Frauen im Senegal: kämpfen und bewahren
7. März 2019Die Sonne brennt heiß am Strand von Ndiébène Gandiol, im Westen Senegals. Almata Diagne und vier ihrer sechs Kinder suchen in einem Zelt Schutz vor der sengenden Sonne. Magat, die älteste Tochter der Familie, hilft ihrer Mutter dabei, Fisch in einen Eimer zu schichten. Sie haben den Fang gerade von einem Zwischenhändler gekauft. Magat trägt dabei ihre jüngste Schwester, sie ist gerade vier Monate alt, in einem Tuch auf dem Rücken. Den Fisch werden sie später auf dem Markt in Saint-Louis verkaufen, der nächstgrößeren Stadt.
Durch den Verkauf verdient Almata Diagne im Durchschnitt 10 Euro am Tag. Das Geld füllt den Geldbeutel der Familie, zusätzlich zu dem Geld, das ihr Ehemann Babacar Jo jeden Monat aus Spanien überweist. Schon 2006 ist er als Arbeitsmigrant nach Europa gegangen. Damals waren Almata und er noch nicht Mann und Frau. Geheiratet haben sie erst bei einem seiner späteren Besuche. Doch die Eheleute sehen sich nur selten.
Babacar Jo verbringt den Großteil des Jahres in Spanien. Mit dem Geld, das er dort verdient, unterstützt er nicht nur diese eine Familie, sondern auch noch eine zweite Ehefrau und deren Kinder sowie seine Eltern.
"Alle zwei bis drei Monate bekommen wir 30.000 CFA-Francs (fast 46 Euro) von ihm", sagt Almata. Sie fügt hinzu, dass es nicht leicht für ihn sei, sie alle zu unterstützen. Und dass sie sich nicht ganz allein auf ihn verlassen könne.
"Es ist Tradition im Senegal, dass man Familienmitglieder unterstützt. Man muss der Mutter Geld geben oder der Schwester. Das gilt selbst dann, wenn sie es gar nicht brauchen. Aber die Tradition muss erfüllt werden, denn die Bande zur Ursprungsfamilie sind noch enger als die zur Ehefrau", sagt der Soziologe Oumoul Khaïry Coulibaly-Tandian. Er hat eine Studie mitverfasst, bei der es um den Zusammenhang von Arbeitsmigration und Umweltveränderungen im Senegal geht.
"Die Frauen in den ländlichen Gebieten wissen, dass sie arbeiten müssen und dass sie nicht einfach auf das Geld, das von ihren Ehemännern kommt, warten können", so Oumoul.
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Die große Leere
"Wenn man heute einen Brunnen gräbt, ist es sehr schwierig überhaupt noch an frisches Wasser zu kommen", sagt Arona Fall. Der Klimawandel sei offensichtlich. "Früher gehörte zu unserem Ort ein Fluss. Heute hat sich der Ozean den Fluss einverleibt, weil der Meeresspiegel gestiegen ist", so der Angestellte eines nahe gelegenen Nationalparks.
Dass das Wasser heute höher steht, sieht man auch an den Hütten in Ndiébène Gandiol. Die Hütten sind leer, weil ihre Bewohner zum Geldverdienen nach Europa gezogen sind. Auch die Boote der Fischer bleiben verwaist, an ihnen arbeitet sich nun das Meer ab. Es gibt nicht mehr genug Fisch für alle, sagen die, die daheim geblieben sind.
Einige von ihnen machen die steigenden Temperaturen für das Verschwinden der Fische verantwortlich. Sie sagen, dass die Tiere nach Norden gezogen seien, wo das Wasser kühler ist. Andere schreiben die Leere dem kommerziellen Fischfang zu, der hier stattfindet, manchmal auch illegal.
Ohne Fisch fehlt den Menschen in der Region nicht nur das Einkommen, sondern auch ein wichtiger Bestandteil in ihrer Nahrung. Denn Fisch ist für sie die Hauptquelle für Protein. 80 Prozent des Fischbestandes soll, Messungen zufolge, in einigen Gebieten inzwischen verschwunden sein. Doch nicht nur vom Wasser her droht eine weitere Verknappung der Nahrungsmittel. Die Wüste schiebt sich von der anderen Seite her immer weiter auf die Dörfer zu. Viel mehr als Zwiebeln und Möhren wächst nicht mehr auf den Feldern.
"Ich will unbedingt zurückkommen", sagt Mamadou Diakhate, während er seine Frau und die beiden Kindern besucht. Auch ihm gehörte einmal eines der Fischerboote am Strand. Wie viele andere ging auch er nach Europa, nachdem sein Heimatland einen Vertrag mit Spanien geschlossen hatte, laut dem Einwanderer legal hier arbeiten dürfen.
Wer nicht nach Spanien ging, suchte sein Heil in anderen afrikanischen Ländern.
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Sehr wenige Wahlmöglichkeiten
Die Fischindustrie ist auch in Thiaroye sur le Mer, einem Vorort der Hauptstadt Dakar, zusammengebrochen. "Wir sind auf die Fischerei angewiesen", sagt Yayi Bayam Diouf. Auch sie lebte von der Industrie. Nachdem ihr Sohn bei dem Versuch nach Europa zu gelangen, in den Fluten ums Leben kam, gründete sie die das Collective of Women for the Fight Against Illegal Migration in Senegal. Die Initiative unterstützt Frauen mit Mikrokrediten und Schulungen, wenn ihre Angehörigen das Land verlassen haben.
Die Frauen lernen Seife herzustellen oder wie man Obst haltbar macht, um es zu verkaufen. Auf diese Weise schaffen sie sich ein eigenes Einkommen und werden unabhängiger von ihren Männern.
Neben der Arbeit mit den daheimgebliebenen Frauen versucht Yayi Bayam Diouf auch diejenigen zurückzuhalten, die sich auf die gefährliche Reise über das Wasser machen wollen.
"Ich sage ihnen, wie es ist. Dass sich sehr oft acht Personen ein Zimmer teilen müssen, dass sie keine Papiere haben und dass kaum jemand ihre Sprache spricht", erklärt sie und zeigt auf, welche Alternativen die Ausreisewilligen stattdessen haben. "Mit dem Geld, das sie brauchen, um überhaupt nach Europa zu kommen, könnten sie auch hier im Senegal ein eigenes kleines Geschäft gründen", so Diouf.
Gründen funktioniert sicher für einige, aber nicht für alle Senegalesen.
Forscher der University of British Columbia prognostizieren, dass Millionen Menschen weltweit ihre Lebensgrundlage durch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Fischpopulationen verlieren werden. Sie rechnen mit Wanderungsbewegungen, sollten die Temperaturen um mehr als die 1,5 Grad Celsius, die im Pariser Klimaschutzabkommen als Schwelle festgeschrieben sind, übersteigen.
Senegal - für nachfolgende Generationen
Almata Diagne und ihre Tochter haben die Fische inzwischen für den Transport zum Markt vorbereitet. Manchmal verkaufen sie auch Muscheln, die Almata mit Frauen aus den umliegenden Dörfern sucht. Die Muscheln werden durch das ansteigende Wasser ins Landesinnere gespült. Drei Euro bringt ein Kilogramm der Meeresfrüchte.
Bevor sie sich aber zum Markt aufmachen kann, ist eine Pause nötig. Die Mittagshitze ist unerträglich geworden. Magat holt Wasser für alle. Sie hat vor ein paar Jahren schon die Schule verlassen, um sich um ihre jüngeren Geschwister kümmern zu können.
Die Zukunft mag unsicher sein, sagt ihre Mutter. Trotzdem hoffe sie, dass auch die kommenden Generationen ihre Chancen bekommen werden. "Die Arbeit, die ich hier mache, ist ziemlich hart. Ich will nicht, dass meine Kinder genauso arbeiten müssen. Sie sollen in die Schule gehen und erfolgreich sein dürfen." Dann ist Magat zurück. Alle trinken und ruhen sich kurz aus. Dann macht sich Almata mit dem 20 Kilogramm schweren Fisch-Eimer auf dem Kopf und ihren Kindern auf den Weg zum Markt.
Afrikas Kampf gegen den Klimawandel in Bildern