Huawei: Wie positioniert sich Deutschland?
21. Dezember 2018Es passiert selten, dass Politik-Beobachter selbst politisch werden. "Wir fordern eine Aufklärung der Vorwürfe durch die zuständigen chinesischen Behörden und fordern eine objektive und faire Behandlung im Einklang mit internationalen Standards." In einem gemeinsamen Statement verurteilen die Chefs führender Berliner Denkfabriken die Verhaftung kanadischer Forscher in der Volksrepublik. "Solche Geschehnisse sorgen für Unsicherheit und Misstrauen unter ausländischen Akademikern, die regelmäßig in China forschen und nun um ihre Sicherheit fürchten", heißt es in der Erklärung. Die aktuelle Situation untergrabe die konstruktiven Beziehungen zwischen China und anderen Ländern, erklären die Politik-Experten.
Ursache ist vor allem das derzeit angespannte Verhältnis Chinas zu einem bestimmten Land: den Vereinigten Staaten. Eigentlich sollte der seit Monaten schwelende Handelsstreit zwischen den USA und der Volksrepublik China derzeit zumindest für eine Zeit ausgesetzt sein. Doch zeitgleich rumort ein anderer Streit zwischen beiden Ländern – mit weitreichenden diplomatischen Folgen: Auf Betreiben der USA hatte das Nachbarland Kanada die Finanzchefin des chinesischen Telekommunikationskonzerns Huawei festgenommen. Der Vorwurf: Meng Wanzhou, die Tochter von Huawei-Gründer Ren Zhengfei, habe gegen die Iran-Sanktionen verstoßen. Trotz Freilassung gegen Kaution muss Meng aufgrund des laufenden Auslieferungsverfahrens in Vancouver bleiben. Peking war erbost. Kurz darauf wurden die drei Kanadier verhaftet.
Der Konzern Huawei ist derzeit der Dreh- und Angelpunkt der Frage, wie sich der Rest der Welt gegenüber der wachsenden wirtschaftlichen und politischen Macht der Volksrepublik aufstellt – vor allem in Hinblick auf Zukunftstechnologien wie künstlicher Intelligenz (KI) und autonomen Fahrzeugen, die von dem Ausbau von Telekommunikationsnetzen wie der 5G-Technologie abhängen. Die USA sowie Australien und Neuseeland haben den Konzern vom Netzausbau ausgeschlossen, der britische Geheimdienst will keine Garantie für die Technologien des Unternehmens bezüglich kritischer Infrastrukturen geben.
Beginnender Sinneswandel in Deutschland
In Deutschland steht man noch vor der Entscheidung. Eigentlich soll mit dem Vergabeverfahren für die 5G-Frequenzen bereits Anfang 2019 begonnen werden. Bislang will sich das zuständige Bundesamt für Informationssicherheit auf keine Sicherheitskriterien festlegen. Zumindest in Teilen der Bundesregierung gibt es aber mittlerweile ein wachsendes Bewusstsein. "Die Frage ob Huawei die notwendigen Sicherheitsstandards erfüllt, wird derzeit untersucht", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. "Wir können und werden ausländische Technologien nur zulassen, wenn sie sicher sind."
Dafür brauche es aber die notwendige Transparenz von Huawei, fordern Experten: "Wir müssen Huawei zwingen, uns vollen Zugang zu den notwendigen Informationen zu geben", sagt Frank Pieke, Direktor des China-Thinktanks MERICS. "Wenn sie das nicht tun, bekommen sie keinen Deal."
Die wachsende Skepsis in Berlin ist eine Abkehr von der bisherigen China-Politik. Das liege zum einen daran, dass sich die jahrelange Prämisse eines "Wandel durch Handel" nicht bewahrheitet habe, sagte Thorsten Benner vom Berliner Thinktank Global Public Policy Institute. "Die Bundesregierung sieht China jetzt als staatskapitalistisch organisierten Wettbewerber", schreibt Benner jüngst in einer Analyse, "der (...) die Vorherrschaft im Bereich künstliche Intelligenz anstrebt."
Chinesische Projekte wie die "Belt and Road Initiative”, mit der China Infrastrukturen in der Tradition der historischen Seidenstraße aufbauen will, würden mittlerweile in Deutschland und Europa kritisch gesehen. Doch noch mangelt es an einer gemeinsamen europäischen Haltung. Selbst bei Menschenrechtsfragen zu China sind sich die EU-Mitgliedsländer längst nicht mehr einig, geschweige denn bei Strategien zu sicherheitsrelevanten Technologien.
Dabei gibt es gerade hier dringenden Handlungsbedarf: "Wir müssen versuchen, die Technologie von morgen zu erfinden", sagt Andre Loesekrug-Pietri von JEDI. Was wie ein Fanclub für Sternenkrieger klingt, ist die Joint European Disruptive Initiative. Eine Agentur, die nach dem Vorbild der US-Militärforschungsabteilung DARPA, gegründet wurde. Längst geht es bei der Debatte um 5G-Frequenzen eben nicht mehr nur um Fortschritt und Wohlstand. "Der technologische Erfolg wird immer wichtiger für unsere demokratischen Systeme", sagt der JEDI-Sprecher.
Auch wenn sich die Europäische Union noch mit einer gemeinsamen Linie schwertut, die andauernden Konflikte zwischen USA und China könnten zumindest die Debatte in Berlin befeuern, glaubt Benner: "In Deutschland steht uns jedoch wahrscheinlich unter transatlantischen Vorzeichen bald eine große öffentliche China-Diskussion ins Haus." Doch für wichtige Entscheidungen ist es dann vielleicht schon zu spät.