Geteilte Freude über Berlusconis Rückkehr
1. März 2018Der Ballarò-Markt in Palermo auf Sizilien bietet alles, was man von einem Markt in einer süditalienischen Küstenstadt erwartet: frischen Fisch, Obst, Gemüse. Zwischen den Ständen findet man hier aber auch afrikanische Friseursalons und arabische Restaurants. Zwei verschleierte Frauen verkaufen orientalische Gewürze. Priester Enzo Volpe kennt hier so gut wie jeden, vom sizilianischen Händler bis zum Einwanderer. Seine Kirche Santa Chiara war die erste katholische Gemeinde in Italien, die vor 30 Jahren ihre Pforten für Migranten und deren Kinder öffnete. Damals kamen in erster Linie Saisonarbeiter aus Bangladesch nach Sizilien, heute sind es überwiegend junge Männer aus Ländern südlich der Sahara.
Migranten als "soziale Zeitbombe"
"Der Tonfall im laufenden Wahlkampf für die Parlamentswahlen am 4. März ist sehr hart", sagt Pfarrer Volpe. "Mir macht es Angst, dass die Migration sowohl von links als auch von rechts für den Stimmenfang instrumentalisiert wird." Politiker müssten Migranten als Ressource statt als Gefahr begreifen, so der Priester. "Nach der Gewalt, die wir in Macerata erlebt haben, riskieren wir, dass wir uns zu sehr auf die Probleme bei der Integration oder den Rassismus konzentrieren und dabei das Verbindende, das Zusammenleben vergessen." Vor drei Wochen hatte ein Rechtsextremer in der zentralitalienischen Kleinstadt Macerata auf Menschen mit dunkler Haut geschossen und dabei sechs Einwanderer teils schwer verletzt.
Silvio Berlusconi, Medienmogul und viermaliger Premierminister des Landes, darf nach einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung nicht wieder kandidieren. Trotzdem blieb er der Vorsitzende der von ihm gegründeten Partei "Forza Italia", für die er aktuell die Werbetrommel rührt. Nach der Schießerei in Macerata trat er in einem seiner TV-Sender auf und nannte illegal nach Italien eingereiste Migranten "eine soziale Zeitbombe, die jederzeit explodieren kann". Auch versprach er, 600.000 Migranten abzuschieben, sollte seine Wahlallianz aus rechten Parteien an die Macht kommen. Das Bündnis, dem neben der konservativen "Forza Italia" auch die rechtsextreme "Lega" und die "Brüder Italiens" angehören, konnte daraufhin in den Umfragen seinen Vorsprung leicht ausbauen.
"Wenn man den Wahlkampf im Fernsehen verfolgt, bekommt man den Eindruck, Italien hätte außer uns Migranten keine anderen Probleme", sagt Souleymane Bangoura. Der 25-Jährige kam im letzten August aus Guinea über das Mittelmeer nach Palermo. Aktuell lernt er in einer von Freiwilligen betriebenen Sprachschule Italienisch. "Manche Kandidaten schlachten das Thema Migration ordentlich aus, um Stimmen zu gewinnen. Das macht mir schon Sorgen", so Bangoura.
"Erfolg zieht Frauen an"
Ada Terenghi steht hinter Silvio Berlusconis Einwanderungspolitik. Sie kandidiert zum ersten Mal für einen Sitz im römischen Parlament und will den Wahlkreis Palermo-Stadt für die "Forza Italia" gewinnen. "Wir machen unsere Kampagne nicht auf dem Rücken der Migranten - ganz im Gegenteil", sagt die Angestellte der städtischen Energiebehörde. Die meisten illegalen Migranten seien in Italien unglücklich und wollten in ihre Heimatländer zurückkehren. Eine Einwanderungspolitik, die auf Grenzschutz und Abschiebungen setze, wäre daher richtig, sagt sie.
Silvio Berlusconis Rückkehr auf die Bühne der italienischen Politik erklärt Ada Terenghi mit seinem Erfolg als Geschäftsmann. Die Sparpolitik der amtierenden Mitte-links-Regierung habe viele Italiener hart getroffen. Ein sanierter Staatshaushalt lasse aber auch nach Jahren der Austerität auf sich warten. "Berlusconi hat in der Vergangenheit schon mehrfach sein Können unter Beweis gestellt. Seine Zielstrebigkeit und seine Leidenschaft sind die Gründe, warum wir Sizilianer, und hoffentlich bald auch die restlichen Italiener, auf ihn setzen." Berlusconis Mitte-rechts-Bündnis konnte die Regionalwahlen in Sizilien im November 2017 bereits für sich entscheiden. Die Wahl galt als Testlauf für die bevorstehenden Parlamentswahlen.
Auch Berlusconis zahlreiche Affären seien auf seinen Erfolg zurückzuführen, so die Kandidatin. Ein angebliches Verhältnis mit einer minderjährigen Nachtclub-Tänzerin brachte ihn sogar vor Gericht. "Frauen suchen seine Nähe, weil er so viel Macht hat. Sein Erfolg fasziniert eben." Als Frau hinter Berlusconi zu stehen, ist für Terenghi kein Widerspruch. "Ich bewerte Menschen nicht nach dem, was über sie erzählt wird. Ich bewerte sie nach dem, was sie können. Und er kann mit seiner Kompetenz in Italien noch einiges bewirken."
"Berlusconi kommt der Mafia zugute"
Nachts, wenn die Gemüse- und Fischverkäufer ihre Marktstände abgebaut haben, wird das Ballarò-Viertel zum Schauplatz unlauterer Geschäfte. Drogen, Markenfälschungen und Hehlerware sollen hier verkauft werden. Auch die sizilianische Mafia soll ihre Finger im Spiel haben. "Vor vierzig Jahren war Palermo die weltweite Mafia-Hauptstadt", sagt Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando. Sein Amtssitz liegt nur zwei Gassen vom Markt entfernt. Heute gebe es die Mafia hier zwar noch immer, sie habe aber stark an Einfluss verloren.
Orlando, der mit wenigen Unterbrechungen seit 1985 im Amt ist, kämpfte sein ganzes Leben gegen das organisierte Verbrechen. "Ich sage nicht, dass Berlusconi ein Mafioso ist. Aber sein politischer Stil ist genau das, was die Mafia braucht", so der Lokalpolitiker. Kriminelle Organisationen profitierten von seinem Interesse an schnellen Geschäften sowie von seiner Ignoranz für traditionelle staatliche Strukturen.
Unter den Verkäufern des Ballarò-Marktes kommt Silvio Berlusconis Rückkehr besser an. "Als Silvio an der Macht war, lief es besser. Da gab es mehr Arbeit", sagt der eine. "Berlusconi kann uns retten. Ich stimme sicher für ihn. Wer schon genug hat, der stiehlt weniger, wenn Sie verstehen, was ich meine", so ein anderer. Nur vereinzelt macht sich Verdrossenheit breit. Es sei doch egal, ob man rechts oder links wähle, es bleibe immer alles gleich, brummelt ein dritter. Egal, wie die Wahl ausgeht: Priester Enzo Volpe wird für sein multikulturelles Viertel weiterkämpfen. "Unsere christlichen Werte verbieten es uns, jemanden auszuschließen oder zu diskriminieren. Ich rufe die Politiker dazu auf, allen Menschen hier eine Chance zu geben."