Guinea-Bissau: Chaos im gescheiterten Zwergstaat
2. März 2009Die Nacht von Sonntag auf Montag (2.3.2009) dürften die 1,7 Millionen Bewohner des westafrikanischen Landes Guinea-Bissau so schnell nicht vergessen. Zuerst tötete eine Explosion im Hauptquartier der Armee Generalstabschef Batista Tagmé Na Waié. Wenige Stunden später erschossen Soldaten den Präsidenten João Bernardo "Nino" Vieira in seinem Wohnhaus im Zentrum der Hauptstadt Bissaus. Sie machten ihn für das Attentat auf ihren General verantwortlich. Waié hatte den Präsidenten bereits im Januar beschuldigt, hinter einem fehlgeschlagenen Attentat gegen ihn zu stecken.
Die Armee hatte seit Jahren offene Rechnungen mit dem Präsidenten. So soll Vieira im Jahr 2006 vom Senegal Geld bekommen haben, damit die Armee die separatistische Casamance-Bewegung bekämpft. Diese Bewegung möchte die Unabhängigkeit der Casamance-Region im Süden Senegals und unterhielt in Guinea-Bissau Rückzugsgebiete. Das Geld aus dem Senegal soll Präsident Vieira den Soldaten als zusätzlichen Sold versprochen, aber nach Angaben aus Militärkreisen nie ausbezahlt haben.
Prägende Figur
Mit Vieira wurde der Politiker getötet, der Guinea-Bissau seit seiner Unabhängigkeit 1974 am stärksten geprägt hat. Bereits 1980 putschte sich der ehemalige Guerilla-Kämpfer an die Macht. Bis dahin hatte in Guinea-Bissau und auf den Kapverden die gleiche Partei, die ehemalige Unabhängigkeitsbewegung PAIGC, regiert. Vieira brach die Beziehungen zu den Kapverden ab und regierte das Land fast zehn Jahre lang als Diktator.
Er überstand mehrere Putschversuche, musste aber Anfang der 1990er Jahre aufgrund zunehmenden Drucks der internationalen Gemeinschaft einem Mehrparteiensystem und freien Wahlen zustimmen. Diese fanden im Jahr 1994 statt und bestätigten Vieira im Amt. Allerdings gibt es zahlreiche Vorwürfe, bei der Stichwahl sei es zu massiven Wahlfälschungen gekommen.
Mehrere Putschversuche überlebt
1998 schließlich überlebte Vieira einen weiteren Putschversuch. Das Land schlitterte in einen blutigen Bürgerkrieg. Trotz Militärhilfe aus dem benachbarten Senegal und Guinea-Conakry konnte Vieira das Land nicht mehr kontrollieren und floh 1999 nach Portugal ins Exil. 2005 gelang ihm aber bei den weitgehend fair verlaufenen Wahlen im Jahr 2005 ein Comeback. João Bernardo "Nino" Vieira holte in der Stichwahl überraschend 52,4 Prozent Stimmen und regierte seitdem das Land.
Zwischenstation für die Drogen
In den folgenden Jahren erlebte Guinea-Bissau eine Periode relativer Stabilität. Auch internationale Hilfe gelangte wieder zunehmend ins Land. Allerdings bemächtigte sich die kolumbianische Drogenmafia des westafrikanischen Landes mit seinen schwachen Institutionen. Sie benutzte die zahlreichen, vom Staat so gut wie nicht kontrollierten Inseln als Zwischenstation, um Kokain von Südamerika nach Europa zu bringen. Es wird geschätzt, dass jährlich Drogen im Wert von etwa zwei Milliarden Dollar über Guinea-Bissau umgeschlagen werden.
"Es gibt Vermutungen, dass die Drogenmafia in die Anschläge verwickelt sein könnte", sagt Edward George, Analyst der meist bestens informierten Economist Intelligence Unit (EIU) aus London. Der Präsident hatte in der Tat versucht, eine Kampagne gegen die Drogen zu starten. "Ohne Vieira wird es nun aber mehr Spaltungen und mehr Fraktionen im Land geben, was es den Drogenhändlern leicht machen wird, die Regierung zu bestechen und sie zu manipulieren."
Machtvakuum und kein Putsch?
Guinea-Bissau sei bereits vor den Anschlägen ein gescheiterter Staat gewesen. Nun fehlten ohne Präsidenten und Generalsstabschef die beiden Personen, die in der Lage gewesen seien, das Land zu einen, glaubt Edward George Bilanz.
Die Europäische Union, die Portugiesischsprachige Staatengemeinschaft CPLP, die Afrikanische Union sowie die ehemalige Kolonialmacht Portugal haben den Anschlag auf den Präsidenten einmütig verurteilt. Sie riefen das Militär dazu auf, die demokratischen Institutionen zu respektieren.
Bisher ist die Regierung des Landes unter Premierminister Carlos Gomes Júnior auch weiterhin im Amt. Sie hat eine Kommission gegründet, um die Attentate aufzuklären. Militärsprecher Zamora Induta erklärte nach einer gemeinsamen Sitzung mit der Regierung: "Wir Militärs versichern der Regierung, dass es keinen Staatsstreich gibt."
Nach der Verfassung müsste nun der Vorsitzende des Parlaments das Amt des Präsidenten übernehmen. Nach spätestens 60 Tagen müssen laut der Verfassung dann Neuwahlen stattfinden.