Debatte über Giftgas-Spurensuche in Duma
17. April 2018Das Wichtigste in Kürze:
- Die Chancen, in Duma noch Spuren von Chemiewaffen zu finden, sinken mit jedem Tag
- Bundeskanzlerin Merkel setzt im Syrien-Konflikt auf direkte Gespräche mit Moskau
- G7-Staaten machen sich für diplomatische Lösung stark
Die Regierung in Paris geht davon aus, dass alle Beweise hinsichtlich eines Chemiewaffenangriffs in der syrischen Stadt Duma vor Ankunft der internationalen Experten beseitigt sein werden. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass Beweise und wesentliche Elemente verschwinden werden", erklärte das Außenministerium in Paris. Duma sei "vollkommen unter Kontrolle der russischen und syrischen Armee", und bisher hätten die Experten der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) keinerlei Zugang erhalten.
Zuvor hatte bereits der US-Vertreter bei der OPCW Russland verdächtigt, in Duma Beweise manipuliert zu haben. "Wir gehen davon aus, dass die Russen vermutlich den Angriffsort besucht haben", sagte Ken Ward bei einer Dringlichkeitssitzung am Sitz der Organisation in Den Haag. Die USA seien "besorgt", dass die Russen in Duma Dinge getan hätten, um die Ermittlungen der OPCW zu behindern.
Dagegen hält der russische Präsident Wladimir Putin eine Untersuchung des mutmaßlichen Giftgasanschlags in Duma durch OPCW-Experten für sehr wichtig. Die Experten sollten die Vorwürfe sorgfältig und objektiv prüfen, sagte Putin in einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Warten auf den Einsatz
Die neun Fachleute warten bereits seit Samstag in Damaskus auf die Erlaubnis zur Weiterreise. Nach OPCW-Angaben wurde ihnen diese Genehmigung zunächst aber von Syrien und dessen Verbündeten Russland unter Verweis auf "Sicherheitsbedenken" verweigert. Am Montag dann kündigte Russland den Besuch des OPCW-Teams für Mittwoch an. Am Dienstag berichteten syrische Staatsmedien, das Team sei nun in Duma eingetroffen.
Der Westen beschuldigt die syrische Staatsführung, am 7. April in der damaligen Rebellenhochburg Duma international geächtete Chemiewaffen eingesetzt zu haben. Bei dem Angriff wurden nach Angaben örtlicher Helfer mindestens 40 Menschen getötet. Großbritannien hatte Russland und Syrien vorgeworfen, die Ermittlungen zu blockieren. Moskau wies dies vehement zurück. Die USA, Frankreich und Großbritannien bombardierten in der Nacht zum 14. April mehrere Standorte der syrischen Chemiewaffenproduktion. Russland als Verbündeter des syrischen Regimes kritisiert das Vorgehen scharf.
Merkel setzt auf direkte Gespräche
Merkel kündigte derweil ein baldiges Treffen mit Putin an. Sie sei sich mit dem Kreml-Chef bei einem Telefonat einig gewesen, dass eine solche Begegnung "in absehbarer Zeit" stattfinden solle, sagte die Kanzlerin in Berlin. Sie verwies auf die zahlreichen "Konflikte" im Verhältnis zu Russland. Namentlich nannte Merkel die Syrien-Politik und das russische Vorgehen gegenüber der Ukraine. Solche Streitfragen "erfordern auch, dass man sich in absehbarer Zeit direkt austauscht", sagte die Kanzlerin.
Es sei wichtig, mit Russland "immer wieder das Gespräch zu suchen", sagte Merkel weiter. Eine Friedensregelung für Syrien etwa sei ohne Moskau nicht möglich. Die Kanzlerin kritisierte die anhaltende Unterstützung Russlands für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad. Mit Blick auf den mutmaßlichen Giftgasangriff in Duma von Anfang April sagte sie, "dass Russland als Verbündeter Assads hier eine Mitverantwortung hat". Putin habe in dem Telefonat Merkel gesagt, dass der jüngste Angriff der USA, Frankreichs und Großbritanniens auf Syrien gegen das Völkerrecht verstoße und den Friedensprozess belaste, teilte der Kreml mit.
Unterdessen hob der deutsche Außenminister Heiko Maas mit Blick auf die Bemühungen um eine Lösung des Syrien-Konflikts die besondere Mittlerrolle Deutschlands gegenüber Russland hervor. Nach einem Treffen mit seiner kanadischen Kollegin Chrystia Freeland sagte der SPD-Politiker in Berlin, "dass wir in unserer Rolle auch gegenüber Russland diejenigen sein können, die das Dialogfenster aufstoßen". Zugleich pochte er darauf, dass ein Friedensprozess letztlich von den Vereinten Nationen gesteuert werden müsse.
In Diplomatenkreisen in Paris hieß es dazu, Frankreich setze bei der Suche nach einer Lösung des Syrien-Konflikts auf eine Zusammenarbeit mit Deutschland. Seit dem EU-Außenministertreffen am Montag in Luxemburg führe man dazu einen intensiven Dialog mit Berlin. Dass sich die deutsche Kanzlerin hinter die Militärschläge der drei Westmächte gegen das syrische Regime gestellt habe, werde als ein starkes Zeichen bewertet. Bei der Wiederbelebung des diplomatischen Prozesses komme deshalb neben den USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien Deutschland besondere Aufmerksamkeit zu.
G7 für diplomatische Lösung
Zuvor hatten die G7-Staaten eine diplomatische Lösung des Syrien-Konflikts angemahnt. Ziel müsse es sein, bei den Verhandlungen unter UN-Ägide in Genf einen "glaubwürdigen politischen Übergang" herbeizuführen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs, Kanadas, Italiens, Japans, der USA sowie der EU. Die G7-Staaten stellten sich gleichzeitig hinter die westlichen Luftangriffen auf syrische Stellungen: "Diese Reaktion war begrenzt, verhältnismäßig und notwendig." Den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien verurteilten sie "auf das Schärfste".
kle/rb (afp, rtr, dpa)