Das Dilemma der Trump-Fans Payne
28. September 2020Jeder, der an ihrem schönen, mit Efeu bewachsenen Backsteinhaus vorbeifährt, soll eigentlich sofort sehen, wo das politische Herz von Susie und Wayne Payne schlägt. Das Ehepaar würde gerne für den Mann, den es den "besten Präsidenten" nennt, das blaue Wahlkampfschild mit dem weißen Schriftzug "Trump/Pence" in seinem Gärtchen aufstellen. "Aber es wird uns ja immer geklaut", klagt Susie.
Die politische Stimmung in dem 100.000-Einwohner-Städtchen Pueblo in Colorado, knapp zwei Autostunden südlich von Denver, ist aufgeladen. Vor vier Jahren konnte Donald Trump hier die Wahl für sich entscheiden. Aber mit nur einem Prozentpunkt war sein Vorsprung knapp. Pueblo ist eine Arbeiterstadt mit einem Einwandereranteil aus Lateinamerika von mehr als 50 Prozent. Neben den wirtschaftspolitischen Programmen der Präsidentschaftskandidaten interessiert hier vor allem die Einwanderungspolitik.
Mit Suchtproblemen gekämpft
Die Paynes leben seit 1977 in Pueblo. Im Leben des Ehepaares gab es einige heftige Krisen. "Wir hatten Suchtprobleme und haben schwere Zeiten erlebt", sagt Wayne Payne. Fast wäre die Familie daran zerbrochen. Aber dann hatte das Ehepaar eine Eingebung: "Gott hat uns gerufen." Das war 1983. Seitdem sind sie engagierte Christen, Wayne Payne predigt regelmäßig in der unabhängigen "Christ Church". Er spricht dann vor den rund 60 Kirchenmitgliedern vom Recht auf Leben, predigt gegen Abtreibung und für strenge Einwanderungsgesetze. Bei diesem Thema gibt es für das Zahnarztehepaar in Rente keine Zweifel. "Die Demokraten würden unser Land zerstören. Weil sie jeden reinlassen", sagt Ehefrau Susie.
Sie beten auch für Donald Trump. Damit er gesund bleibt und wiedergewählt wird und weiter hart durchgreift, da, wo es notwendig sei. "Natürlich brauchen wir Einwanderer für viele Tätigkeiten, die sonst niemand macht. Aber wir können doch nicht jeden hier reinlassen. Das können wir uns nicht leisten."
Wenn die Geschichte hier aufhören würde, wären diverse Stereotype erfüllt. Weiße Freikirchler, die sich zwar Christen nennen, aber ihren Wohlstand mit niemandem teilen wollen und Donald Trump wählen, damit die Mehrheitsgesellschaft weiß und privilegiert bleibt. Und Abtreibung verboten wird. Wayne Payne hatte genau diese Sorge, als wir ihn im Flur seines Hauses treffen. Wollte genau wissen, von welchem Sender wir kommen. Und ob wir wirklich berichten wollen, was wir sehen. Oder nur das, was wir sowieso von Trump-Wählern halten. "Denn das ist, was viele amerikanische Sender tun."
Idrissa Camara lebt seit sechs Jahren bei ihnen
Wir können Wayne und Susie Paynes Vertrauen gewinnen. Sie laden uns an den Tisch in ihrem Haus, in dem die Hitze des Tages von Jalousien ausgesperrt wird. Ein Kronleuchter spendet Licht. Bringt die Tränen zum Funkeln, die Wayne in die Augen steigen beim Gebet für Idrissa Camara. Dem 31 Jahre alten Mann aus Guinea, der jeden Tag damit rechnen muss, abgeschoben zu werden. Und der seit sechs Jahren immer wieder bei den Paynes lebt. Er ist für die beiden, die drei erwachsene Kinder und bereits sechs Enkelkinder haben, wie ein weiterer Sohn.
Camara kam mit zwölf Jahren in die Vereinigten Staaten. Susie Payne ist es wichtig zu betonen, dass er als "legaler Einwanderer einreiste". Er kam mit zwei Cousins aus dem westafrikanischen Guinea. Sein Vater war bereits in den Staaten. 2007 hat er Mist gebaut. Wurde dabei erwischt, wie er Crack verkaufte. Für 90 Dollar. Dafür kam er ins Gefängnis. Mit der Auflage, nie wieder kriminell werden zu dürfen, durfte er in den USA bleiben. Camara schaffte es. Landete nicht wie viele mit einer solchen Geschichte in der Kriminalität. Ging zur Schule, bekam einen festen Job, engagierte sich ehrenamtlich, und fand zum christlichen Glauben. Als Moslem erzogen, wurde er Mitglied der Christ Church. Ein Freund von Wayne taufte ihn. 2016 lernte er die Amerikanerin Arri Woodson kennen, beide arbeiteten bei dem selben Non-Profit-Unternehmen. Sie verliebten sich und wurden ein Paar.
Wie es die Auflagen vorschrieben, meldete er sich regelmäßig bei der Einwanderungsbehörde und hoffte darauf, endlich einen festen Aufenthaltsstatus zu bekommen und mit Arri Woodson eine Familie gründen zu können.
Kein Interesse an großer Politik
Die große Politik interessierte ihn nicht. Über die verschärfte Abschiebungspolitik, die der Präsident propagiert, den seine Gasteltern gewählt hatten, dachte er nicht nach. Bis zu diesem Tag.
Eigentlich war es ein Routinebesuch bei seinen zuständigen Ansprechpartnern in der Einwanderumgsbehöre (ICE). An diesem Tag im September 2018 begrüßten ihn Männer, die er noch nie gesehen hatte. Aber Camara dachte sich nichts dabei. Die Vorladung war ja wie immer gewesen. Ein Routinebesuch.
Eine Fehleinschätzung, die in einer furchtbaren Tragödie endeten sollte. Schon in der Eingangshalle wurden ihm Handschellen angelegt. Er wurde abgeführt und mehr als 250 Tage in der Einrichtung festgehalten. Die Trump-Administration hatte die Gesetzesauslegung entsprechend verschärft, damit Menschen wie Camara abgeschoben werden konnten. Weil er vor über zehn Jahren Crack verkauft hat, soll er jetzt zurück in ein Land, das er als Zwölfjähriger verlassen und seit fast 20 Jahren nicht mehr betreten hat.
Seine Freundin hält die Trennung nicht mehr aus
Mit jedem weiteren Tag der Unsicherheit ging es Camaras Freundin Woodson schlechter. Camara war ihre große Liebe. Menschen, die sie gut kannten, bezeichnen sie als introvertierte Person, die sich jetzt noch weiter in sich zurück zog. Die drohende Abschiebung wurde offensichtlich so unerträglich, dass sie neun Monate nach seiner Inhaftierung ihrem Leben ein Ende setzte. Sie schoss sich mitten ins Herz. In einem Abschiedsbrief verlangte sie, dass kein Trump-Wähler ihre Beerdigung besuchen dürfe.
Wayne und Susie Payne hatten mit der Unterstützung der Gemeinde vom ersten Tag der Inhaftierung Anwälte für Idrissa Camara besorgt. Sie kämpften für seine Freilassung. Vergeblich. Bis zum Suizid seiner Freundin. Zwei Tage später durfte er raus. Vorerst. Niemand weiß, ob und wann er wieder eingesperrt wird. Und ob er dieses Mal tatsächlich abgeschoben wird.
Sie leiden mit Idrissa Camara
Die Paynes kannten Woodson. Die Erschütterung spürt man deutlich, wenn sie darüber sprechen, wie sehr sie sich für "ihren Idrissa" gefreut hatten, dass er eine Partnerin gefunden hatte. Sie leiden mit Idrissa, für das, was er erlebt hat. Und finden die permanente Angst vor Abschiebung furchtbar. An der Unterstützung von Trumps Einwanderungspolitik ändert das aber nichts. Grundsätzlich sei es richtig, härter vorzugehen. Aber man müsse Wege finden, die Menschen individueller zu betreuen. Idrissa sei ein wunderbarer Mensch, der in der Vergangenheit Fehler gemacht habe. "Wie so viele, ich auch", sagt Wayne. "Gott vergibt Fehler, das müssen wir Menschen auch tun." Wenn sie Zweifel beschleichen, dann beten sie. "Das hilft uns sehr."
Die Verantwortung für das tragische Schicksal von Idrissa sieht er in keinem Fall bei Donald Trump. Er könne ja nur die großen politischen Linien vorgeben, für die Details seien andere verantwortlich. Und diese müssten unbedingt jeden einzelnen Fall individuell beurteilen. Denn natürlich sei es nicht richtig, dass Camara abgeschoben werden sollte. "Er ist ein wundererbarer Mann."
Er und seine Frau, seine Familie und seine Gemeinde würden weiter für Idrissa kämpfen, Geld sammeln, für ihn beten. Auch könne er so lange wie er wolle bei ihnen wohnen. "Es ist zu einfach, immer alles auf Donald Trump zu schieben. Jeder einzelne kann ganz konkret helfen." So, wie sich das für Christen gehöre.