Golfen statt Kicken
24. Juli 2003Golf hat in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt. Mittlerweile tummeln sich nicht mehr nur Alt, sondern auch Jung auf den hübsch angelegten grünen Hügeln. Über 29.000 neue Golfer konnte der Deutsche Golf Verband (DGV) 2002 verzeichnen. "Golf ist erschwinglich geworden. Günstige Einsteigerangebote locken immer mehr Menschen an", erklärt Julia Schelten, PR-Beraterin der Vereinigung clubfreier Golfspieler. Mit rund 500 Euro für die Ausrüstung – inklusive Baumwollpulli und adäquatem Schuhwerk – ist ein Golfer dabei.
Überholte Vorurteile
Die Klischees, die mit dem grünen Sport in Verbindung gebracht werden, greifen längst nicht mehr. Opas in karierten Hosen werden auf den Plätzen immer seltener gesichtet. Über ein Drittel der Golfspieler ist jünger als 49 Jahre, jeder Zehnte unter 21 Jahren – knapp die Hälfte davon ist weiblich. Weltweit spielen rund 50 Millionen Menschen Golf. In Großbritannien und in den USA gehört der "grüne" Sport schon zu den Sozialfertigkeiten wie Autofahren oder Schwimmen. Die Prognose des DGV: Bald wird in Deutschland Golf mit der gleichen Selbstverständlichkeit gespielt wie in Kanada oder Schweden. Dort versucht jeder 6. beziehungsweise 16. Einwohner regelmäßig seinen Ball mit möglichst wenig Schlägen ins Loch zu befördern.
Und das kann anstrengender sein, als man meinen würde. Erwiesenermaßen haben Golfer eine um 20 Prozent höhere Kondition als untrainierte Menschen. Bei ihrer auf den ersten Blick beschaulichen 18-Loch-Runde verlieren sie durchschnittlich ein Kilogramm Körpergewicht, ihr Cholesterinspiegel sinkt um etwa 15 Prozent. Und: Regelmäßiges Golfen fördert angeblich die Konzentrationsfähigkeit. Ein Manko gibt es allerdings: Golfen ist nichts für Leute mit Rückenproblemen. Wer viele Bälle schlägt, den kann schon mal ein schmerzhafter Bandscheibenvorfall treffen.
Die scheinbar heile Welt
Nebenbei soll Golf auch der Entspannung dienen. Deshalb möchten die meisten Spieler einerseits gepflegte Plätze, andererseits aber auch eine scheinbar intakte Natur vorfinden: Blumen, Insekten, etwas Abwechslung in der Landschaft. Häufig trügt jedoch das Bild der heilen Welt auf den 600 Golfplätzen, die es mittlerweile deutschlandweit gibt. Allein bei der Neuanlage eines Golfplatzes wird oft massiv in unberührte Natur eingegriffen, Erdreich verschoben und das Landschaftsbild neu gestaltet. Auch an den Rasen stellt man hohe Ansprüche. Regelmäßiger Düngemitteleinsatz ist daher an der Tagesordnung, Klee und anderen unerwünschten Kräutern begegnet man mit Herbiziden. Und damit sich das Unkraut der umliegenden Flächen, wie zum Beispiel der Löwenzahn, nicht auf den bespielten Bereichen anwächst, werden auch diese häufiger gemäht, als den Naturschützern lieb ist. Die Alternative heißt: Cross-Golfen.
Die Stadt als Golfplatz
Wenn Cross-Golfer ihre Bälle in die Luft schlagen, endet das Spiel nicht mit einem Putt auf gepflegtem Grün, sondern an einem alten Fahrrad, einem rostigen Müllcontainer oder in einem selbstgebuddelten Loch. Cross- oder auch Street-Golfer finden normale Plätze langweilig. Sie spielen lieber in Kiesgruben oder auch in Hafengegenden. Voraussetzung ist dabei natürlich genug Platz für weite Schläge, damit keine Passanten gefährdet werden. Ähnlich lockere Zusammenschlüsse wie die "Natural Born Golfers" in Hamburg gibt es mittlerweile in jeder deutschen Großstadt.