Gedenken allein reicht nicht
10. November 201375 Jahre nach den antisemitischen Pogromen in Deutschland hat Bundespräsident Joachim Gauck die Bürger aufgefordert, es nicht beim Gedenken allein zu belassen. Die Erinnerung an Opfer und Täter sei wichtig - es komme aber auch darauf an, in der Gegenwart gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus aufzustehen und aktiv zu werden, sagte er am Samstag in Frankfurt/Oder. "Wir müssen heute da hinschauen, wo es erforderlich ist." Das gelte für Institutionen wie für alle Bürger, sagte er mit Verweis auf die Morde des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU).
Es müsse verhindert werden, dass Neonazis ihr Unwesen in Städten und Dörfern treiben, forderte der Bundespräsident. "Wir müssen verhindern, dass Hass und Rassenwahn von neuem die Gehirne vernebeln und die Herzen verderben", so der Bundespräsident. "Wir müssen uns selber hindern wegzuschauen, wann immer und wo immer dies geschieht."
Vor 75 Jahren
In der von den Nationalsozialisten angezettelten Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten deutschlandweit Synagogen und jüdische Geschäfte. Wohnungen wurden verwüstet und jüdische Bürger misshandelt. Nach Schätzungen von Historikern starben mehr als 1.300 Menschen während und infolge der Gewalt.
In ganz Deutschland fanden mehr als 30 Einzelveranstaltungen zum Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome statt. Unter anderem hatte das "Aktive Museum - Faschismus und Widerstand" die Menschen in Berlin aufgerufen, die stadtweit rund 5.000 Stolpersteine zu putzen, die an ermordete Juden erinnern. Mehr als 100 Einzelhändler, Geschäfte und Kaufhäuser gedachten mit einer "Schaufenster-Aktion" der Opfer. Sie erinnerten mit Fensterfolien in der Optik eingeschlagener Schaufenster an die Ausschreitungen von 1938.
Am Nachmittag hatte der Bundespräsident im brandenburgischen Eberswalde den neuen Gedenkort "Wachsen mit Erinnerung" eröffnet. Der Bundespräsident sprach von einem "beindruckenden Mahnmal". Zahlreiche Menschen aus Eberswalde hatten sich in den vergangen Jahren dafür engagiert, dass auf dem ehemaligen Fundament der alten Synagoge ein ungewöhnliches Denkmal aus einer Mauer mit jüdischen Inschriften sowie wachsenden Bäumen entsteht.
Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, erinnerte daran, wie "schnell und reibungslos" eine Gesellschaft in die Barbarei abgleiten könne. Die Verfolgung der Juden habe - lange vor den Konzentrationslagern - vor der Haustür ihrer Mitbürger begonnen. "Wehret den Anfängen" - diese Mahnung sei nach wie vor aktuell.
ml/haz (dpa, rtr, KNA)