Prozess gegen Trump ist verfassungskonform
9. Februar 2021Per Votum stellten die 100 US-Senatoren fest, dass der zweite Impeachment-Prozess gegen Donald Trump mit der Verfassung vereinbar ist. Gemeinsam mit den 50 Senatoren der Demokraten stimmten auch sechs von Trumps Republikanern dafür, das Verfahren als verfassungsgemäß einzustufen und damit fortzusetzen. 44 republikanische Senatoren stimmten dagegen.
Bei der Abstimmung ging es um die Frage, ob der Senat Trump als früherem Präsidenten den Prozess machen kann. Vorausgegangenen war eine vierstündige Anhörung, in der Ankläger und Trump-Anwälte ihre Standpunkte dazu darlegen konnten.
Senat folgt Argumentation der Trump-Anwälte nicht
Trumps Anwälte - und zahlreiche Republikaner - hatten argumentiert, dass das Verfahren verfassungswidrig sei: Der Senat könne nur über amtierende, nicht aber über frühere Präsidenten urteilen. David Schoen aus Trumps Verteidigerteam sagte, Privatpersonen könnten nicht aus dem Amt entfernt werden. Das lege schon der gesunde Menschenverstand nahe.
Schoen warf den Demokraten vor, sie hätten das Verfahren nur eingeleitet, um Trump "von der politischen Bühne zu entfernen". Dies sei ein Missbrauch des Impeachment-Verfahrens für politische Zwecke. Den Demokraten gehe es - anders als sie es darstellten - auch nicht darum, das Land zu einen, im Gegenteil. "Dieser sogenannte Prozess wird das Land zerreißen", mahnte Schoen.
Anklageführer Jamie Raskin hielt dagegen: Es gebe keine "Januar-Ausnahme", sagte der demokratische Abgeordnete mit Blick auf den letzten Amtsmonat eines jeden Präsidenten.
Präsidenten müssten auch zur Rechenschaft gezogen werden können für Vergehen, die sie in den letzten Amtstagen begangen hätten - und das bedeute, dass ein Senatsprozess auch erst nach ihrer Amtszeit stattfinden könne. Ansonsten könnte ein Präsident beispielsweise ungestraft versuchen, sich nach einer Abwahl gewaltsam an der Macht zu halten, erläuterte Raskin. Er versprach, die Anklage basiere auf "kalten, harten Fakten".
Demokraten werfen Trump Anstiftung zum Aufruhr vor
Basierend auf der Anklage "Anstiftung zum Aufruhr" haben die Demokraten im Repräsentantenhaus - unterstützt von zehn republikanischen Abgeordneten - ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump eingeleitet. Geführt und entschieden wird dieses Verfahren im Senat. Die Kongresskammer nimmt dabei die Rolle eines Gerichts ein. Nach der Entscheidung des Senats, das Impeachment-Verfahren fortzuführen, haben Ankläger und Verteidiger nun von Mittwoch an jeweils zwei Tage Zeit, auf die konkreten Vorwürfe gegen Trump einzugehen.
Die Demokraten werfen Trump vor, am 6. Januar seine Anhänger zur Erstürmung des Kapitols angestachelt zu haben. An diesem Tag sollte dort der Sieg des gewählten Präsidenten Joe Biden endgültig bestätigt werden. Trump hatte seine Anhänger zuvor in einer aufwieglerischen Rede zum Widerstand aufgerufen und wie schon in den Wochen zuvor behauptet, ihm sei der Wahlsieg durch massiven Betrug "gestohlen" worden.
Schockierende Aufnahmen zum Auftakt
Der erste Verfahrenstag begann mit schockierenden Aufnahmen von der Kapitol-Erstürmung vor rund einem Monat. Anklageführer Raskin führte einen Zusammenschnitt von Videobildern vor, die die große Brutalität von Trump-Anhängern bei der Erstürmung zeigen. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Präsentiert wurden auch Äußerungen Trumps am 6. Januar - unter anderem seine Aufforderung an seine Anhänger, auf "Teufel komm raus zu kämpfen".
"Deswegen hat das Repräsentantenhaus am 13. Januar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten eingeleitet", sagte Raskin im Anschluss an das knapp viertelstündige Video. "Wenn das kein Vergehen ist, das ein Impeachment verdient, dann nichts."
Schuldspruch unwahrscheinlich
Bei einer Verurteilung Trumps könnte der Senat ihn von künftigen öffentlichen Ämtern ausschließen. Allerdings gilt ein Schuldspruch als nahezu ausgeschlossen: Notwendig wäre eine Zweidrittelmehrheit in der Kongresskammer. Da Demokraten und Republikaner jeweils 50 Senatoren stellen, müssten mindestens 17 Republikaner mit den Demokraten stimmen. Die Abstimmung über die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens machte aber erneut deutlich, dass dies höchst unwahrscheinlich ist.
Trump ist der erste Präsident der US-Geschichte, gegen den zwei Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurden. Trump ist zudem der erste frühere Staatschef der Vereinigten Staaten, der sich nach seinem Ausscheiden aus dem Amt einem Impeachment-Prozess stellen muss. Der 74-Jährige war am 20. Januar mit Bidens Vereidigung aus dem Amt ausgeschieden und lebt inzwischen in seinem Privatclub Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida. Eine Aussage im Impeachment-Verfahren hat er abgelehnt.
ww/wa (afp, dpa, rtr)