Mehr Anreize für Griechenland statt nur Sparmaßnahmen
26. Januar 2012Kaum jemand in Athen wundert sich darüber, dass sich die Verhandlungen zum Schuldenschnitt bei griechischen Staatsanleihen weiter in die Länge ziehen. Pokern und Bluffen gehört nun mal zum Geschäft, meinen viele Kommentatoren und gehen doch davon aus, dass die zähen Verhandlungen bis Mitte Februar unter Dach und Fach sind. Viel mehr Sorgen machen sich die Griechen über Empfehlungen von Wirtschaftsexperten, sie mögen aus der Eurozone austreten.
Thanassis Mavridis, ein Mann klarer Worte, der zu den führenden griechischen Wirtschaftspublizisten gehört, hält nichts von einem Euro-Aus. Außerdem: Ein Euro-Austritt Griechenlands liege offenbar auch nicht im Interesse der internationalen Geldgeber; sonst hätten ihn die Großmächte Europas ja schon längst durchgesetzt, glaubt der Athener Wirtschaftsexperte.
"Wer sich im Ausland ernsthaft mit dem griechischen Patienten befasst, der weiß die Pro- und Contra-Argumente abzuwägen, und der müsste eigentlich dadurch unweigerlich zum Schluss kommen, dass ein Euro-Austritt für niemanden eine Option ist", meint Mavridis. Trotz erheblichen Reformstaus sei er zuversichtlich, dass Griechenland mit Hilfe seiner europäischen Partner die aktuelle Krise überwinden könne. Aber das Land brauche eben Partner und keine Richter. Es sei falsch, dass so manche versuchen würden, an Griechenland ein Exempel zu statuieren, erklärt der Athener Wirtschaftsexperte.
Hausgemachte Probleme anpacken
So denken mittlerweile viele Griechen - vor allem Kleinverdiener, die seit Ausbruch der Krise ihr Einkommen schwinden sehen. Da seit zwei Jahren im Land nichts ohne Zustimmung der Wirtschaftsexperten aus dem Ausland läuft, müsste auch die Frage erlaubt sein, ob die Troika alles richtig gemacht hat, heißt es immer wieder in der griechischen Presse. Mavridis ist sich sicher: Wer Griechenland wirklich helfen möchte, der soll nicht pauschal alle Bürger durch immer neue Steuern bestrafen, sondern die politische Klasse des Landes zu Reformen und zur Abschaffung ihres alles bremsenden Klientelsystems drängen. Denn es sei im Prinzip nicht zu bestreiten, dass die Probleme zum großen Teil hausgemacht seien.
"Schauen Sie, was vor wenigen Tagen in Thessaloniki passierte: Da wurde ein Ring privater Zinswucherer aufgedeckt, bei dem ein hoher Beamte der Steuerfahndung sowie dubiose Leute mit Kontakten zur Politik kräftig mitverdienten", erklärt Mavridis. Wenn man die derart tief greifende Korruption nicht ausmerzt, mache alles andere keinen Sinn, meint der streitbare Publizist. Europa könne nur dadurch helfen, dass es den richtigen Druck ausübt, damit zum Beispiel die Hunderttausende entlassen würden, die seit 2006 aufgrund ihrer politischen Beziehungen Beamtenstatus bekommen haben, ohne dass ein Aufnahmeverfahren stattgefunden hätte, moniert Mavridis.
Unzufriedenheit wächst
Die Unzufriedenheit mit der Politik schlägt sich auch in den aktuellen Umfragen nieder: Die Volksparteien liegen unter 30 Prozent, linke Protestparteien verdoppeln angeblich ihren Stimmenanteil, sogar eine Piratenpartei nach deutschem Vorbild hat sich vor kurzem in Athen gegründet - auf der Jagd nach Wählerstimmen. Trotzdem gehen die Machtspiele der Athener Politiker weiter und ziehen derweil auch die Notregierung unter dem ehemaligen Zentralbanker Loukas Papademos in Mitleidenschaft.
Am Dienstag (24.01.) hat der Übergangspremier und Hoffnungsträger der Nation sogar eine schwere symbolische Niederlage im Parlament einstecken müssen: Ein Eilgesetz, das die Freigabe der Öffnungszeiten für Apotheken vorsah, wurde abgelehnt, da vor allem Abgeordnete der mitregierenden Sozialisten dagegen stimmten oder sich der Stimme enthielten. Daraufhin erklärte der sozialistische Gesundheitsminister Andreas Loverdos postwendend, er werde das Gesetz erneut ins Parlament einbringen.
Anreize statt nur Sparmaßnahmen
Es sind vor allem solche wettbewerbsfördernden Maßnahmen, die das Land so dringend braucht, meint Giorgos Doukidis, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Athen. "Die griechische Wirtschaft darf nicht allein auf niedrige Löhne setzen, viel wichtiger ist die Steigerung der Produktivität und des Wettbewerbs durch Öffnung der Märkte", erklärt der Wirtschaftsexperte. Der Rechtsrahmen für Privatinvestitionen sei im Moment nicht verlässlich, begünstige Bürokratie und treibe Unternehmenskosten in die Höhe. Dass müsse sich schnell ändern, beklagt Doukidis.
Entgegen so mancher Vorurteile in Nordeuropa seien die Griechen weder arbeitsscheu noch schlecht qualifiziert, erklärt er. Aber es müssten die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Menschen ihr Potential erkennen und ausschöpfen können.
"Obwohl viele Manager eine sehr gute Qualifikation aufzuweisen haben, sind griechische Firmen nicht auf der Höhe der Zeit", glaubt Wirtschaftsexperte Doukidis. Das liege vor allem an den bürokratischen Verflechtungen, die es zu bekämpfen gelte. Aber natürlich müssen sich auch die Unternehmer selbst Gedanken darüber machen, wie ihr Geschäftsmodell neues Wachstum generieren kann, wie sie in internationalen Netzwerken agieren und sich dem offenen Wettbewerb stellen können, sagt der Athener Wirtschaftsprofessor.
Standen bisher Steuererhöhungen und Lohneinschnitte im Vordergrund, so sollen ab jetzt vor allem längst fällige Modernisierungsmaßnahmen für die griechische Wirtschaft auf die Tagesordnung kommen. Auch die Troika soll Druck in diese Richtung ausgeübt haben. Bleibt nur, dass die mitregierenden Parteien auch für die Reformen stimmen, die sie schon längst zu unterstützen vorgeben.
Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Blagorodna Grigorova