Kann eSport Sport werden?
14. Dezember 2017Auch in Deutschland ist der elektronische Sport schon seit zwanzig Jahren fester Teil der Gaming-Kultur. Tatsächlich wurden hier sogar einige der ersten großen Vereine gegründet. Historische deutsche Organisationen wie SK Gaming, Alternate aTTaX, oder die Electronic Sports League (ESL) selbst haben den internationalen eSport mit begründet und ihn in die gigantische Industrie transformiert, die heute ein Millionenpublikum und Sponsoren wie Adidas oder Audi zu sich zieht. Bei all diesen wichtigen Entwicklungen wurde jedoch eine Facette des Profi-Wettkampfes viel zu sehr vernachlässigt, und 20 der größten deutschen Organisationen haben dies nun endlich nachgeholt:
In Frankfurt fand im vergangenen Monat die Gründungsfeier zum eSport-Bund Deutschland (ESBD) statt. Die Implikationen sind groß, denn praktisch alle wichtigen Teams der nationalen Szene haben sich unter diesen neuen Verband gestellt. Die Aufgabengebiete des ESBD sind vielfältig, erklärt Vizepräsident Niklas Timmermann: "Mögliche Beispiele wären die Schaffung von Vorlagen für die Gründung von eingetragenen Vereinen, Profiteams, Spielerverträgen oder ähnlichem, oder auch die Schlichtung von Streitigkeiten und die Vereinheitlichung von Regelwerken. Darüber hinaus ist wohl am wichtigsten, dass dem Bereich ein Organ gegeben wird, welches die Teams und auch die Einzelspieler politisch repräsentiert."
Plattform nach innen
Die Mysterious Monkeys gehören zu den Teams, welche an der Gründung des ESBD teilgenommen haben und jetzt ein fester Bestandteil des Bundes sind. Der Club wird durch die "ad hoc gaming GmbH" und ihren Geschäftsführer, Ben Hamana, vertreten. Er sieht mit dem ESBD eine Chance, den eSport in die Mitte der Gesellschaft zu tragen: "Es ist unabdingbar, sich jetzt zu organisieren, professionelle Strukturen zu schaffen und gemeinsam zu agieren. Lange Zeit musste jeder für die Interessen der eigenen Organisation, des eigenen Teams kämpfen, nun tut man dies über die Stimme des Verbandes."
Doch wie geschieht dies konkret? Hamana erklärt, dass sich Funktionäre des ESBD in einem Präsidium treffen, um dort über wichtige Fragen zu diskutieren. Dort befindet sich auch ein Repräsentant der Teams, mit dem die Clubs rund um Mysterious Monkeys eng zusammenarbeiten. Mit der Informationsbündelung befassen sich die Vereine dann selber: "Die Profiteams kommunizieren in diversen Gruppen über unterschiedliche relevante Themen und die Essenz landet dann im Präsidium."
Für eine Wettkampf-Industrie, die nicht auf eine lange Geschichte von gemeinsamen Strukturen und Regelwerken zurückgreifen kann, ist dies ein wichtiger Schritt. Es wird sichergestellt, dass die Stimme der Teams und Spieler gehört wird. Hamana äußert sich positiv über die Intentionen des ESBD: "Der Verband agiert für seine Mitglieder im Ganzen und nicht für einzelne Interessengruppen oder gar mit eigenen wirtschaftlichen Interessen."
Repräsentation nach außen
Doch nicht nur die individuellen Belange der Teams stehen auf der Tagesordnung. Es gilt, die nationale eSport-Szene auch nach außen zu vermarkten. Erstmals befand sich in einer Sitzung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit dem ESBD auch ein Vertreter der eSports-Szene. "Die Gründung eines Verbandes ist ein wichtiger und erfreulicher Schritt, weil wir damit einen Ansprechpartner in diesem spannenden Thema haben", so reagiert DOSB-Präsident Hörmann auf Twitter. Dass eSport ein Sport wird, oder zumindest den Status eines Sportes erhält, scheint nun in greifbarer Nähe und dieser Schritt würde enorme Vorteile mit sich bringen.
Vizepräsident Timmermann zeigt sich in dieser Hinsicht optimistisch und betont die Wichtigkeit des Unterfangens: "Wir wollen den eSport auf den Status von Sport hieven und den Spielern damit hierzulande den Genuss der damit einhergehenden Vorteile ermöglichen, wie bspw. Sportförderung, vereinfachtes Reisen oder ähnliches. In diese Richtung werden wir arbeiten und auch hoffentlich erfolgreich sein."
Die Bundesregierung sendete zuletzt ebenfalls positive Signale. Der Auftritt der Bundeskanzlerin auf der Gamescom verdeutlicht, dass das Thema nun endlich auch politisch ernst genommen wird. Insbesondere Gewaltspiele könnten in dieser Diskussion jedoch noch Probleme bereiten, wie sich kürzlich in einer Stellungnahme vom Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees zeigte: "Wir wollen Antidiskriminierung, Gewaltlosigkeit und Frieden unter den Menschen unterstützen. Das trifft sich nicht gut mit Videospielen, die von Gewalt, Explosionen und Tötungen handeln. Und da müssen wir eine klare Linie ziehen."
Eine Inklusion gewaltfreier eSport-Titel schließt er jedoch nicht aus und nachdem die Asienspiele angekündigt haben, eSport als Teil ihrer Veranstaltung in 2022 zu führen, könnte man nun auch auf elektronischen Wettkampf bei den nächsten olympischen Spielen in Paris 2024 hoffen.
Kann eSport nun hierzulande ein Sport werden? Diese Frage gestaltet sich schwierig, doch der Szene ist die Wichtigkeit dieses Unterfangens bewusst. Mit dem ESBD sind die Weichen für eine intensive politische Diskussion gestellt.