Hier singt man deutsch …
9. Februar 2005Der Markt für deutschsprachige Musik boomt. Man muss schon über 20 Jahre zurückblicken, um einen ähnlichen Erfolg einheimischer Bands in den Charts zu sehen. Damals sorgte die Neue Deutsche Welle mit Nena, Peter Schilling oder Fehlfarben für eine Renaissance deutscher Musik. Einflüsse der Neuen Deutschen Welle sind auch bei der Berliner Band "Wir sind Helden" deutlich herauszuhören. Der Sprechgesang von Judith Holofernes erinnert teilweise allerdings auch an deutschen Rap.
Die Berliner hatten unter anderem einen Kurs in Popularmusik an der Hamburger Uni besucht. Dort wurde ihnen nahe gelegt, in ihre Musik 80er-Jahre-Sounds einzubauen. Das Ergebnis: ihr Debütalbum "Die Reklamation". Das wurde sowohl von der Kritik als auch von den Fans gefeiert. Mittlerweile haben "Wir sind Helden" über eine halbe Million Exemplare verkauft.
Geile Zeit
Ähnlich steil verlief bislang auch die Karriere der Gießener Rockband "Juli". Bis vor zwei Jahren hatte Sängerin Eva Briegel noch auf englisch getextet. Mit - sagen wir mal - bescheidenem Erfolg. Erst mit ihren deutschen Songs "Perfekte Welle" oder "Geile Zeit" hat sie den Nerv des Publikums getroffen. Eigentlich hatte sich die Frontfrau energisch gegen die Idee ihrer Bandmitglieder gewehrt, mal deutsche Texte zu schreiben. Die Entrüstung hat sich aber schnell gelegt.
Vorreiter eines neuen sprachlichen Selbstbewusstseins waren die deutschen Hip-Hop-Combos wie "Die Fantastischen Vier", "Fettes Brot" oder "Freundeskreis". Ihre Wortspielereien und intelligenten Reime weckten ein großes Interesse bei den Jugendlichen und waren sogar Unterrichtsstoff bei manchen Deutschlehrern. "Freundeskreis"-Rapper Max Herre gehört dabei zu den renommiertesten Textern. 2004 veröffentlichte der Stuttgarter sein erstes Soloalbum. Die Auseinandersetzung mit politischen und sozialen Themen hat er dabei sowohl von seinen Eltern als auch von den unterschiedlichsten Songwritern gelernt.
Überflüssige Quotendiskussion
Beim derzeitigen Erfolg einheimischer Bands ist es verwunderlich, dass der Ruf nach einer deutschen Quote im Radio immer lauter wird. Als sich im September zur Berliner Musikmesse "Popkomm" selbst die Politik einmischte, platzierten sich ausgerechnet acht deutsche Produktionen in den Top Ten der Albumcharts. Trotzdem hat der Bundestag vor kurzem beschlossen, dass demnächst 35 Prozent deutschsprachige, bzw. in Deutschland produzierte Musik gesendet werden soll. Dies unterstütze aber nur eine nationalistische Bewegung, meint Jan Müller, Bassist des Hamburger Quartetts Tocotronic, dass mit ihrer aktuellen Single "Aber hier leben, nein danke" einen Kontrapunkt setzen will.
Von einem neuen deutschen Nationalismus kann man aber sicherlich bei den meisten Bands nicht sprechen. Zwar treten Bands wie "Mia" mit schwarz-rot-goldener Fahne auf, aber das tun englische Gruppen wie "Oasis" oder andere Britpopbands mit ihren nationalen Fahnen auch - ohne dass man ihnen nationalistisches Gedankengut vorwirft.