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Hommage an die Fotopionierin Inge Morath

Alexander Keßel
25. April 2018

Inge Moraths besonderes Auge fürs Detail und ihre akribische Herangehensweise ebneten ihr den Weg in die berühmte Pariser Foto-Agentur Magnum. Das Verborgene Museum in Berlin widmet ihrer Lebensleistung eine Ausstellung.

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Ausstellung Das Verborgene Museum: Inge Morath
Bild: Magnum Photos/Inge Morath Foundation/Fotohof archiv

"Sie hat aus Menschen und ihren Orten Poesie gemacht", schwärmte der US-Autor Arthur Miller über das Lebenswerk seiner Ehefrau Inge Morath nach ihrem Tod Anfang 2002. Die gebürtige Österreicherin bereiste nach dem Zweiten Weltkrieg über ein halbes Jahrhundert lang die Welt. Ihre Reportagen porträtierten fotografisch damals kaum erschlossene Länder wie China, Iran oder Südafrika. Die Tochter zweier Akademiker lernte acht Sprachen, um die Menschen auf ihren Reisen nicht bloß mit der Kamera einzufangen: Inge Morath wollte ihnen begegnen. "Darin hatte sie ein glückliches Händchen", sagt Chefkuratorin Elisabeth Moortgat vom Verborgenen Museum in Berlin. Dort werden vom 25. April bis zum 26. August dieses Jahres ausgewählte Bilder ihrer Schaffenszeit ausgestellt. Sie stammen aus dem Fundus der Galerie Salzburger Fotohof, mit der Inge Morath zu Lebzeiten diverse Bücher herausgebracht hat.

Die müde Seite der Marilyn Monroe

Schwerpunkt der Ausstellung ist ihr Wirken als Reportage-Fotografin von den 1950er Jahren bis in die 1970er Jahre. Außerdem werden einige ihrer Portraits berühmter Künstler gezeigt, darunter die Bildhauerin Louise Bourgeois und der Regisseur und Schriftsteller  André Malraux. Natürlichen Zugang zu intellektuellen Kreisen hatte sie damals vor allem durch ihre Ehe mit Arthur Miller. Ihn lernte Morath 1960 am Filmset des Dramas "The Misfits" kennen. In der weiblichen Hauptrolle: Marilyn Monroe. Die Ikone der Filmindustrie war zu dem Zeitpunkt noch mit Arthur Miller verheiratet. Inge Morath gelangen am Rande des Sets eindrückliche Aufnahmen, die einen Blick hinter die Fassade des Filmstars warfen. Ihre Bilder offenbarten die müde und zerbrechliche Seite der glamourösen Schauspielerin, deren Leben wenig später auf tragische Weise enden sollte.

Marilyn Monroe mit entschlossenem Blick neben Montgomery Clift in einer Filmszene des Dramas "The Misfits"
Marilyn Monroe und Montgomery Clift in "The Misfits"Bild: picture-alliance/Everett Colle

Akribische Vorbereitung der Bildkompositionen 

"Ein Auge auf das Motiv gerichtet, eines auf die eigene Seele", so beschreibt die Österreicherin ihre fotografische Philosophie, mit der sie sich ihren Bildkompositionen annäherte. Morath beobachtete, lernte andere Kulturen kennen und zückte anfangs vergleichsweise selten ihre Kamera. Mit Geduld, empathischem Auftreten und akribischer Vorbereitung machte sie sich Orte und Menschen zugänglich. Dafür nahm sich die gebürtige Österreicherin vor allem eins: Zeit. So studierte sie beispielsweise fünf Jahre lang Mandarin, bevor sie gemeinsam mit Arthur Miller nach China reiste.

Zweite Frau bei Magnum

Wegweisend für ihre Karriere war ein Treffen mit dem Kriegsfotografen Robert Capa 1949. Zwar beherrschte die 26-jährige zu dem Zeitpunkt noch nicht das Foto-Handwerk, aber ihre ersten Reportagen als damals noch ausschließlich schreibende Journalistin begeisterten den Mitbegründer der zwei Jahre zuvor gegründeten Pariser Foto-Agentur Magnum. Der in Wien geborene Fotograf Ernst Haas lieferte die Bebilderung ihrer gemeinsamen Arbeit, was ihm bereits 1950 eine Magnum-Mitgliedschaft einbrachte. Capa bot auch Morath eine Anstellung in Paris an, allerdings zunächst als Editorin. Im Laufe der Zeit entdeckte die junge Journalistin schließlich ebenfalls ihre Leidenschaft für die Fotografie.

Sie gab ihre Assistentenstelle bei Magnum auf und ging unter anderem bei Simon Guttmann, Geschäftsführer diverser Bildagenturen, in die Lehre. Ihre ersten Arbeiten als ausgebildete Fotografin überzeugten Capa dann vollends. Im Jahr 1955 durfte sich Inge Morath über ihre Mitgliedschaft bei Magnum freuen. Damit war sie die zweite Frau überhaupt, die es in diesen elitären Kreis schaffte. Auftragsarbeiten führen sie in den folgenden Jahren quer durch Europa, Afrika und den Mittleren Osten. Bei jeder ihrer Reisen blieb sie länger als notwendig vor Ort, um ein Gefühl für Land und Leute zu bekommen.

Die österreichische Fotografin Inge Morath im Jahr 1999.
Inge Morath im Jahr 1999 in WienBild: picture-alliance/IMAGNO/D. Sattmann

Das souveräne Lama

Wie sorgfältig Inge Morath arbeitete, zeigt eine Aufnahme von 1957. Das Bild zeigt den Verkehr, der sich durch die Häuserschluchten des New Yorker Times Square schlängelt. Aus einem Auto im Vordergrund reckt ein Lama den Kopf aus dem Fernster. Die Selbstverständlichkeit, mit der das Tier in die Kameralinse schaut, wirkt irritierend souverän. Was auf den ersten Blick nach einem klassischen Schnappschuss im Land der unbegrenzten Möglichkeiten aussieht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als das genaue Gegenteil. Inge Morath sollte das Fernsehtier "Linda the Lama" seinerzeit für das "LIFE"-Magazin ablichten. Kontaktbögen belegen, dass die Fotografin das Tier tagelang begleitete. Doch weder die Motive des Lamas am Set noch am Hotelempfang stellten sie zufrieden. Dort wirkte das Tier ihrer Ansicht nach hilflos und deplatziert. Die Settings im Auto am Times Square stimmten die anspruchsvolle Fotografin letztlich zufrieden, weil es dem Kamel eine selbstbewusste Aura verlieh.

Es ist diese Mischung aus inszenierter Bildkomposition und dem Willen, das gewählte Fotomotiv nicht zum reinen Objekt zu machen, die Inge Morath berühmt machte. Zusätzlich fertigte die Österreicherin immer Notizen zu ihren Fotos an. "Wie allen Magnum-Fotografen war es ihr wichtig, dass ihre Bilder von einer der vielen Illustrierten der 1950er Jahre nicht aus dem Kontext gerissen werden", erklärt Elisabeth Moortgat vom Verborgenen Museum. Die Ausstellung in Berlin präsentiert nicht nur ausschließlich Inge Moraths Werke. Besucher erhalten außerdem Einblick in ihre persönliche Lebenswelt. Möglich machen das die Aufnahmen des österreichischen Fotografen Kurt Kaindl, der ihr Atelier in Roxbury in den USA fotografieren durfte. Der langjährige Wegbegleiter Moraths wird neben Elisabeth Moortgart bei der Eröffnung am 25. April im Verborgenen Museum vor Ort sein.

Im Atelier der Inge Morath in Roxbury stapeln sich die Unterlagen. Die Dokumente liegen in Ordnern, aber auch teilweise lose herum.
Geordnetes Chaos: Im Atelier der Inge Morath stapeln sich die UnterlagenBild: Kurt Kaindl