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Ihre Fotos zeigen die Spaltung der USA

Maria John Sánchez
26. Oktober 2020

Sie reisten 24.000 Kilometer durch die USA und fotografierten Menschen. Ihre Bilder zeigen die Zerrissenheit des Landes. Was noch, erzählt das Fotografenpaar Mathias Braschler und Monika Fischer hier.

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Zwei bewaffnete Amerikaner stehen nebeneinander
Gespaltenes Land: Fotobuch zeigt beeindruckende Porträts aus der Mitte der USABild: Mathias Braschler & Monika Fischer

Deutsche Welle: Ihr Fotoband heißt "Divided we Stand", zu deutsch: "Getrennt stehen wir". Wie haben Sie die Spaltung in den USA erlebt, als Sie monatelang durch das Land gereist sind?

Mathias Braschler: Die erlebt man tagtäglich, weil das Land tief gespalten ist, auch wenn man mit Menschen spricht. Die Spaltung geht sehr tief. Wir haben die Leute auch immer gefragt, ob das Land gespalten ist, und da hat es kaum jemanden gegeben, der nein gesagt hat.

Monika Fischer: Der Riss geht auch häufig durch Familien oder Freundschaften. Viele haben uns erzählt, dass sie über Politik zu Hause gar nicht mehr reden können, wenn ein Familienteil oder Freunde eine andere politische Meinung haben.

Das Politische wird also privat?

Mathias Braschler: Ja, das Problem ist wirklich, wenn Du in der Familie vier Kinder hast und man trifft sich zu Thanksgiving und drei sind Demokraten und einer ist Republikaner, dann wird es problematisch. Das große Zusammenkommen zu Thanksgiving kann schon zum echten Problemfall werden, weil man nicht mehr vernünftig über Politik sprechen kann. Das Klima ist so aufgeheizt, dass das wirklich extrem schwierig geworden ist.

Sie leben abwechselnd in der Schweiz und in New York. Auf Ihrem Roadtrip sind Sie durch das Zentrum der USA gereist und haben dort Menschen kennengelernt. Hat das Ihren Blick auf die USA noch einmal verändert?

Monika Fischer: Er hat sich sicher verändert. Wir haben ja schon einmal einen Roadtrip für das Buch About Americans im Jahr 2003 gemacht. Das war kurz nach 9/11, da war es eher so, dass man sich vereint hat gegen einen äußeren Feind. Dieses Mal hat man die Spaltung viel, viel mehr gemerkt. Wir haben kaum jemanden getroffen, der nicht der Meinung war, dass der andere lügt, der andere die falschen Medien schaut oder sich in der falschen Social-Media-Umgebung tummelt. Wir waren in New York, als Trump gewählt wurde. Damit hat in New York niemand gerechnet, es war ein Schock, der durch die Stadt ging. Am nächsten Tag fielen alle in eine große Depression. Das hieß auch, dass wir uns in einer Bubble bewegten: In New York hatte kaum jemand bemerkt, was draußen los ist - deshalb auch unsere Idee, loszufahren und zu sehen, wie es so weit kommen konnte. Wir wollten herausfinden, was die Menschen dachten, als sie Trump wählten oder auch nicht wählten.

Mathias Braschler und Monika Fischer, sie in schwarzem Pulli, er im schwarzen Hemd, lächeln den Betrachter an (Foto: Braschler/Fischer).
Fotografen-Paar Monika Fischer und Mathias Braschler reisten mit mobilem Fotostudio quer durch die USABild: Braschler/Fischer

Auf Ihrem Roadtrip haben Sie die unterschiedlichsten Menschen kennengelernt. Gab es eine Begegnung, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Mathias Braschler: Es ist die Kombination von Begegnungen, die das Besondere ausmacht. Klar hat man Leute, die mehr hängen geblieben sind. Sei es, weil sie in extremer Armut leben oder weil sie eine Wahnsinnsbiografie haben, wie der ehemalige Bandenchef einer Gang in L.A. Aber ich glaube, unterm Strich ist es für mich die Kombination, die auch die Stärke des Projektes ausmacht. Wenn Du genügend verschiedene Leute triffst, dann kriegst Du wirklich ein Psychogramm dieser Nation.

Monika Fischer: Eine spezielle Begegnung war die mit Jamie. Sie ist Walmart-Angestellte. Wir haben sie gesehen und ausgewählt, weil sie so spannend aussah und so ausdrucksstark war. Wir haben sie porträtiert und dann das Videointerview gemacht. Wir haben sie gefragt: Was würdest du Trump sagen, wenn Du eine Minute mit ihm hättest? Und sie hat, unvorbereitet wie sie war, losgeschossen und sofort den Finger auf alle wunden Punkte der USA gesetzt. Eine hochintelligente Frau. Sie sitzt jeden Tag ein paar Stunden da und denkt einfach nach. Und arbeitet bei Walmart. Es gab viele Überraschungen und wir haben gemerkt, viele Klischees stimmen nicht.

Schauen wir auf die kommende US-Wahl: Meinen Sie, die Spaltung wird sich vertiefen? Oder werden die Leute wieder Hoffnung finden und sich vereinen?

Monika Fischer: In unseren Interviews haben wir bei den Leuten auch immer gespürt, oder sie haben es explizit gesagt, dass sie von dieser Spaltung genug haben. Dass sie sich wünschen, wieder eins zu sein, Amerika zu sein, Amerikaner zu sein und nicht Republikaner und Demokraten, obwohl sie so leben. Aber sie haben jetzt genug davon. Ich hoffe und ich glaube, es wird sich ändern.

Mathias Braschler: Es ist eine Frage des Wahlausgangs. Wenn Trump gewinnt, dann wird es noch schlimmer. Große Krisen haben amerikanische Präsidenten jeweils genutzt, um das Land zu vereinen. Aber das hat Trump nicht gemacht, und die Spaltung noch vorangetrieben. Wenn er gewinnt, womit ich nicht rechne, dann wird es definitiv noch schlimmer werden.

Monika Fischer: Als wir vor einem Jahr zurückkamen, haben wir gedacht, er wird wiedergewählt. Wir haben so viele Leute gehört, die für ihn waren, obwohl sie ihn als Person total unsympathisch, total schrecklich finden. Meistens ging es um einen Punkt, den er vertreten hat, der ihnen in den Kram gepasst hat. Und dann hätten sie ihn wiedergewählt. Aber jetzt glaub ich, mit Corona, wo er wirklich versagt hat, und mitBlack Lives Matter sind die Leute wirklich aktiviert und glauben wieder daran, dass ihre Stimme etwas zählt, und dass das Volk auch etwas zu sagen hat.

Das Fotografenpaar Monika Fischer, Jahrgang 1971, und Mathias Braschler, Jahrgang 1969, lebt und arbeitet in der Schweiz und in New York. Ihr Fotoband "Divided we Stand" ist im Stuttgarter Verlag Hartmann Books erschienen. Die erwähnten Fotografien sind noch bis 15. November 2020 im Museum Stapferhaus in Lenzburg bei Zürich, bis 22. November im MASI Lugano, sowie ab 21. November im Lechner Museum in Ingolstadt ausgestellt.

Das Gespräch führte Maria John Sánchez.

Maria John Sánchez Autorin