Kampf um Ersparnisse
22. November 2012Safet Alimehaj ist kein Einzelfall. Er hat ein Sparbuch von seinen Eltern geerbt, doch das Geld ist verloren. Alimehaj ist der Sohn jugoslawischer Gastarbeiter. Die Eltern waren in den 70er Jahren nach Deutschland gekommen. Ihr Erspartes hatten sie von Neu-Ulm nach Hause an die Ljubljanska Banka (LB) überwiesen. Das Geldinstitut ging nach dem Zerfall Jugoslawiens bankrott. Die aus der LB hervorgegangene slowenische Nova Ljubljanska Banka (NLB) sieht sich nicht als Rechtsnachfolgerin.
Hunderttausende sind betroffen
Allein in Deutschland haben 300.000 Menschen mit Wurzeln im früheren Jugoslawien ein ähnliches Schicksal erlitten wie die Eltern von Safet Alimehaj, erklärt der Münchener Anwalt Peter Mattil, der diejenigen Betroffenen vertritt, die inzwischen deutsche Staatsbürger sind. "Diese Menschen haben Jahre oder Jahrzehnte auf ihre Sparbücher einbezahlt. 1994 wurde eine Nachfolge-Bank gegründet, die zwar alle Vermögenswerte übernommen hat, nicht aber die Schulden aus den Sparbüchern." Gestattet und genehmigt vom slowenischen Staat, obwohl sich die Regierung bei der Eröffnung der Sparbücher zur Haftung verpflichtet habe. Das sei kriminell, meint Peter Mattil. Und seine Klienten sehen das wohl auch so.
Mit hohen Zinsen gelockt
In den 1970er Jahren gab es etwa 600.000 jugoslawische Gastarbeiter in Deutschland. "Die wurden gezielt von der Ljubljanska Bank angeworben, und mit hohen Zinsen von bis zu zwölf Prozent gelockt, um Sparkonten zu eröffnen", erläutert Jurist Mattil. Fünf weitere Banken hätten das ähnlich gemacht. Gastarbeiter in Deutschland, aber auch in Österreich, Frankreich, der Schweiz und Schweden hielten nach der Bankumwandlung plötzlich nur noch ein wertloses Papier in ihren Händen, das sich Sparbuch nannte. Viele klagten in ihrer Heimat und scheiterten. Die neuen Staaten kamen ihrer Verpflichtung nicht nach und ignorierten sie.
Eine kleine Gruppe Betroffener reichte 2008 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) Klage ein, nachdem sie bereits sämtliche juristischen Instanzen in ihrer Heimat durchlaufen hatten. Drei erhielten nun recht in Strassburg. Außerdem formulierte das Gericht deutlich, dass nicht nur sie ihr Erspartes zurückbekommen sollten, sondern "alle anderen in der gleichen Situation". Hinzu kommen die Zinsen und ein Schmerzensgeld von rund 4000 Euro pro Person. Das bedeutet nach Peter Matill eine zweistellige Milliarden-Summe, die der Staat bzw. die Bank zahlen müssten, denn viele Gastarbeiter hatten 100.000 Euro oder mehr zusammengespart.
Urteil ohne Vollstrecker
Die Sache hat jedoch gleich mehrere Haken, weil das Urteil in Straßburg erst einmal keine direkten Folgen hat. "Die Urteile des EGMR sind keine Leistungsurteile, da gibt es keine Verpflichtung eines Staates, eine bestimmte Leistung zu erbringen. Es wird nur festgestellt, dass eine Menschenrechtsverletzung vorliegt", erklärt der Jura-Professor Peter Baumeister von der SRH Hochschule Heidelberg die verzwickte Rechtslage. Und selbst wenn zum Beispiel ein deutsches Gericht auf Grundlage der Entscheidung in Straßburg ein Urteil zugunsten der Kläger sprechen würde, wäre damit immer noch nicht die Vollstreckung des Urteils gesichert, ergänzt Baumeister. Anwalt Peter Matill sieht noch eine weitere Hürde: "Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Es gibt noch eine Beschwerdemöglichkeit innerhalb des Menschenrechtsgerichtshofes". Und Slowenien habe bereits angekündigt, eine solche Beschwerde gegen das Urteil einzulegen"
Das Ende bleibt offen
Dennoch ist Anwalt Peter Matill zuversichtlich, dass die Straßburger Entscheidung einen Fortschritt für die Gastarbeiter bringen wird. "Das ist nicht nur ein theoretisches oder philosophisches Urteil. Das muss beachtet und den weiteren Urteilen zugrunde gelegt werden." Jura-Professor Peter Baumeister zeigt sich weniger optimistisch: "Ich denke, dieses Urteil gibt Anlass zur Hoffnung, aber noch nicht zur Euphorie."
Weitere Gerichtsurteile wird es mit großer Wahrscheinlichkeit geben. Ob die Gastarbeiter aber jemals ihr Geld zurückerhalten werden, bleibt weiter offen.