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Airport bleibt Baustelle

Michael Gessat18. Mai 2012

Erzürnte Politiker, zerknirschte Flughafen-Chefs: Erst am 17. März 2013 soll der neue Hauptstadtflughafen den Betrieb aufnehmen. Geht Deutschland damit immer noch als Meister der Organisation durch?

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Brandenburg/ Ein Arbeiter befestigt am Dienstag (28.02.12) an der Glassfassade des Terminals des zukuenftigen Grossflughafens Berlin-Brandenburg Willy Brandt (BER) in Schoenefeld Buchstaben des Flughafennamens. Der Probebetrieb am BER begann am 07. Februar 2012. (zu dapd-Text) Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dapd
Bildergalerie Großbauprojekte Flughafen Berlin BrandenburgBild: dapd

Ein Fiasko, eine Riesenblamage, eine peinliche Panne, die auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen muss: In deutschen Zeitungen, Sendern und Onlinemedien war das Echo auf die Verschiebung der Flughafeneröffnung einhellig. Hohn und Spott trafen die Führungsspitze der "Flughafen Berlin Brandenburg GmbH" und die Politiker in den Aufsichtsgremien, die Anfang des Monats (08.05.2012) scheinbar von den schlechten Neuigkeiten völlig überrascht worden waren. Probleme bei der Brandschutztechnik hatten die Verschiebung unumgänglich gemacht, wie der Airport-Chef Rainer Schwarz der erstaunten Öffentlichkeit eingestehen musste. Am Donnerstag (17.05.2012) trat nun Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft ist, vor die Presse: Erst am 17. März des kommenden Jahres soll die Eröffnung stattfinden - also mit einem Dreivierteljahr Verspätung.

Erfahrungen aus der Flughafenkatastrophe von Düsseldorf

"Sicherheit hat Priorität" - so versucht die Flughafen-Pressestelle die Meldung vom geplatzten Start positiv zu verpacken. Und in der Tat: Wie wichtig umsichtig geplante und sorgfältig ausgeführte Brandschutzmaßnahmen für einen Flughafen sind, ist in Deutschland spätestens mit der Katastrophe im Jahre 1996 klar geworden. Damals starben im Terminal des Düsseldorfer Airports 17 Menschen, 88 weitere wurden verletzt, offenbar vor allem deswegen, weil Brandschutztüren fehlten und sich giftige Rauchgase über die Klimaanlage im Gebäude verteilt hatten. Die Erkenntnisse aus dem Brand in Düsseldorf führten zu einer Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften und zu neuen Planungskonzepten - selbstverständlich auch für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg.

Auch ein "Planungsweltmeister" patzt einmal

Die Berliner Airport-Planer kannten die komplexen Brandschutz-Herausforderungen von Beginn an und sogar aus erster Hand - der leitende Geschäftsführer Rainer Schwarz und der Technische Geschäftsführer Manfred Körtgen waren nämlich zuvor am Flughafen Düsseldorf tätig, ebenfalls in leitender Funktion. Ohne Zweifel sind also beide ausgewiesene Fachleute, und - Ironie des Schicksals - der Technik-Chef hatte sogar vor kurzem eine Doktorarbeit vorgelegt, die sich quasi damit beschäftigt, wie man bei einem Großprojekt alles richtig macht.

Feuerwehrfahrzeuge auf dem Gelände des Düsseldorfer Flughafens am 11.04.1996. Foto: Achim Scheidemann dpa/lnw
Löschfahrzeuge beim Flughafenbrand Düsseldorf 1996Bild: picture-alliance/dpa

Körtgen listet in seiner Doktorarbeit minutiös auf, was alles ineinandergreifen muss, damit ein Mammut-Infrastrukturprojekt am Ende "schneller und kostengünstiger" fertiggestellt werden kann. Gerade im Ausland gilt deutsche Planung und deutsche Gründlichkeit immer noch als Vorbild und Musterbeispiel. Doch wenn einmal irgendwo auf der Welt bei einem Projekt unter deutscher Regie der Zeitplan aus dem Ruder läuft, dann ist schnell von Qualitätsmängeln bei der Zulieferern, Korruption bei lokalen Planern und Beteiligten, und von fehlenden Genehmigungen durch langsame lokale Behörden die Rede.

Kleine Behörde, große Wirkung

Auch im Fall des Berliner Flughafens hat eine lokale Behörde eine wichtige Rolle gespielt: das Bauordnungsamt im kleinen Ort Königs Wusterhausen. Hier müssen nämlich die Bauten und auch das Brandschutzkonzept vor der Inbetriebnahme geprüft und behördlich genehmigt werden. Gebummelt habe man aber keineswegs, und irgendwelche Fristen habe er den Verantwortlichen des Flughafens auch nicht gestellt, betont der Chef des Landkreises Dahme-Spreewald, Landrat Stephan Loge: "Wir selbst haben als Bauordnungsbehörde keinerlei Daten und Ultimaten zu stellen. Aber wenn sich ein Bauherr, und wenn es der Bauherr eines so großen Flughafens ist, ein Zeitziel setzt, wie hier in diesem Fall den 3. Juni, dann vereinbaren wir natürlich vorher kollegial, was zu welchem Zeitpunkt bei uns vorliegen muss, damit wir es auch schaffen."

Probleme bei der automatischen Steuerung

Im Bauordnungsamt galt eine Urlaubssperre, berichtet Landrat Loge, 30 Mitarbeiter waren für die Endabnahme eingeteilt - aber politischer Druck oder wirtschaftliche Interessen spielen bei der Prüfung und Genehmigung keine Rolle. Und genau wie beim Bau eines Einfamilienhauses: Die Behörde braucht für ihre Arbeit die entsprechenden technischen Prüfunterlagen. Die sollten allerspätestens am 21. Mai abgegeben werden - allerdings wollte der Landrat schon vorher einen Prüfplan erhalten, aus dem zumindest erkennbar geworden wäre, wann welche Unterlagen in welcher Qualität eintreffen würden. Ein Realitätscheck also für ein Genehmigungsverfahren in allerletzter Minute, aber nun zogen die Verantwortlichen die Reißleine: Das automatische Zusammenspiel der verschiedenen Brandschutzkomponenten, etwa der Brandschutztüren und der Sprinkleranlagen, funktionierte nach wie vor nicht.

Zu viele Beteiligte

200.000 Quadratmeter umspannt das Rohrsystem, das im Brandfall giftige Gase abtransportiert und Frischluft zuführt, 50.000 Sprinklerköpfe sollen lokale Brandherde erkennen und sofort löschen – die Komponenten stammen von führenden deutschen Herstellern Siemens und Bosch. Als Laie könnte man da denken, dass alle Einzelteile ja standardisiert, genormt und geprüft sind - und dann auch das Zusammenspiel funktionieren müsse. Aber so einfach ist die Sache nicht, betont Wolfram Krause, Geschäftsführer des Bundesverbands Technischer Brandschutz: "Standardisiert ist da gar nichts. Ein Brandschutz ist in solchen Großkonzepten absolut individuell auf dieses Objekt ausgerichtet, es funktioniert dort völlig anders als zum Beispiel in einem Hochhaus oder auf einem Messegelände."
Bei öffentlichen Projekten müssen alle Arbeiten ausgeschrieben werden, der vermeintlich kostengünstigste Anbieter erhält den Auftrag. Krause gibt zu bedenken: "Dann wird sehr viel untervergeben, und es passiert am Ende, dass eine Vielzahl von Firmen für den Brandschutz dann tätig wird. Und das kann natürlich auch dazu führen, dass am Ende die einzelnen Gewerke nicht so zusammenfunktionieren, wie man sich das überlegt hat."

Kaum Auswirkungen auf den Flugverkehr

Für die Betreiber von Hotels und Geschäften auf dem neuen Airport, für alle mit dem Umzug befassten Firmen ist die Verschiebung ein harter Schlag, der immense Kosten verursacht. Und natürlich für die Fluggesellschaften, die jetzt umdisponieren müssen. Allein Air Berlin informiert in diesen Tagen über eine Million Fluggäste einzeln über ihren neuen Abflug- bzw. Ankunftsflughafen. Aber alle Flüge werden stattfinden, beteuern die Verantwortlichen. Insofern kann auch Landrat Stephan Loge der Verschiebung etwas Positives abgewinnen: Die Reißleine sei gerade noch rechtzeitig gezogen worden. Im Extremfall hätte er die Eröffnung des Airports "Willy Brandt" wenige Stunden vor der technischen Inbetriebnahme verbieten müssen. Doch dann wären die alten Flughäfen Tegel und Schönefeld, auf denen jetzt der Betrieb verlängert wird, schon geschlossen gewesen.

Flughafen Berlin-Tegel pixel
Bleibt nun länger in Betrieb: Flughafen TegelBild: picture alliance/Arco Images GmbH
Computersimulation des neuen Flughafens Copyright: Björn Rolle / Berliner Flughäfen
Der Start in die Realität muss warten: Computersimulation des neuen FlughafensBild: Björn Rolle / Berliner Flughäfen
Abfertigungshalle des Flughafens Berlin im Bau Bild: DW/Kay-Alexander Scholz
Die Abfertigungshalle des Flughafens im BauBild: DW/Scholz