Sexueller Missbrauch in Bistümern
12. September 2018Mehr als die Hälfte der Opfer war demnach zum Tatzeitpunkt maximal 13 Jahre alt. In etwa jedem sechsten Fall kam es zu unterschiedlichen Formen der Vergewaltigung.
Das Magazin "Der Spiegel" und die Wochenzeitung "Die Zeit" hatten vorab Ergebnisse einer Untersuchung der "Deutschen Bischofskonferenz (DBK) veröffentlicht. Die DBK wollte den Bericht offiziell erst am 25. September vorstellen. Der Abschlussbericht zum sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige in den deutschen Bistümern war vor fünf Jahren initiiert worden.
Für die Aufarbeitungsstudie wurden mehr als 38.000 Personal- und Handakten aus 27 deutschen Diözesen untersucht und ausgewertet. Diese Zahlen würden als konservative Annahme betrachtet, man müsse wohl von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, heißt es in den Medienberichten.
Aktenmanipulation durch Bistümer
Das der DBK vorliegende Datenmaterial war nämlich nur lückenhaft. So sind nach Informationen der Katholischen Kirche Akten über den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen vernichtet worden, berichtet "Die Zeit". In der Untersuchung heißt es demnach: "In einigen Fällen fanden sich eindeutige Hinweise auf Aktenmanipulation."
Auch der "Spiegel" berichtet unter Berufung auf die Studie, Personalakten seien von möglichen Tätern "vernichtet oder manipuliert" worden. Laut "Zeit" soll es aus zwei Bistümern "explizit die Information" gegeben haben, "dass Akten- oder Aktenbestandteile mit Bezug auf sexuellen Missbrauch Minderjähriger in früherer Zeit vernichtet wurden".
"Gefilterte" Studie
Die Forscher, die die Studie verantworten, dokumentieren nach Angaben des Blattes zudem, dass sie selber niemals in die Archive der Bistümer durften: "Das Forschungsprojekt hatte keinen Zugriff auf Originalakten der katholischen Kirche." Alle Archive und Dateien der Diözesen wurden laut dem Bericht von deren eigenem Personal durchgesehen.
Der "Zeit" zufolge belegt die Studie zudem erstmals großflächig, dass die Kirche Missbrauch vertuschte. Nur in jedem dritten Fall eines mutmaßlichen Missbrauchs hätten deutsche Bistümer reagiert und zumindest ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet: Bei 1670 aktenkundigen Beschuldigten wurde demnach nur gegen 566 ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet.
Regelmäßige Vertuschung - kaum Verfahren
Davon endeten dem Bericht zufolge wiederum 154 Verfahren ohne Strafe oder Sanktion. In 103 Fällen habe es lediglich eine Ermahnung gegeben. Nur gegen knapp 38 Prozent der Beschuldigten sei Strafanzeige gestellt worden - dann aber meist von den Betroffenen selbst oder ihrer Familie. Repräsentanten der Kirche hätten nur in 122 Fällen die weltliche Justiz eingeschaltet, das betrifft 7,3 Prozent aller Beschuldigten. Immer wieder seien beschuldigte Kleriker an einen anderen Ort versetzt worden, ohne dass die neue Gemeinde "mit der entsprechenden Information" über den Missbrauchstäter versorgt worden wäre. Die Verfasser der Studie betonen nach Angaben des Magazins, dass Grund zu der Annahme bestehe, dass der Missbrauch weiter andauere.
Beim Papst schrillen die Alarmglocken
Auch im Vatikan ist das Thema des sexuellen Missbrauchs allgegenwärtig. Papst Franziskus will daher im Skandal um die Missbrauchsvorwürfe die Chefs aller nationalen Bischofskonferenzen zu einem Gipfeltreffen laden. Wie der Vatikan mitteilte, solle dieser Kirchengipfel vom 21. bis zum 24. Februar im Vatikan stattfinden. Die neun Mitglieder des Kardinalsrats, die den Papst in der Frage von internen Kirchenreformen beraten, hätten mit Franziskus intensive Gespräche über das Missbrauchsthema geführt, hieß es weiter. Durch die Berichte gerät auch der Papst zunehmend unter Druck.
cgn/sam (afp, dpa, kna)