender Neuauflage." Aristoteles hätte sich im Grabe herumgedreht.