Hand in Hand mit dem Blechkollegen
22. Juli 2019Mit einem Roboter fing es vor 17 Jahren an: Der Blechkollege legte die Teile in die Maschine ein - und prompt konnte der Bediener eine zweite Tätigkeit übernehmen. Nach und nach hat Famag, ein Werkzeug-Hersteller aus Remscheid, seine ganze Produktion automatisiert. Die Alternative war, sie in ein Land mit niedrigen Lohnkosten zu verlagern. Viele Remscheider Hersteller hatten das getan. So stemmte sich Famag aber erfolgreich gegen den Trend.
Weil ihr das so gut gelang, berät die 50-köpfige Firma inzwischen andere Mittelständlerin Sachen Robotik und hat ein zweites Standbein daraus entwickelt. Sechs Mitarbeiter rüsten Neu- und Gebrauchtroboter auf den Bedarf hin um, übernehmen die Anbindung an die Maschine und schulen die Werker bei den Kunden. "Wir sind glaubwürdig, weil wir alle Probleme aus eigener Erfahrung kennen", sagt Geschäftsführer Thomas Pomp.
Klein, rund und kollaborierend
Die Roboter sind bei Famag, wie man sie seit Jahrzehnten aus den Fabriken kennt: groß, orange, eingezäunt. "Ein besserer Lastkran oder unerschrockener Laserschweißer", so die Unternehmensberatung Staufen.
Auch Elektrotechnik-Produzent Albrecht Jung setzt solche mechanischen Helfer seit vielen Jahren in der Montage großer Serienmengen ein. Der Mittelständler mit rund 1200 Mitarbeitern und 250 Millionen Euro Jahresumsatz stellt intelligente Gebäudetechnik mit einer großen Vielfalt an Lichtschaltern, Steckdosen, Wächtern und Smart Home-Komponenten her, alles "made in Germany".
Klassische Roboter könnten jedoch nur eine einzige feste Aufgabe erfüllen und seien aufwändig zu warten, so Mario Schäfer, Produktionsleiter des Werks in Lünen. Deshalb wendet das Unternehmen immer mehr kollaborierende Roboter, Cobots, an, die bei kleinen Losgrößen flexibler sind, weil sie mehrere Tätigkeiten "erlernen" können.
Als Pilotanwender nahm Jung an Forschungsprojekten wie "MANUSERV" und "KoMPI" teil, bei denen die Arbeitsprozesse in Einzelschritte zerlegt werden. Eine Ampel zeigt, wo Roboter monotone oder beschwerliche Tätigkeiten übernehmen könnten. Erklärtes Ziel des Familienunternehmens ist, Mitarbeiter nicht zu ersetzen, sondern zu entlasten.
Acht Cobots tüten im Werk Teile ein, schrauben oder laufen aktuell im Testumfeld. Sie sind klein, rund, leicht, können allein, mit einem menschlichen Kollegen und auch miteinander - Greifer in Greifer - arbeiten. Und vor allem, sie sind nicht "hinter Gittern".
Ein harmonisches Paar
Der erste teilt sich schon seit 2014 eine Fließfertigungsinsel mit einer Monteurin. An einem Lautsprecher zum Beispiel gibt es mehrere klitzekleine Schräubchen. "Der Werkerin ist dabei öfter mal der Schrauber weggekippt oder sie hat nicht richtig getroffen", sagt Industriemechaniker Daniel Wagener. Der Cobot schafft es präziser, sein Gelenk tut auch nach der 500. Drehung nicht weh.
Wagener arbeitet in der Werkstatt für Instandhaltung und Vorrichtungsbau von Jung. Bevor ein Cobot in die Produktion darf, rüstet er ihn mit den passenden Greifern aus und programmiert ihm die Dinge ein, die er zu tun hat. Er nimmt den Metallarm und führt ihn an die verschiedenen anzufahrenden Punkte. Die Geschwindigkeit richtet er nach dem jeweiligen Arbeitsprozess aus. Mensch und Maschine sollen eine harmonische Einheit bilden und sich im abgestimmten Tempo bewegen.
Wenn der Mensch auf den Cobot warten müsse, leide die Effizienz, sagt Schäfer. Umgekehrt mache es auch keinen Sinn, ergänzt Wagener. "Warum soll der Roboter schnell laufen, wenn die Werkerin noch nicht fertig ist?"
Während der Roboter an dem einen Teil noch schraubt, nimmt die Monteurin schon das nächste Stück, legt die Dichtung ins Gehäuse, fügt den Lautsprecher hinzu und passt auf, dass die Kabel richtig gelötet sind und dem Werkzeug nicht im Weg liegen. "Dafür braucht es schon die menschlichen Sinne."
Der Mensch ist im Mittelpunkt
Auf keinen Fall darf dem Menschen ein Schaden passieren, auch ein blauer Fleck wäre schon zu viel. "Das würde sich sofort herumsprechen und dann wäre er der böse Roboter. Die Akzeptanz wäre dahin", weiß der Industriemechaniker. Deshalb versucht die Werkstatt die Cobots so sicher wie nur möglich zu machen: Die Greifer sind aus Gummi statt aus Stahl. Da wo sie mit dem spitzen Schrauber hantieren, schützen Lichtschranken. Und immer wenn der Metallarm sich dem Menschen nähert, verlangsamt er das Tempo.
Während etablierte Technologien wie Computer, vernetzte Maschinen und Online-Plattformen nur noch eine kleine Minderheit verunsichern, graust es laut der aktuellen Civey-FES-Umfrage 41 Prozent der Deutschen vor KI und intelligenten Robotern.
Bei der Firma Jung steht man technischen Neuerungen offen gegenüber: Die Mitarbeiter können immer in der Werkstatt vorbeischauen, die Technik testen und Feedback geben. "Hier hat keiner Angst. Wir werden immer vorab informiert und eingebunden", sagt Betriebsrätin Gabriele Czerlitzki. "Die Roboter machen in erster Linie Sachen, die für die Finger zu schwer sind. Den Monteurinnen macht es Spaß, mit ihnen zu arbeiten."