Immer mehr Kritik an Afghanistan-Einsatz
17. August 2009In Afghanistan endet um Mitternacht (21.30 Uhr MESZ) der Wahlkampf für die Präsidentenwahl. Voraussichtlich 36 Kandidaten werden am Donnerstag (27.08.2009) zur Wahl stehen. 17 Millionen Afghanen sind aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben. Je näher die Wahl rückt, umso lauter erklingen in Deutschland Stimmen gegen den Einsatz der Bundeswehr in dem Land. "Dieser Einsatz ist ein Desaster", sagte der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (Ausgabe vom 17.08.2009) . Rühe forderte, dass Deutschland in den nächsten zwei Jahren seine Truppen aus Afghanistan abzieht.
Verteidigungsminister weist Kritik zurück
Franz-Josef Jung (CDU) wies die Forderungen des ehemaligen Verteidigungsministers (1992-1998) zurück. Ziel des Einsatzes am Hindukusch sei es, Afghanistan in die Lage zu versetzen, selbst für die Sicherheit zu sorgen. "Dies wird sicherlich noch einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren in Anspruch nehmen", sagte der Verteidigungsminister in der Montagsausgabe (17.08.2009) der "Bild"-Zeitung.
Auch die Bundeskanzlerin lehnt einen raschen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ab. "Wir werden den Zeitraum natürlich nicht ohne Not ausdehnen", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag in Berlin. Deutschland werde aber auch nicht alle internationalen Anstrengungen der vergangenen Jahre durch einen zu frühen Abzug entwerten und damit einen schweren Rückschlag riskieren.
Weisser fordert Abzug bis 2011
Der frühere Leiter des Planungsstabs der Bundeswehr, Ulrich Weisser, hatte zuvor für ein Ende des Nato-Einsatzes in Afghanistan bis spätestens 2011 plädiert. "Die Deutschen dürfen erwarten, dass die Parteien im Wahlkampf einen solchen Ansatz oder eine glaubwürdige Alternative präsentieren – und nicht die Aussicht, noch weitere zehn Jahre einen Krieg zu führen, der in einem Land, das von Korruption zerfressen wird, nicht zu gewinnen ist", schrieb Weisser in der "Frankfurter Rundschau" vom Montag. Bundesregierung und Parlament hätten bislang nicht überzeugend dargelegt, warum deutsche Soldaten überhaupt in Afghanistan eingesetzt seien und dort womöglich zu Tausenden über Jahrzehnte bleiben sollten.
"Die Diskussion ist gefährlich"
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), warnte vor einem Wahlkampfstreit über einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. "Die Diskussion ist gefährlich. Wenn die Taliban merken, dass in Deutschland eine große Debatte losgetreten wird, werden sie noch mehr Anschläge auf die Bundeswehr verüben", so Polenz. Gerade vor der Wahl in Afghanistan am kommenden Donnerstag ist die Lage sehr angespannt. Vor allem im Bundeswehreinsatzgebiet der nördlichen Unruheregion Kundus. Die Sicherung der 6600 Wahllokale in Afghanistan erfordere eine "enorme Anstrengung", äußerte Jung gegenüber dem Radiosender hr-info am Samstag.
Für stärkeren zivilen Schutz
Der frühere UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, die Einsatzstrategie in Afghanistan zu ändern. Der derzeitige Krieg sei unter dem "klassischen Gesichtspunkt geführt worden, den Gegner zu vernichten, nicht aber, mit allen Mitteln die Zivilbevölkerung zu schützen", sagte der Grünen-Politiker der "Berliner Zeitung". Die nunmehr erkennbare Korrektur der Militärstrategie komme viel zu spät.
Keine Truppen-Reduzierung nach Afghanistan-Wahl
Nach der Präsidentenwahl in Afghanistan müsse die Bundeswehr in ihrer bisherigen Truppenstärke am Hindukusch aktiv bleiben, so die Einschätzung des Verteidigungsministers. Es sei mit einer Stichwahl im September oder Oktober zu rechnen. Danach werde die Lage neu bewertet werden, sagte Jung gegenüber hr-info am Samstag. (ssr/mas/ap/epd/afp/rtr/dpa)