Hertha BSC gründet eSports-Akademie
20. Dezember 2017Inzwischen sind es fünf: Der VfL Wolfsburg war im Mai 2015 der Vorreiter in Deutschland und gesellte sich als erster Bundesligist zu den einem breiten Publikum eher unbekannten eSports-Teams. Es folgte im Jahr darauf der FC Schalke 04 und wenig später stiegen auch der VfB Stuttgart und RB Leipzig ein. Seit diesem Mittwoch ist auch Hertha BSC mit von der Partie - allerdings anders als seine Liga-Konkurrenten.
Hertha BSC hat als erster Fußball-Bundesligist eine eigenen eSports-Akademie gegründet. Dort wollen die Berliner Gaming-Talente der Fußball-Simulation FIFA aus der Region ausbilden und fördern. "Wir haben uns bewusst dafür entschieden, beim Einstieg in den eSports unseren individuellen und einzigartigen Hertha-Weg zu gehen. Hierbei werden wir unsere erfolgreiche Nachwuchsarbeit der Fußball-Akademie auf eSports und die digitale Welt ausweiten", sagte Paul Keuter, Mitglied der Hertha-Geschäftsführung.
Berlin sucht eSports-Talente - ein Team dürfte folgen
Der Hauptstadtklub will im Frühjahr des kommenden Jahres in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern FIFA-Talente durch Scouting-Events und Online-Turniere für sich gewinnen. Zudem weitet die Krankenversicherung AOK Nordost ihr Engagement als Gesundheitspartner der Hertha auf den Bereich eSports aus.
Es ist der sicherlich nur vorläufige Höhepunkt einer rasanten Entwicklung. Der Platzhirsch Fußball ist sich seiner unangefochtenen Vormachtstellung im deutschen Sport offenbar nicht mehr so sicher. Das Investment in eSports-Teams und Ausbildungszentren ist keine Good-will-Aktion, sondern folgt einem Kalkül: Im wachsenden eSports-Markt wollen auch die klassischen Sport-Marken Fuß fassen. Der Sport-Vorstand des VfB Stuttgart Robin Dutt sagte kürzlich in einem Interview mit dem Nachrichtensender n-tv: "Wenn der reale Fußball meint, nichts tun zu müssen, um sich zu erhalten, dann kann es natürlich sein, dass die 14- bis 30-Jährigen irgendwann merken: 'Hoppla, ich kann ja mein eigener Star sein.' Vielleicht verfolgen sie die Spiele dann nicht mehr im Stadion, sondern im Internet", so Dutt.
Schon jetzt werden Millionen-Gehälter gezahlt
Der ehemalige Bundesliga-Trainer ist nicht nur über seinen Verein im Bereich eSports involviert. Er arbeitet auch als Berater für eSportsReputation, eine Agentur, die E-Sports-Spieler vermarktet und betreut. Vieles erinnert bereits jetzt an den "realen" Fußball: Es gibt bereits Spielerberater, die ihre Schützlinge bei Teams unterbringen wollen, Top-Spieler sollen zwei Millionen Euro jährlich verdienen. Auch in Deutschland gibt es bereits Stars, wie Cihan Yasarlar. Dutt warnt deshalb davor, die eSports-Bewegung zu ignorieren: "Deshalb muss sich der reale Fußball mit dem Thema eSports intensiver auseinandersetzen. Er sollte nicht so borniert sein und die Augen vor anderen Höchstleistungen verschließen." Schließlich habe der elektronische Sport bei der Zahl der Nutzer und Follower längst viele andere Sportarten überholt. Die Anerkennung als Sportscheint in vielen Ländern nur noch eine Frage der Zeit.
Längst gibt es auch eine virtuelle Bundesliga und die Deutsche Fußball-Liga vermarktet inzwischen auch die Rechte für den eSports-Part des Fußball-Geschäftes. Ähnliches tut die FIFA mit ihrer digitalen WM, die 2018 noch einmal wachsen soll. Vor diesem Hintergrund erscheint die Initiative von Hertha BSC als ein ein kluger Schachzug. In der Millionen-Metropole Berlin sowie dem Einzuggebiet auf Talentsuche für ein sicher bald kommendes eSports-Team zu gehen, könnte ein zukunftsweisender Schritt sein.
jw/ml (mit sid, dpa)