Die Affäre Kabuye
12. November 2008Am Sonntag (9.11.2008) wurde Rose Kabuye, die Protokollchefin von Präsident Paul Kagame, am Frankfurter Flughafen von Bundesgrenzschutzbeamten abgeführt. 1994 soll sie gemeinsam mit acht weiteren engen Vertrauten des Tutsi Kagame am Abschuss des Flugzeugs von Juvénal Habyarimana beteiligt gewesen sein. Der Tod des damaligen ruandischen Präsidenten (er selbst war Hutu) hatte den Völkermord an 800.000 Tutsi und gemäßigten Hutu ausgelöst. Viele Historiker glauben, dass militante Hutu den Anschlag verübt haben. Sie hätten einen Vorwand für den Völkermord an den Tutsi gebraucht. Frankreichs Justiz sieht das anders. Sogar Präsident Kagame selbst sei in das Attentat verwickelt, glaubt der französische Richter Jean-Louis Brugière, der die neun Haftbefehle vor zwei Jahren erlassen hat. Der Haftbefehl gegen Rose Kabuye ist der erste, der vollstreckt wurde. Die Amtshandlung lastet schwer auf den deutsch-ruandischen Beziehungen: Ruanda hat den deutschen Botschafter in Kigali gebeten, das Land zu verlassen und seinen eigenen Botschafter zurück nach Ruanda beordert.
"Arrogantes Verhalten"
"Solche Aktionen sind einfach arrogant. Die Leute denken sie können das Gesetz selbst machen", kritisiert Kagame die Verhaftung von Rose Kabuye. Deutschland sei aber gesetzlich gezwungen gewesen einzugreifen, sagt der Jurist Gerd Hankel vom Hamburger Institut für Sozialforschung. "Hier die Augen zu verschließen, hätte einen immensen Nachteil für das deutsche Rechtssystem gehabt". Außerdem hätten die deutschen Behörden Ruanda mehrmals gewarnt, dass sie in einem solchen Fall verpflichtet seien zu handeln, erklärt Hankel. Solch ein Fall – damit ist die private Einreise nach Deutschland gemeint, wenn ein internationaler Haftbefehl vorliegt. Kagame dagegen pocht auf die diplomatische Immunität seiner Protokollchefin. Sie sei in offizieller Mission als Diplomatin nach Deutschland gereist, so der Präsident. In Kigali demonstrieren seit Kabuyes Verhaftung immer wieder Ruander vor der deutschen Botschaft.
Politisches Kräftemessen?
Umstritten ist aber neben der Vollstreckung des Haftbefehls durch Deutschland viel mehr noch der französische Haftbefehl selbst. Die Beziehungen zwischen Kagame und Frankreich waren noch nie gut. In einem ruandischen Untersuchungsbericht bezichtigte Ruanda Frankreich im Sommer dieses Jahres der aktiven Mithilfe am Völkermord. Dabei wurden namentlich Präsident François Mitterrand, sein Kabinettsdirektor Dominique de Villepin und Außenminister Alain Juppé genannt. Schon lange vor dem Bericht waren immer wieder Vorwürfe in diese Richtung gegen Frankreich laut geworden. Viele Beobachter vermuten hinter der französischen Behauptung, Kagame und seine Mitarbeiter steckten hinter dem Anschlag auf Ruandas Ex-Präsidenten, politische Gründe. "Das ist die große Frage: Was ist an den Vorwürfen dran? Oder ist das nur eine Retourkutsche der Franzosen, um ihre eigene Verantwortlichkeit an dem Völkermord zu vertuschen?", sagt Gerd Hankel.
Ungerechte Justiz der Mächtigen
Der Völkerrechtler Norman Paech sieht die französischen Haftbefehle grundsätzlich kritisch. Frankreich kann zwar einen Haftbefehl gegen die Ruander erlassen, weil bei dem Anschlag auf das Flugzeug von Habyarimana zwei Franzosen ums Leben gekommen sind. Paech aber glaubt, dass bei der Anwendung der so genannten universellen Strafgerichtsbarkeit mit unterschiedlichem Maß gemessen wird. "Justizaktionen gegenüber afrikanischen Bürgern, die zum Teil hoch bis zu Staatspräsidenten gehen, können den Charakter einer sehr einseitigen Justizverfolgung haben, weil gegen Kriegsverbrecher in Ländern wie den USA ganz anders, beziehungsweise gar nicht vorgegangen wird", sagt Paech.
Er unterstützt die Forderung der Afrikanischen Union, ein Moratorium für die Vollstreckung von derartigen Haftbefehlen zu verhängen, bis alle rechtlichen und politischen Fragen zwischen AU, EU und UN geklärt seien. "Ich halte es für schwierig, dass sich alte Kolonialmächte plötzlich zu Gerichten über Menschen aus den alten Kolonialgebieten aufschwingen", sagt der Jurist. Seine Lösung: Ausschließlich der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sollte sich mit Fällen des Völkerstrafrechts beschäftigen. Nur so könne man vermeiden, dass Straftäter aus politisch mächtigen Ländern anders behandelt würden, als solche aus Staaten mit wenig politischem Einfluss.
Rose Kabuye allerdings wird wohl kaum in Den Haag vor Gericht gestellt. Sie wird so schnell wie möglich an die französische Justiz ausgeliefert. Übrigens auf eigenen Wunsch. Kabuye will endlich mit den Vorwürfen gegen sie aufräumen, vermuten viele Beobachter.