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In der Diplomatie sind Worte Taten

Miodrag Soric10. September 2004

Bald nach den Attentaten in New York und Washington erklärte US-Präsident George W. Bush dem weltweiten Terrorismus einen Krieg, dessen Ende auch drei Jahre danach nicht abzusehen ist. Ein Kommentar von Miodrag Soric.

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Amerika sei eine Nation im Krieg, verkündet Präsident George W. Bush immer wieder. Tatsächlich gibt sich die letzte verbliebene Weltmacht drei Jahre nach den Anschlägen des 11. September als wahrer Kraftprotz. Und doch ist sie verwundbar wie kaum jemals zuvor in ihrer Geschichte: Im Irak sind schon über tausend Soldaten gefallen, in Afghanistan geht der Kampf weiter und in den USA selbst wird immer wieder Terroralarm ausgegeben.

Hundertprozentigen Schutz vor Terrorangriffen gibt es nicht. Das umso weniger, als der Terror von Fanatikern und von Gruppen ausgeht, die länderübergreifend agieren und lose miteinander verbunden sind. Was sie eint, ist die gefährliche Mischung aus Hass und Ablehnung gegenüber den eigenen korrupten Regimen und gleichzeitig gegenüber dem Westen, der diese Regime unterstützt. Und mit der Politik des Westens wird auch gleich dessen Kultur und dessen Religion abgelehnt.

Kein Interesse am Rest der Welt

Obwohl diese Erscheinung nicht neu ist - neu ist nur, wie heftig sie in Gewalt umschlägt - fragen sich die Amerikaner immer wieder, woher solcher Hass kommen mag. Sie übersehen dabei, dass sie doch selbst dazu beigetragen haben. Durch die Kungelei mit Drittwelt-Diktaturen und durch mangelndes Interesse für die Entwicklungen und Probleme im großen Rest der Welt: Es genügt ein Blick in die Abendnachrichten des US-Fernsehens um festzustellen, dass internationale Themen kaum vorkommen.

Selbst Europa bleibt davon nicht verschont. Der Blick der USA auf Europa heißt: Wenn es darauf ankommt, seien die Briten an der Seite Washingtons und die Franzosen eher gegen die USA. Auf dieser mentalen Landkarte der Amerikaner liegt Deutschland irgendwo zwischen Großbritannien und Frankreich. Dass manche West-Europäer in der Frage des Irakkrieges nicht wie zur Zeit des Kalten Krieges ohne Wenn und Aber an der Seite der USA stehen, hat die Bush-Administration enttäuscht und Spuren hinterlassen.

Mangelnde Glaubwürdigkeit

Drei Jahre nach dem 11. September 2001 steht fest: "Nine Eleven" war ein Ereignis historischen Ausmaßes, eine Zäsur, eine Zeitenwende. Die Weltpolitik hat sich dramatisch verändert. Fünfzehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges droht eine ganz andere, eine neue Zweiteilung der Welt, die von den USA durch die ebenso einfache wie riskante Formel "wer nicht für uns ist, ist gegen uns" mit verursacht wird. Doch wie glaubwürdig ist die Politik der USA, wenn sie einerseits den Anspruch erhebt, für Demokratie und Menschenrechte zu kämpfen, sich aber weiterhin mit Diktaturen verbündet? Und inwieweit können die USA der Welt als Vorbild dienen, wenn sie dieselben Ziele verletzen, für die sie angeblich kämpfen? Es sei nur an Guantánamo oder Abu Ghraib erinnert.

In den vergangenen drei Jahren des "Kampfes gegen den Terror" ist die Welt nicht sicherer geworden. Im Gegenteil. In Afghanistan melden sich die Taliban in gleich mehreren Provinzen zurück. Außerhalb Kabuls haben die alten Warlords wieder das Sagen. Oberterrorist Bin Laden läuft immer noch frei herum. Seine Anhängerschaft wird weltweit größer - inzwischen selbst im Irak. Und dort ist die Lage alles andere als stabil - trotz aller amerikanischen Hoffnungen und Versprechungen.

Bushs Versprechen einer Demokratisierung der arabischen Welt war ohnehin auf großes Misstrauen gestoßen. Der außenpolitische Kurs der USA hat den Plan zur Makulatur werden lassen. Und selbst wenn es irgendwo Hoffnungen gegeben haben sollte: Heute gibt es nur noch echte Enttäuschung. In der Diplomatie sind Worte Taten - in der Politik sollte diese Regel aber nicht gelten. Hier sollten Worte Worte sein, ihnen sollten dann aber auch wirkliche Taten folgen.