Filmlegende Max von Sydow wird 90
10. April 2019Eine Welt in nackter Not, vom Untergang bedroht: Max von Sydows Filmkarriere führte ihn zuletzt dorthin, wo sie 1957 fulminant begonnen hatte: in ein erfundenes Mittelalter. In Ingmar Bergmans epochalem Film "Das siebente Siegel" hatte es von Sydow als existenzialistischer Sinnsucher angesichts der Pest mit Tod und Teufel persönlich zu tun.
Unlängst erschien er im Fantasy-Mittelalter-Epos "Game of Thrones" als mysteriöses Orakel. Unschwer kann man sich die Freude bei den Machern der TV-Serie im Augenblick der Zusage Max von Sydows vorstellen. Und nicht zuletzt den Jubel der Maskenbildner. Denn ihnen blieb hier wenig zu tun. Das Antlitz des damals 87-Jährigen liefert mehr, als sie je hätten schaffen können.
Von Sydows "zwingende Präsenz" wurde schon zu Beginn seiner Karriere gelobt. Inzwischen hat nicht nur das Alter tiefe Furchen in sein Gesicht geschrieben. Es ist auch aufgeladen mit einer sechzigjährigen Film-Karriere, in der er viele starke, eigensinnige Charakterrollen gespielt hat. Nicht selten waren es deutsche Charaktere, die der in Schweden geborene von Sydow verkörperte. Was auch nicht ganz falsch ist. Seine Mutter entstammte altem Pommerschen Adel.
Bergman und die Folgen
Geboren wurde der Schauspieler am 10. April 1929 als Carl Adolph von Sydow im schwedischen Lund. Sein Vater war an der dortigen Universität Professor für skandinavische Folklore und machte den Sohn früh vertraut mit der nordischen Sagenwelt und den Heldengeschichten Skandinaviens. Schon als Gymnasiast gehörte Max einer Laienspielgruppe an. Eine dreijährige intensive Ausbildung an der Schauspielakademie des Königlichen Theaters in Stockholm legte später den Grundstein für seine internationale Karriere als Charakterdarsteller.
Seine Anfangszeit verbrachte von Sydow als Theaterschauspieler an verschiedenen skandinavischen Bühnen: Helsingborg, Malmö, Stockholm. Vor allem jugendliche Helden gehörten zu seinem Repertoire, später vertraute man ihm psychologisch komplexe Rollen an. Zum Film kam der zwanzigjährige Max von Sydow 1949, als er von Regisseur Alf Sjöberg für den Film "Rya Rya - Nur eine Mutter" besetzt wurde.
Berühmt wurde er durch die langjährige Zusammenarbeit mit Regisseur Ingmar Bergman, dem er 1955 in Malmö begegnete. Insgesamt 13 Filme drehten die beiden zusammen. "Das siebente Siegel" (1957) war gleich ein großer Erfolg - und der Durchbruch für Max von Sydow. Als Ritter Block spielte er mit dem Tod Schach und schuf damit eine Ikone der Filmgeschichte. Die Filmkritiker feierten ihn damals als ideale Besetzung für innerlich zerrissene, gebrochene Charaktere. Und Bergmans Filme machten Sydow weit über Schweden hinaus bekannt. Immer wieder bekundete er, wie sehr ihn diese Begegnung geprägt habe.
Karriere als zwielichtiger Bösewicht
Mitte der 1960er Jahre wurde Max von Sydow von Hollywood entdeckt. Er spielte gleich wichtige Hauptrollen und wurde häufig für düstere, zwielichtige Rollen besetzt. Von Sydow spielte den Jesus in dem biblischen Monumentalfilm "Die größte Geschichte aller Zeiten" (1965), den Priester in "Der Exorzist" (1973) und "den kultiviertesten Auftragsmörder der Filmgeschichte", so die Tageszeitung "Die Welt", in dem legendären Hollywoodfilm "Die drei Tage des Condor" (1975). 1981 stand er im James-Bond-Film "Sag niemals nie", 007-Agent Sean Connery als genialer Schurke Blofeld gegenüber. Das Duell der Blicke zwischen beiden ist in die Filmgeschichte eingegangen.
Immer wieder war auch die norwegische Schauspielerin Liv Ullmann seine Filmpartnerin, wie zum Beispiel in "Das neue Land" (1972). In dem Film verkörperte er einen armen schwedischen Bauern, der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika auswandert. Max von Sydow suchte immer wieder neue Herausforderungen. Woody Allen war sein größter Favorit unter den US-Regisseuren, aber es kam nur zu einer Zusammenarbeit in "Hannah und ihre Schwestern" (1985).
Von Los Angeles zog es den Hollywoodstar nach Rom, und auch in italienischen Filmen machte er Karriere. Er schätzte die Zusammenarbeit mit europäischen Regisseuren. Mit Wim Wenders drehte er das Roadmovie "Bis ans Ende der Welt" (1990), für Regisseur Axel Corti verkörperte er den kaisertreuen Bezirkshauptmann Franz von Trotta im "Radetzkymarsch" (1994). Und die Hauptrolle des umstrittenen Nobelpreisträgers Knut Hamsun in der TV-Verfilmung "Der Prozess gegen Hamsun" brachte ihm 1996 die Auszeichnung als bester schwedischer Darsteller ein.
Es blieb bei der Oscarnominierung
Euphorische Kritiken weltweit, eine Oscar-Nominierung und den europäischen Filmpreis "Felix" erhielt Max von Sydow 1987 für seine Rolle des alten, gedemütigten Bauern Lasse in dem preisgekrönten Kinofilm "Pelle der Eroberer". Eine tragische Figur, die von Sydow später als seine Lieblingsrolle bezeichnet hat.
1988 kehrte der erfolgreiche Schauspieler zwischenzeitlich wieder auf die Bühne nach Schweden zurück, um im Königlichen Dramatischen Theater Strindbergs "Mäster Olof" und andere Klassiker zu spielen. Aber Hollywood lockte ihn weiter.
Aber bei allen Erfolgen blieb es für ihn als Schauspieler immer nur bei der Nominierung. So auch 2012, als er als bester männlicher Nebendarsteller für seine Rolle als alter stummer Mann in "Extrem laut und unglaublich nah" nominiert wurde, aber ohne Oscar-Trophäe nach Hause ging. Die Internationale Filmkritik feierte ihn trotzdem als "großartigen" Schauspieler.
Ein alter Schwede in Frankreich
Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde Max von Sydow 2004 für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Der begehrte Preis, an der französischen Rivera verliehen, ist nicht das einzige, das ihn mit Frankreich verbindet. Privat lebt von Sydow zurückgezogen mit seiner zweiten großen Liebe und Ehefrau, der Filmemacherin Catherine Brelet und ihren beiden Söhnen in Paris. Aus erster Ehe hat er schon zwei erwachsene Söhne.
Für Brelet war der berühmte Hollywoodschauspieler überhaupt erst nach Frankreich gezogen, was zu Unmut In seiner schwedischen Heimat sorgte. Dafür hatte er 2002 sogar seine schwedische Staatsangehörigkeit zugunsten der französischen aufgegeben. Der einzige männliche schwedische Schauspieler, der jemals für einen Oscar nominiert war, war damit zum Franzosen geworden.
Ein Trost für seine Landsleute: den Sommer verbringt Max von Sydow bevorzugt auf seinem alten Bauernhof auf Gotland. Dort hört er mit großer Passion am liebsten Opern und italienische Barockmusik und liest Biografien von anderen berühmten Leuten.