Fußballgott straft Gambias "Baby Scorpions"
25. September 2005
Wie jeder Nachwuchswettbewerb im Fußball ist auch die U17-Weltmeisterschaft in Peru ein Schaufenster in die Zukunft des Fußballs. Wer hier groß aufspielt, kann sich sicher sein in den Notizbüchern der versammelten Spielerjäger zu landen. Doch das Turnier interessiert in Peru nicht nur die professionellen Beobachter. Die Stadien sind gut gefüllt, nicht nur bei den Spielen der inzwischen ausgeschiedenen Gastgeber.
Sieg gegen den Weltmeister
Begeisterung herrscht aber nicht nur bei Peruanern und nicht nur in Peru. U17-Afrika-Meister Gambia, zum allerersten Mal überhaupt bei einem Turnier auf Weltniveau dabei, erwischte gleich am ersten Spieltag seiner Gruppe den großen Turnierfavoriten Brasilien eiskalt und gewann 3:1.
Gambia betanzte, besang und betrommelte eine ganze Nacht den Sieg. Der Himmel der Hauptstadt Banjul wurde von Feuerwerk erleuchtet. Bei den Herren steht Gambia momentan wenig ruhmreich auf Platz 137 der FIFA-Weltrangliste, die "Baby Scorpions", wie die Mannschaft genannt wird, sind dagegen der Stolz des Landes und werden umso leidenschaftlicher geliebt. Als die "Baby Scorpions" im Mai die Afrika-Meisterschaft gewannen, rief Präsident Yahya Jammeh sofort einen Nationalfeiertag aus. Vier Menschen kamen bei den ekstatischen Feiern ums Leben.
"Auf den Tag gewartet"
Der Sieg gegen Brasilien wurde sportlich noch höher bewertet. "Ich kann das gar nicht glauben", jubelte etwa Ahaji Momodu Njie, das große Fußballidol des Landes aus den 1970er Jahren. "Ich habe immer auf den Tag gewartet, an dem Gambia Brasilien schlagen würde". Der Optimismus kannte keine Grenzen mehr. "Dieses Team hat noch viel vor", sagte Pa Faye, ehemaliger Trainer der "Baby Scorpions". Hunderte machten sich in den folgenden Tagen auf dem Weg ins ferne Andenland. Eine von Gambias Präsident Yahya Jammeh gecharterte Maschine aber offensichtlich zu spät, um rechtzeitig zum zweiten Spiel am 20. September die nordperuanische Stadt Piura zu erreichen.
Der vorgetäuschte Notfall
Die Crew des "Air Rum"-Flugs mit 289 Fans an Bord wählte eine kreative Lösung: Statt wie geplant auf dem einzigen internationalen Flughafens Perus in Lima zu landen, informierte der Pilot der Tri-Star über Funk, dass er nicht genügend Sprit bis zur peruanischen Hauptstadt habe und daher in Piura "notlanden" müsse. Flughafenfeuerwehr, Polizei und Krankenhäuser wurden alarmiert. Die Maschine landete sicher - zwei Stunden vor dem Anpfiff.
Während die glücklichen Fans ins Stadion zogen und dort den 3:1 Sieg ihrer jungen Helden gegen Qatar bejubeln konnten, nahmen die peruanischen Behörden die Ermittlungen auf. Das Flugzeug wurde sichergestellt. "Sie haben die Notlandung nur vorgetäuscht", sagte ein Mitglied des Organisationskomitees der Nachrichtenagentur Reuters.
Nicht enden wollende Musik
Die afrikanischen Schlachtenbummler blieben natürlich auch noch für das dritte und entscheidende Gruppenspiel gegen Holland am Samstag (24.9.) - für das sie diesmal regulär nachnLima geflogen waren. Hunderte gambischer Fans waren im Nationalstadion und sogar der offizielle Spielbericht der FIFA berichtet von der "nicht enden wollenden Musik von der afrikanischen Tribüne."
Das eine Tor und der Elfmeter
Der Fußballgott bestrafte die Gambier jedoch bitter für den getürkten Notfall: Die "Baby Scorpions" verloren 0:2, verschossen kurz vor Schluss einen Elfmeter - um dann wegen der um einen Treffer schlechteren Tordifferenz auszuscheiden.
"Unser Volk muss stolz auf uns sein, aufgrund der Art und Weise, wie wir bei unserer ersten WM-Teilnahme gespielt haben. Sie sollten nicht zu traurig sein", sagte Gambias Trainer Fred Osam Duodu. Wahrscheinlich wird es die Fans trösten, dass wenn die "Baby Scorpions" einmal ausgewachsen sind, Gambia sicher nicht mehr nur auf Platz 137 stehen wird. Und ganz nach vorne in die Notizbücher der europäischen Spielervermittler dürften sie es ohnehin schon geschafft haben. (sams)