Gamescom 2023: Noch größer, noch internationaler
22. August 2023Unter dem Motto "Weltklasse Games" eröffnet die Gamescom, laut eigenen Angaben die größte Spielemesse der Welt, am Mittwoch (23.08.2023) in Köln ihre Pforten. Auf 230.000 Quadratmetern werden mehr als 1.220 Aussteller aus 63 Ländern ihre neuen Produkte zeigen. Hunderttausende Spieler und Spielerinnen werden sich geduldig in lange Schlangen einreihen, um 15 Minuten lang ein Spiel zu zocken, das in den kommenden Monaten erscheinen soll. Es wird laut und voll werden, wenn sich die internationale Spielebranche in den Kölner Messehallen trifft.
"Die Gamescom ist in diesem Jahr mehr denn je ein Abbild der weltweiten Games-Kultur: dynamisch, international, kreativ, vielfältig und riesig", schwärmt Felix Falk in einer Pressemitteilung. Er ist Geschäftsführer des Verbands der deutschen Games-Branche, der die Messe mitveranstaltet. Tatsächlich ist es gar nicht so selbstverständlich, dass die Gamescom überhaupt noch stattfindet. Die E3 (Electronic Entertainment Expo) in Los Angeles, die jahrzehntelang die wichtigste Fachmesse für Videospiele war, ist nach der Corona-bedingten Zwangspause nicht wieder zurückgekehrt.
Denn während der Pandemie erprobten viele Spieleunternehmen Live-Streams, in denen sie ihre neuen Titel vorstellten. Inzwischen haben sich Streaming-Formate wie "Nintendo Direct", "State of Play", "Xbox Games Showcase", "State of Unreal" oder "Ubisoft Forward" etabliert. Daher müssen die Hersteller und Publisher auf den Publikumsmessen gar nicht mehr zwingend Präsenz zeigen, um im Gespräch zu bleiben. Auch durch die Zusammenarbeit mit Streamern erreichen sie ihre Zielgruppen direkt - und deutlich günstiger, als wenn sie mit einer extra produzierten Demoversion und einem großen Tross rund um den Globus zu Messen anreisen. So erklärt es sich, dass große Namen wie Sony Interactive Entertainment (Playstation), Electronic Arts ("EA Sports FC 24"), Epic Games ("Fortnite"), Take Two ("Grand Theft Auto") oder Activision Blizzard ("Call of Duty") nicht auf der Gamescom vertreten sind.
Partnerland Brasilien mit fast 60 Studios vertreten
Offizielles Partnerland der diesjährigen Gamescom ist erstmals ein Land aus Lateinamerika. Brasiliens Spieleindustrie ist in den letzten Jahren stark gewachsen und konzentriert sich vor allem auf den PC- und Mobile-Games-Markt. Inzwischen haben mehr als 1000 Studios ihren Sitz in Brasilien - 2014 waren es gerade mal 133. Aktuell arbeiten rund 13.200 Menschen in der brasilianischen Spieleindustrie und produzieren zunehmend für den internationalen Markt, was dank digitaler Vertriebswege kostengünstig möglich ist.
Über die Hälfte der Studios erhält dem Brazil: Game Industry Report 2022 zufolge keine staatliche Förderung. Finanziert werden viele Spiele von den Gründerinnen und Gründern selbst, von Familienangehörigen, Freunden und einzelnen Investoren. Daher kamen bisher keine großen Spiele aus dem fünfgrößten Land der Welt. Denn so genannte AAA-Spiele, die Blockbuster der Gaming-Welt wie "Elden Ring" oder "Hogwarts Legacy", kosten in der Entwicklung mindestens 100 Millionen US-Dollar. Doch solche Budgets stehen den brasilianischen Studios bei Weitem nicht zur Verfügung. Daher entstehen dort vor allem Indie-Spiele, die oft in Pixel-Grafik oder im Comic-Stil gehalten sind. Zur Gamescom bringt die brasilianische Delegation, zu der fast 60 Studios zählen, Spiele unterschiedlichster Genres mit, darunter Horrorspiele, Rhythmusspiele, Rollenspiele, 2D-Jump&Runs und das putzige Cozy-Game "Gaucho and the Grassland", einen Farming-Simulator.
Das dürfte das deutsche Publikum freuen, denn Simulationen haben hierzulande eine treue Spielerschaft. So ist auch der "Landwirtschaft-Simulator" wieder mit einem weitläufigen Messestand mit von der Partie. Große Aussteller wie Bandai Namco Entertainment ("Armored Core 6: Fires of Rubicon", "Naruto x Boruto: Ultimate Ninja Storm Connections"), Microsoft ("Cyberpunk 2077: Phantom Liberty", "Forza Motorsport", "Immortals of Aveum", "Payday 3", "S.T.A.L.K.E.R. 2", "Starfield") oder Nintendo ("Prince of Persia: The Lost Crown") bieten einen Ausblick auf ihre kommenden Spiele an.
Indie-Games bieten Überraschungen
Indie-Spiele werden von kleinen Studios entwickelt, die unabhängig von großen Unternehmen sind. Deswegen ist ein Abstecher in die Indie Arena Booth reizvoll. Dort können die Besucherinnen und Besucher internationale Indie-Spiele ausprobieren und direkt mit den Entwicklern sprechen. Die Atmosphäre ist familiär und oft gelingt es den kleinen Spielestudios, Spielerinnen und Spieler mit kreativen Ideen zu überraschen. In der Retro-Area auf der Gamescom können Interessierte tief in die Geschichte der Videospiele eintauchen und Games aus alten Zeiten - wie "Pacman" - zelebrieren. Das Cosplay Village ist die Anlaufstelle für Cosplayerinnen und Cosplayer, und auch ein E-Sports-Turnier haben die Veranstalter angekündigt.
Am Vorabend der Gamescom-Eröffnung findet traditionell die Opening Night Live (ONL) statt, die von dem kanadischen Videospieljournalisten und Begründer der Game Awards , Geoff Keighley, moderiert wird und mit Trailer- und Gameplay-Enthüllungen sowie Entwickler-Talks aufwartet.
Vizekanzler Robert Habeck auf der Gamescom
Der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck wird die Gamescom offiziell eröffnen. Schließlich ist sein Ministerium verantwortlich für die staatliche Förderung digitaler Spiele und darüber hinaus Ausrichter des Deutschen Computerspielpreises. Die Computerspielförderung ist in Deutschland ein großes Thema, denn hierzulande hinkt die Games-Branche im Vergleich zu den USA, Kanada oder Frankreich hinterher. Es ist kein Zufall, dass AAA-Spiele nicht aus Deutschland kommen. Zwar gibt es seit 2020 eine bundesweite Förderung in Höhe von 50 Millionen Euro pro Jahr, aber dieser Betrag reicht nicht - obwohl er einmalig schon mal mit 70 Millionen Euro aufgestockt wurde. Aktuell kann keine weitere Bundesförderung beantragt werden. Hohe Lohnkosten, eine hohe Steuerlast und ein Mangel an Spieleentwicklern - knapp 12.000 Menschen arbeiten in Deutschland in der Spielebranche - erschweren es den Studios, im globalen Wettbewerb mitzuhalten.
Immerhin bietet die Gamescom den deutschen Studios eine gute Gelegenheit, ihre Spiele einem internationalen Publikum zu präsentieren. Trotz Ermangelung richtig großer Spiele aus Deutschland gibt es doch bemerkenswerte kleinere Titel, die weltweit geschätzt werden. Das Piratenabenteuer "Shadow Gambit: The Cursed Crew" von den "Desperados 3"-Machern könnte so ein Geheimtipp werden oder auch "The Darkest Files", ein Detektivspiel, in dem Naziverbrechen aufgeklärt werden müssen.