In Syrien sucht Russland eine neue Rolle
25. Januar 2017Astana war für Russland eines dieser Treffen, die an und für sich wichtiger sind als das Ergebnis. "Es war sicherlich ein Erfolg", sagte der Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow über die Syrien-Gespräche in der kasachischen Hauptstadt. Im Mittelpunkt stand die im Dezember vereinbarte und noch brüchige Waffenruhe.
Als zentrales Ergebnis betrachtet Moskau offenbar die Einbindung der bewaffneten Opposition in den politischen Prozess um die Zukunft Syriens. "Allein die Tatsache, dass sich die interessierten Seiten getroffen hatten, ist sehr positiv", sagte Peskow. Astana habe dem Genfer Prozess "wesentliche Unterstützung" gesichert. Die nächste Runde der Syrien-Verhandlungen ist für den 8. Februar im Genf geplant.
An den zweitägigen Gesprächen in Astana am Montag und Dienstag hatten Vertreter der syrischen Regierung, der oppositionellen Gruppierungen sowie Russlands, der Türkei und des Iran teilgenommen. Die Abschlusserklärung haben nur diese drei Länder unterzeichnet, die sich gemäß russischen Medien als "Garanten" der Waffenruhe verstehen. Im Papier wird der Wille zur politischen Lösung des Konflikts und zu weiteren Gesprächen betont.
Wenig Inhalt, viel Imagepflege
Experten bewerten das Treffen unterschiedlich. Alexej Malaschenko spricht von einem "beinahe Null-Ergebnis". "Es gab keinen Durchbruch", sagt der Nahost-Experte vom Moskauer Carnegie-Zentrum: "Besonders in Russland gab es Erwartungen, dass es den politischen Prozess einleiten würde." Doch die Parteien hätten sich nur darauf geeinigt, die Gespräche fortzusetzen. "Die Probleme unter den Syrern sind geblieben", stellt Malaschenko fest.
Russland würde im Nahen Osten gerne die Rolle der USA übernehmen, habe jedoch nicht genug Kraft dafür, sagt der russische Experte: "Die Ambitionen und der Wunsch sind da", aber nicht die finanziellen Möglichkeiten. Astana habe diese Schwachstelle des modernen Russlands deutlich gemacht.
Margarete Klein von der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP) sieht das anders. Zwar hält auch sie die Astana-Bilanz für "mager". Doch die Expertin relativiert: "Letztendlich ging es für Russland weniger um das inhaltliche Ergebnis, als darum, eine neue Rolle in der Region sichtbar zu machen: weg vom reinen Spoiler, der nur zerstören kann, hin zu einer Gestaltungsmacht". Russland habe auch "ein neues Modell für die Regionalordnung" andeuten wollen, "in dem die USA und Europa nur in der zweiten Reihe mitspielen".
Schließlich sei der neue Schulterschluss mit der Türkei für Moskau wichtig gewesen. Erst wenige Tage vor dem Treffen in Astana flogen die russische und die türkische Luftwaffe einen ersten gemeinsamen Einsatz gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien. Vor rund einem Jahr waren Moskau und Ankara monatelang zerstritten, nachdem die Türkei einen russischen Bomber abgeschossen hatte.
Wie stabil ist die Allianz mit der Türkei und dem Iran?
Sinan Ulgen, Direktor der EDAM-Denkfabrik in Istanbul, glaubt, das Treffen in Astana sei ein "diplomatischer Erfolg" für die Türkei. Es habe jedoch auch die Grenzen des Einflusses Ankaras deutlich gemacht. "Astana hat gezeigt, dass es die (syrische) Opposition nicht einigen konnte", so der Experte. "Ähnlich sieht es sein Kollege Aidin Sezer vom türkischen Zentrum für Türkei- und Russlandstudien. Es sei jedoch ein Anfang: "Die psychologische Barriere ist überwunden."
Die neue Allianz aus Russland, der Türkei und dem Iran sei instabil, sagen Experten. "Was die drei vereint ist, dass man die USA als einen starken Akteur aus dieser Regionalordnung herausdrängen will", stellt Margarete Klein fest. Doch die Visionen und Interessen in Syrien seien unterschiedlich.
Ihr Moskauer Kollege Malaschenko bezeichnet die jüngsten Türkei-kritischen Äußerungen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad als Beispiel für neues Konfliktpotenzial. Nicht einmal Assads Schutzmacht Russland könne ihn vollständig kontrollieren.
Noch kein Kriegsende
Einig sind sich die Experten darin, dass es noch zu früh sei, von einem Ende des Krieges in Syrien zu sprechen, der seit 2011 andauert. "Ein Bürgerkrieg kann mal ruhiger werden, mal wieder aufflammen", analysiert Alexej Malsachenko vom Moskauer Carnegie-Zentrum. Die Gesellschaft in Syrien sei müde. Das sei der Grund für die jetzige relative Ruhe und nicht die diplomatischen Bemühungen Russlands, der Türkei und des Iran.
Auch Margarete Klein von der SWP glaubt nicht, dass der Konflikt vorbei ist. Die bewaffnete Opposition sei noch nicht am Ende und vieles würde von der Haltung ihrer bisherigen Unterstützer im Persischen Golf abhängen, sagt Klein mit Verweis auf Saudi-Arabien und Katar.
Vertreter der Golfstaaten waren nicht nach Astana gereist. Deshalb sei das kommende Treffen umso wichtiger, glaubt der türkische Experte Sinan Ulgen: "Meine Erwartung für das Treffen in Genf ist, dass es eine größere Beteiligung geben wird. Besonders Katar und Saudi Arabien sollten sich anschließen, damit die Opposition breiter vertreten wird."