Feengrotten faszinieren seit 100 Jahren
2. Juni 2014Ursprünglich suchten die Bergleute und Forscher eine Heilquelle. Doch was sie 1913 im kargen Schein ihrer Lampen unter Tage erblickten, war etwas anderes: "Von gleißenden Farben und verschwenderischer Pracht ist alles erfüllt, die ganze Erhabenheit unberührter Natur kommt hier zum Ausdruck", versuchte einer der Entdecker seine Eindrücke in Worte zu fassen.
Für die Tropfsteinwelt in einem alten Saalfelder Bergwerk war bald der Name Feengrotten geboren. Seit ihrer Eröffnung am 31. Mai 1914 haben sie mehr als 18 Millionen Besucher angelockt und sind eine der beliebtesten Schauhöhlen Deutschlands.
Anders als andere solcher Höhlen entstanden die Feengrotten nicht auf rein natürlichem Weg. "Seit etwa 1530 wurde hier Alaunschiefer abgebaut", erzählt die Geschäftsführerin der Schauhöhlen, Yvonne Wagner. Das daraus gewonnene Salz war wichtig für Gerbereien, die Papierherstellung, aber auch als Wundstiller bekannt. Mit dem Aufkommen der chemischen Industrie verlor der Alaunschiefer an Bedeutung, so dass der Abbau um 1850 eingestellt wurde.
Zerbrechliche Schönheit
Da, wo die Bergleute einst mühevoll mit Schlegel und Eisen große Hohlräume ins Gestein geschlagen hatten, wuchsen nun Tropfsteine aus den Wänden, denen verschiedene Mineralien eine bunte Färbung gaben. Während andernorts Tropfsteine rund hundert Jahre brauchen, um etwa einen Zentimeter zu wachsen, schaffen die Saalfelder bis zu drei Zentimeter im Jahr. Denn sie bestehen vor allem aus dem weichen Mineral Diadochit. "Das ist der Ferrari unter den Tropfsteinen", erklärt Grottenführerin Simone Pamminger. "Aber sie brechen leicht wie eine Salzstange."
In der Hoffnung, eine Heilquelle zu finden und vermarkten zu können, hatte der Berliner Bankier Adolf Mützelburg das alte Bergwerk gekauft und erkunden lassen. Zwei Tage vor Weihnachten 1913 stieß die Expedition auf den Märchendom, die älteste und eindrucksvollste Grotte. Mützelburg ließ den Stollen ausbauen und öffnete ihn für Touristen.
Die Unterwelt zieht Besucher in den Bann
Bereitete der Erste Weltkrieg dem Besucherverkehr zunächst ein jähes Ende, wandelten sich die Feengrotten dann zu einem Besuchermagneten. So soll in den 1920er Jahren der Sohn des Komponisten Richard Wagner, Siegfried, im Märchendom zu einem Bühnenbild für die Oper "Tannhäuser" inspiriert worden sein.
Ab den 1930er Jahren schickte die Bahn sogar Sonderzüge nach Saalfeld. Damals wurde dort auch ein Heilstollen eingerichtet. Mitte der 1950er Jahre wurden die Feengrotten dann regelrecht überrannt: Bis zu 450.000 Besucher kamen im Jahr.
Heute stemmen sich die Feengrotten mit etwa 170.000 Gästen jährlich gegen den rückläufigen Besuchertrend bei Schauhöhlen und Besucherbergwerken. Laut Internationaler Schauhöhlen-Vereinigung (ISCA) gibt es in Deutschland etwa 60 solcher echten Höhlen plus mehr als 100 Besucherbergwerke.
Andreas Hummel (dpa)