Berlins neuer Flughafen
24. Februar 2012Es gibt einen Engpass auf dem neuen Hauptstadtflughafen. Die bis zu 5500 Bauarbeiter und Handwerker der zahlreichen großen und kleinen Firmen finden auf dem Platz vor dem zukünftigen Terminal kaum noch Parkplätze für ihre LKWs und Kleintransporter. Viele Parkflächen sind vollgestellt mit Steinplatten, Zementsäcken und anderem Baumaterial. Denn es gibt noch richtig viel zu tun auf dem zukünftigen Flughafen, der mit komplettem Namen "Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt" heißen wird und in 100 Tagen öffnen soll.
Doch man werde den Zeitplan einhalten, sagt Flughafen-Pressesprecher Leif Erichson mit fester Stimme. Denn den Start noch einmal verschieben, das ginge nun wirklich nicht. Ursprünglich sollte BER, so der internationale Code für den Flughafen, schon seit vier Monaten in Betrieb sein. Bundespolizei-Sprecher Olaf Wiese springt seinem Kollegen zur Seite und erzählt, dass die Verspätung mit zusätzlichen Sicherheitsauflagen zusammenhing. Denn ab 2013 sollen wieder uneingeschränkt Flüssigkeiten mit an Bord genommen werden dürfen, doch dafür habe es zusätzlicher Kontrolltechnik bedurft. Der erste Blick ins Terminal aber zeigt, dass die Verspätung wohl recht gelegen kam. Denn das viele Baumaterial, das draußen steht, muss schließlich noch in die Halle und verbaut werden.
Kein Techniktempel
Das Terminal-Gebäude ist stolze 21 Meter hoch, nach drei Seiten verglast und mit 60 mal 60 Zentimeter großen beigefarbenen Steinplatten gepflastert, genauer mit bayerischem Jura-Kalkstein auf einer Fläche von 120.000 Quadratmetern. Obwohl an diesem Spätwintertag der Berliner Himmel wolkenverhangen ist und überall Baulärm dröhnt, ist die Atmosphäre im Terminal freundlich. Das liegt sicherlich auch an den vielen Holzpaneelen, mit denen die Check-in-Inseln verkleidet sind.
Der warme Walnussholzton beruhigt, ebenso wie das dunkle Rot-Orange der Hinweisschilder. Man wolle den Reisenden die Angst vor dem Fliegen und dem Sicherheitscheck nehmen, erzählt Leif Erichson von der Flughafen GmbH.
Zu entspannt soll es in diesen Tagen aber dennoch nicht zugehen. Auch der Sicherheitscheck wird simuliert. Die zukünftigen Passagiere können durch insgesamt 32 Sicherheitslinien gehen, wo sie selber und ihr Handgepäck - ab 2013 auch wieder größere Getränkeflaschen - durchleuchtet werden. Die noch nicht ganz fertigen Zwischendecken hängen tief, die Gänge sind schmal, die Gerätschaften in schwarz und grau gehalten.
Hinter dem Sicherheitsbereich entsteht der sogenannte Marktplatz mit Duty-free-Läden, Imbissen und Modegeschäften. 150 Ladeneinheiten gibt es auf dem neuen Flughafen, ein Teil auf dem Marktplatz, der größere Teil im unterirdischen Übergang zur Flughafen-City vor dem Terminal-Gebäude. Dort wo zukünftig viel und auf jeden Fall auch regionale Produkte wie die Berliner Currywurst, die Spreewälder Gurke oder Berliner Mode verkauft werden soll, ist derzeit an vielen Ecken noch der blanke Beton zu sehen. In den verbleibenden drei Monaten gibt es im Shopping-Bereich noch einiges zu tun.
Von billig bis VIP
Einen fertigen Eindruck machen bereits die Gates, die man entweder über einen 350 Meter langen Gang oder mit einem Laufband erreichen kann. Sie sind über zwei Etagen verteilt - oben die Gates mit Passagierbrücken, unten die Gates, von denen Busse zu den Flugzeugen fahren oder von denen man zu Fuß laufen kann. Biegt man vom zentralen Gang hinten rechts um die Ecke, kommt man in den Bereich für die Billigflieger. Billiger sind hier auch die Fußböden, die zwar ebenfalls beige sind wie in der "ersten Klasse", aber dafür nicht aus Jura-Kalkstein bestehen.
Einen eigenen First-class-Bereich wie auf anderen Flughäfen werde es nicht geben, sagt der Pressesprecher. Obwohl es dafür sicherlich Gäste gäbe, gerade aus Osteuropa. Wie die Kollegen vom noch existierenden Flughafen Berlin-Schönefeld erzählten, gäbe es nicht wenige Fluggäste, die auch Mal 900 Euro für eine Gesichtscreme im Duty-free zahlen. Doch auch denen soll geholfen werden, denn man kann sich eine VIP-Behandlung dazu kaufen, um bequem chauffiert zu werden und ohne Wartezeit in den Flieger zu kommen. Bei prognostizierten 25 Millionen Fluggästen pro Jahr werden sicherlich einige davon Gebrauch machen.
Komparsen simulieren Probebetrieb
Die ersten Fluggäste gibt es bereits. Seit einigen Wochen durchlaufen zwei Mal wöchentlich jeweils rund 200 Komparsen den Flughafen im Probebetrieb. Sie bekommen Tickets und Koffer und müssen sich den Weg zum Abflug suchen, der allerdings noch simuliert wird, natürlich. Alles andere aber, also Einchecken und der Sicherheitscheck, läuft unter Realbedingungen ab. Denn auch die zukünftigen 1800 Mitarbeiter des Bodenpersonals müssen geschult werden und sollen sich an den neuen Arbeitsplatz gewöhnen, sagt Stefan Neubauer, Pressesprecher der Firma Globe-Ground.
Zwischenfälle habe es beim Testbetrieb bisher keine gegeben, sagt Olaf Wiese von der Bundespolizei. Erstaunlich sei nur, wie viele ältere Herren noch immer ein Taschenmesser bei sich tragen, das ihnen dann testweise abgenommen werden muss. Doch gerade solche kleinen und großen Zwischenfälle zu üben, das sei ja der Zweck eines solchen Probebetriebs. Und einige der Komparsen sagen, sie machen mit, weil sie so schon einmal üben können, bevor sie dann ab dem Sommer wirklich vom BER abheben werden.
Flughafen der kurzen Wege
Nicht die Technik steht im neuen Hauptstadtflughafen im Vordergrund, sondern die kurzen Wege. Vom Zug gelangen die Flüggäste demnächst vom Gleis mit dem Fahrstuhl direkt ins Terminal. Die maximale Strecke, die ein Passagier zurücklegen muss, soll 700 Meter betragen. In Frankfurt am Main seien es zweieinhalb Kilometer, sagt Leif Erichson. Mit seiner sachlichen und schnörkellosen Art passt BER gut zur Mentalität in Berlin und Brandenburg, einiges hat er sich auch von seinem Vorgänger Berlin-Tempelhof abgeschaut, der in den 1930er-Jahren der erste moderne Flughafen der Welt war, bei dem man vorne hineinging und am Ende des Flughafengebäudes ins Flugzeug stieg.
Am 3. Juni wird es soweit sein. Dann - und das ist einmalig - werden gleich zwei Flughäfen, nämlich Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld, zusammengeführt. Das werde wohl eine logistische Meisterleistung werden, sagen die Pressesprecher einstimmig. Logistische Hilfestellung haben die Berliner übrigens aus München bekommen. Die Kollegen dort haben die Einweihung ihres Flughafens vor zehn Jahren so gut hinbekommen, dass sie jetzt als Berater um die Welt reisen und in Kuala Lumpur oder in China helfen - oder auch in Berlin, was aber von allen Einsätzen bisher am längsten dauert.
Autor: Kay-Alexander Scholz
Redaktion: Arne Lichtenberg