Kaufen und geduldig sein
20. April 2015"What a wonderful world", das Lied von Louis Armstrong klingt dezent aus den gut versteckten Lautsprechern der "Plaza Indonesia", einem Einkaufspalast im Zentrum der indonesischen Hauptstadt Jakarta. Ein Vater testet mit seinem kleinen Sohn die Sitze im neuen Audi A6. Rechts und links gehen Boutiquen ab: Dior, Louis Vuitton, Diane von Fürstenberg. Draußen tobt der Verkehr bei schwülen 30 Grad, drinnen erstreckt sich ein luxuriöses Shopping Paradies. Die indonesische Mittelschicht ist konsumfreudig. 40 bis 50 Millionen Indonesier gehören laut Weltbank dazu. Bis zum Jahr 2025 könnte die Mittelschicht auf über 100 Millionen Menschen anwachsen. Das jährliche Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent soll dafür sorgen.
Zwei Dollar am Tag
Veronica Colondam aber hat eine andere Zahl. "Mehr als die Hälfte unserer Bevölkerung muss von weniger als zwei US-Dollar am Tag leben", erzählt die eloquente Unternehmerin. Sie beschäftigt mit ihrer Ycab Foundation, einem Sozialunternehmen, 655 Mitarbeiter. Ihre Aufgabe: junge Schulabrecher auszubilden, damit sie Arbeit finden. Sei es als Friseure, Elektriker oder Näherinnen. Außerdem vergibt Ycab Kleinstkredite an Frauen, die sich mit kleinen Unternehmen wie einem Imbissstand eine Existenz aufbauen wollen.
Die Einkommensungleichheit im Land mit der viertgrößten Bevölkerung der Welt ist nach wie vor hoch. In unmittelbarer Nähe der glitzernden Hochhäuser Jakartas stehen ärmliche Hütten, zusammengezimmert aus Abfällen, ohne Wasser und Elektrizität. Schon heute leben mehr Menschen in den Städten als auf dem Land, denn hier scheint der Wohlstand näher. Der Großraum Jakarta platzt mit mehr als 30 Millionen Menschen aus allen Nähten. Wer es sich leisten kann, kauft mindestens einen Motorroller. Acht Millionen werden jedes Jahr neu zugelassen und rund eine Million neue Autos.
Chaotischer Verkehr und unberechenbare Bürokratie
"Es gibt nicht viele Länder in dieser Größe, die so schnell wachsen", sagt Jan Rönnfeld, Geschäftsführer der deutsch-indonesischen Handelskammer. "Hier Geschäfte zu machen, ist schwierig aber profitabel", ergänzt der Manager, der bereits seit 17 Jahren in Indonesien lebt und sich auch vom vierstündigen Stop-and-Go-Verkehr nicht aus der Ruhe bringen lässt.
Geduld ist eine Pflicht im indonesischen Geschäftsleben. Auch wegen der bürokratischen Hürden. Das Land wird weniger von Gesetzen als von Minister- und Präsidentendekreten regiert. "Entscheidungen können tagesabhängig sein", sagt Rönnfeld. "In einem Ministerium entscheidet eine Person heute so und morgen anders. Man verbringt viel Zeit mit der Bürokratie." Doch die Anfragen von deutschen Unternehmen, die in Indonesien investieren möchten, nehmen zu.
Deutsche Investoren
Rund 500 Mitgliedsunternehmen hat die deutsch-indonesische Kammer. Der Automobilzulieferer Bosch ist eines davon. In Bekasi wird gerade eine Fertigung aufgebaut. Dort sollen unter anderem Einspritzventile für Autos hergestellt werden. Die Großstadt liegt östlich von Jakarta und ist das Automobilzentrum des Landes.
Doch einiges läuft nicht so wie Bosch es sich vorgestellt hat. Ralf von Baer betreut für die Robert Bosch GmbH das Indonesiengeschäft. Er kann sich vorstellen, langfristig auch aus Indonesien heraus zu exportieren. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg: "Für die reine Exportproduktion ist Indonesien in vielen Branchen wegen der mangelhaften Infrastruktur, der schlechten Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter, der geringen Produktivität und der komplexen Genehmigungsprozesse bislang noch nicht wettbewerbsfähig mit vielen anderen südostasiatischen Ländern", betont er. Aus seinen Worten ist Enttäuschung zu hören.
Ausbildung verbessern
Bosch plant jetzt zusammen mit der deutsch-indonesischen Handelskammer einen dualen Ausbildungszweig. Die Kombination aus Praxis und Theorie soll die Facharbeiter liefern, die die Unternehmen dringend brauchen. Ralf von Baer weist noch auf ein anderes Problem hin. "Es ist extrem schwierig, Arbeitsgenehmigungen für Ausländer zu bekommen. Für den Aufbau der Fertigung und die Ausbildung der indonesischen Mitarbeiter brauchen wir aber auch unsere erfahrenen Ingenieure aus dem Ausland."
Champagner zum Frühstück
In der Hauptstadt Jakarta sieht man heute zahlreiche Ausländer. Japaner, Koreaner, Europäer oder Afrikaner, die hier Geschäfte machen und auch gerne einkaufen gehen. 150 große Shopping Malls gibt es in der Stadt, von günstig bis teuer. Über 350 Euro kostet der Champagner Brunch in der Plaza Indonesia. Neben Jahrgangschampagner gibt es Hummer, Kaviar und Fois Gras. In der Nähe des Konsumtempels verkauft ein Mann an seinem kleinen Imbissstand Satay-Spieße mit Hühnerfleisch und Erdnusssoße. Drinnen wie draußen brummt das Geschäft.