Höhlenrettung - eine Sache für Profis
13. Juni 2014Etwa 25 Spezialisten von Höhlenrettungsteams aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Italien arbeiten an der Riesending-Schachthöhle zusammen, um den verletzten 52-jährigen Höhlenforscher aus etwa 1000 Metern Tiefe zurück an die Oberfläche holen. Der Einsatz läuft bereits seit fast einer Woche und kann sich noch Tage hinziehen. Fünf Biwaks - also Rastplätze - liegen zwischen dem Unfallort und der Erdoberfläche. Etwa einen Tag dauert es, den Verletzten von einem Biwak zum nächsten zu bringen, erklärte ein Pressesprecher der Bergwacht Bayern gegenüber der Deutschen Welle.
Höhlenrettung ist also ein zeitraubendes Unterfangen und nur etwas für echte Spezialisten. So einer ist Björn Wegen: Er hat mit anderen aktiven Höhlenforschern im Jahr 1992 im Sauerland in Nordrhein-Westfalen eine Höhlenrettungsgruppe ins Leben gerufen. Heute leitet der hauptberufliche Feuerwehrmann dieses Team aus ehrenamtlichen Spezialisten.
"Hauptberuflich kann man das gar nicht machen, denn das könnte keiner finanzieren", sagt der passionierte Höhlenforscher. "Wir haben das Glück, dass wir gemeinsam mit der Feuerwehr Hemer diese Höhlenrettungsgruppe gegründet haben. So können wir auch auf Fachkräfte wie Rettungsassistenten oder Notärzte zurückgreifen."
Die meisten Höhlenretter sind auch als Forscher aktiv
Die enge personelle Verzahnung mit der Feuerwehr kommt den Höhlenrettern im Sauerland zugute. Das ist aber eher eine Ausnahme. Höhlenretter, die in den Berg einsteigen und Verletzte an die Oberfläche holen, sind so gut wie nie Feuerwehrleute. Nicht einmal Grubenwehrleute aus Bergwerken kommen in Höhlen zum Einsatz. "Wir müssen teilweise wirklich flach auf dem Bauch liegen und durch Engstellen kriechen - teilweise kommen direkt danach Schächte, wo wir uns abseilen müssen", erklärt Wegen die Besonderheiten des Einsatzes. "Die Grubenwehr hingegen agiert meistens dort, wo man aufrecht laufen kann, in stabilen Grubenbauten."
Zwar müssen sich auch die Retter der Grubenwehr im Bergbau beizeiten abseilen, aber sie finden immer einen gut befestigten Punkt, an dem sie ihre Seile montieren können. Höhlenretter haben solche "Anschlagspunkte" nicht, sondern müssen sie erst bauen. Dazu brauchen sie Erfahrungen, was das für ein Gestein ist, wie und wo sie Anker setzen können. "So etwas wissen die Feuerwehr und andere Organisationen eigentlich nicht und verfügen auch nicht über das notwendige Material", sagt Wegen.
Steile Wände und viel Gepäck
Das Material und die Werkzeuge, die ein Höhlenrettungsteam zu einem Einsatz mitnimmt, muss gründlich abgestimmt sein: Seile, Gurte, Nahrung, ein Telefon mit einem hundert Meter langen Kabel zur Einsatzzentrale, Schlafsäcke, trockene Kleidung, Lampen und Akku-Bohrhämmer, um Verankerungen im Fels zu befestigen - und natürlich genug Batterien.
Die Ausrüstung darf nicht zu schwer sein - aber es darf auch nichts fehlen, denn Nachschub zu holen dauert mitunter viele Stunden. Verpackt wird alles in robusten Schleifsäcken, das sind wasserdichte, abriebfeste Säcke, die die Retter auch dann noch hinter sich herziehen können, wenn kaum noch Platz in der Höhle ist.
In Nordrhein-Westfalen bestehen Höhlenrettungstrupps immer aus fünf Leuten. Sie nehmen das komplette Material, das sie benötigen mit runter. "Es kann dann auch mal sein, dass jeder zwei Schleifsäcke auf dem Rücken trägt - oder auch drei", sagt Wegen.
Da können schnell mehrere Dutzend Kilogramm Gewicht zusammen kommen. Deshalb legen die Retter in Riesenhöhlen unterwegs mehrere Stationen an - sogenannte Biwaks, wo sie sich zum Ausruhen zurückziehen ziehen können und wo sie auch Nachschub lagern.
Schlamm kriecht in alle Ecken
Gegen Kälte, Feuchtigkeit und Steinschläge schützen sich die Retter mit Neoprenanzug, warmen Handschuhen und Helm. Aber selbst derart ausgerüstet ist die Begehung einer naturbelassenen Höhle meist alles andere als ein beschauliches Unternehmen: unterirdische Gebirgsseen mit schönem klarem Wasser und beeindruckende Tropfsteingrotten sind eher die Ausnahme.
"In den Höhlen gibt es ja keine ausgebauten Wege wie in den Schauhöhlen", sagt Feuerwehrmann Wegen. "Auf dem Boden liegt Lehm. Man muss durch diesen Lehm hindurch kriechen. Teilweise ist er zäh, teilweise ist er fest. Der sitzt sofort an der kompletten Ausrüstung dran und das ist auch das Problem, das wir generell mit unseren Rettungsgeräten haben."
Die größte Herausforderung ist es dann aber, den Verletzten an die Oberfläche zu bringen. Gut, wenn er bei Bewusstsein ist und selber noch gehen oder sogar etwas klettern kann. Geht das aber nicht, kommen Tragen zum Einsatz - speziell für den Höhlenrettungsbereich konstruiert. "Da wird der Patient mit entsprechender Wärmeerhaltung eingepackt und kann dann durch Engstellen hindurchgezogen oder in einem Schacht aufgeseilt werden", sagt der Höhlenretter.
Natur soll erhalten bleiben
Ist der Schacht allerdings zu eng für die Trage, müssen die Retter Gestein aus dem Weg räumen. "So etwas machen wir naturschonend. Das heißt: so wenig wie möglich wegnehmen. Die Stellen, die erweitert werden müssen, bohren wir an und setzen Sprengkeile ein", beschreibt Wegen das behutsame Vorgehen. "Meistens versperren einem nur kleine Felsnasen den Weg - die können wir entfernen."
Sehr häufig sind Höhlenrettungseinsätze nicht. Kommt es aber doch dazu, sollten sich die Rettungskräfte, die zuerst vor Ort sind, bei den wenigen Spezialisten Rat und Hilfe holen, sagt Wegen, und denkt dabei auch an seine Feuerwehr-Kollegen. "Man sollte immer die Fachgruppen, die sich wirklich mit der Materie auskennen und auch in diesem Bereich unterwegs sind, kontaktieren", sagt der Höhlen-Profi. Niemand solle auf eigene Faust arbeiten - für falsche Eitelkeit sei bei einer Höhlenrettung kein Platz.
Wie das aktuelle Beispiel in Berchtesgarden zeigt, sind solche Spezialistenteams nicht nur in Deutschland über den Dachverband der Höhlenretter HRVD, sondern auch auf internationaler Ebene sehr gut vernetzt. Denn Höhlenrettung ist tatsächlich eine Sache für Profis - die dann auch gerne über Grenzen hinweg zu Hilfe kommen.