Mit Handicap zum Abitur
10. Dezember 2001Mit aller Kraft schlägt der 19-jährige Philipp den kleinen Plastikball über das weite Grün auf der Golf-Anlage im Hamburger Stadtteil Moorfleet. Sein Sportlehrer Peter Lau ist nicht begeistert: "Nicht so viel Kraft, mehr Technik. Du musst das wie bei "Moon River" machen - Langsamer Schwung (moon) und dann musst Du beschleunigen (river)". Dann singt der 54-Jährige den Sinatra-Klassiker und zeigt seinem Schüler Philipp, wie es gemacht wird. Philipp gehört zu einer Gruppe von 18 Schülern, die seit August einen Golf-Kurs an einer Hamburger Schule besuchen.
Golf-Verband hat keine Nachwuchssorgen mehr
"Den Trick mit dem Sinatra-Lied hat mir vor ein Paar Jahren einmal ein amerikanischer Profi gezeigt", erzählt Lau. Im Gegensatz zu Amerika gelte Golf in Deutschland immer noch als Sport der Schicki-Mickis. Das kann die 19-Jährige Daniela Wiafe-Mintah, eines von 14 Mädchen in der Klasse, gar nicht verstehen. Am Anfang habe sie zwar auch Berührungsängste gehabt, aber mittlerweile sei Golf für sie ein "Sport wie jeder andere auch". Das findet auch Lehrer Lau, der für den Kurs einen Sondertarif mit dem Golfplatz-Betreiber ausgehandelt hat: Jeder Schüler muss für den Kurs 15 Mark zahlen, die restlichen 20 Mark trägt die Schule.
Zwei Sponsoren hätten der Schule außerdem die komplette Golf-Ausrüstung im Wert von jeweils knapp 400 Mark zur Verfügung gestellt. Auf großes Interesse ist der Lehrer mit seiner Initiative auch beim Hamburger Golf-Verband gestoßen. "Über Nachwuchssorgen müssen die sich aber eigentlich nicht beklagen" , meint Lau. Denn schließlich liege der Jahresbeitrag für Jugendliche ungefähr bei 100 bis 150 Mark und sei damit viel geringer als beispielsweise in Tennisclubs.
Kursbester mit Handicap 30
Die Idee, seinen Schülern den Sport mit der kleinen weißen Kugel zu vermitteln, ist eher zufällig entstanden: "Als ich im letzten Jahr auf Klassenfahrt in Dänemark war, hatten wir nebenan einen Golfplatz. Um die Schüler zu beschäftigen, habe ich ihnen angeboten, dort mit ihnen Golf zu spielen", erzählt der Pädagoge. Die Schüler seien so begeistert bei der Sache gewesen, dass er noch in den Winterferien einen Lehrplan geschrieben habe, der dann von der Schulbehörde abgesegnet worden sei.
Als er seinen Kurs im August zu Beginn des neuen Schuljahrs für die Klassen 11 bis 13 anbot, sei der Zuspruch riesengroß gewesen. 30 Schüler hätten sich gemeldet, die aber nicht alle zugelassen werden konnten. Einmal in der Woche haben die Golfschüler seitdem für ein bis zwei Stunden Unterricht auf dem Golfplatz. Auf der so genannten "Driving Ranch" üben sie bei jedem Wetter Abschlag und Einlochen.
Platzreife noch vor Weihnachten
"Die Schüler lernen unheimlich schnell. Sechs bis sieben von ihnen können noch bis Weihnachten die Platzreife erreichen", sagt Lau, der neben Sport auch Deutsch und Politik unterrichtet. Platzreife bedeutet, dass ein Spieler auf einem Neun-Loch-Kurs ein Handicap von mindestens 54 erreicht. Er selbst habe ein Handicap von 18, sein bester Schüler Philipp 30. Hätten die Schüler erst einmal Platzreife erreicht, dann dürften sie auch ohne ihn auf den Golfplatz, erklärt der Hobby-Golfer.
Im nächsten Jahr können die Schüler ihrem Lehrer dann zeigen, was sie von ihm gelernt haben. Dann fährt Lau mit ihnen für eine Woche nach Dänemark - "zurück zu den Wurzeln". (pg)