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Harte Kritik an EU-Umgang mit Flüchtlingen

8. Juni 2011

Der Europarat wirft den EU-Grenzschützern im Mittelmeer vor, mutwillig das Leben von Flüchtlingen zu gefährden. Die Abwehr dieser Menschen sei ihnen wichtiger als die Rettung aus Seenot, meint Ratskommissar Hammarberg.

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Ein Flüchtlingsboot kurz vor der Ankunft auf der Insel Lampedusa (Foto: dpa)
Ein Flüchtlingsboot kurz vor der Ankunft auf der italienischen Insel LampedusaBild: picture alliance/dpa

Angesichts der jüngsten Flüchtlings-Tragödien im Mittelmeer erhebt der Menschenrechtskommissar des Europarats schwere Vorwürfe gegen die EU-Staaten. Repressive Grenzschutz-Maßnahmen hätten die Überfahrt von Afrika deutlich gefährlicher gemacht, schreibt der Kommissar Thomas Hammarberg in einem am Mittwoch (08.06.2011) in Straßburg veröffentlichten Kommentar. "Wenn die Abwehr Vorrang hat vor der Rettung von Menschen, läuft etwas dramatisch falsch."

Schweigen und Passivität Europas

Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg (Foto: DW)
Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas HammarbergBild: DW

Die Rettung auf See dürfe nicht nur erfolgen, wenn ein sinkendes Schiff entdeckt werde, so Hammarberg weiter. Nötig sei vielmehr, die Überwachung etwa der libyschen Küste aus der Luft massiv zu verstärken, um Rettungsaktionen für gefährdete Boote vorzubereiten. Das Schweigen und die Passivität der europäischen Regierungen zu den Flüchtlingsdramen seien nur schwer hinnehmbar.

Erst in der vergangenen Woche waren mindestens 150 Menschen ertrunken, als ein aus Libyen kommendes Schiff vor Tunesien gekentert war. Im Mai waren bei einem ähnlichen Unglück rund 600 Menschen gestorben. Damit kamen in diesem Jahr nach Angaben des Europarats wahrscheinlich schon über 1400 Bootsflüchtlinge ums Leben. Italien und andere Länder hätten zwar viele Migranten gerettet, so Hammarberg. Die EU-Regierungen müssten jedoch noch viel aktiver werden, wenn es um Hilfe für Menschen in Seenot gehe.

Ein italienischer Polizist vor einer Gruppe von Flüchtlingen auf der Insel Lampedusa (Foto: AP)
Streng bewacht: Flüchtlinge aus Nordafrika auf der Insel LampedusaBild: AP

Viele politisch Verfolgte unter den Flüchtlingen

Hammarberg kritisierte ferner, dass Europa in der Vergangenheit mit dem libyschen Diktator Gaddafi zusammengearbeitet habe, um Asylsuchende von der Überfahrt nach Europa abzuhalten. "Ein Großteil der jetzt ertrunkenen Menschen kam ursprünglich aus Eritrea, Somalia, Sudan und anderen Ländern südlich der Sahara", erläuterte er. Somit habe es sich in vielen Fällen um politisch verfolgte Menschen gehandelt, die tatsächlich ein Recht auf internationalen Schutz gehabt hätten. In Libyen aber seien sie bislang entweder von den Sicherheitskräften an einer Ausreise gehindert oder gleich in ihre Heimatländer zurückgeschickt worden.

Und seit dem Militärkonflikt zwischen Libyen und der NATO hat sich laut Hammarberg die Lage für die Flüchtlinge nochmals verschärft. Ihm lägen Berichte vor, so der Menschenrechtskommissar, wonach das Gaddafi-Regime als Vergeltung für die Luftangriffe die Menschen zum Besteigen der Boote in Richtung Europa zwinge. Dies hatte erst am Montag auch Italiens Außenminister Franco Frattini der libyschen Führung vorgeworfen. Dafür gebe es genügend Hinweise, so dass hier die Anklagevertretung beim Internationalen Strafgerichtshof tätig werden könne. Frattini: "Wir sind mit einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit konfrontiert."

Autor: Stephan Stickelmann (afp, epd, kna)
Redaktion: Ursula Kissel