Forscher darf Mensch-Tier-Chimären züchten
31. Juli 2019Es geht um Organe. Um Ersatzorgane, von denen es viel zu wenige gibt. Für Menschen, deren Bauchspeicheldrüse, Leber, Nieren nicht mehr funktionieren. Tiernieren funktionieren nicht, das Ding aus fremden Zellen würde nach einer Transplantation sofort abgestoßen.
Deswegen ist die Idee, der viele Forscher überall auf der Welt seit mehr als drei Jahrzehnten hinterherjagen, erst einmal smart.
Ein bisschen dies, ein bisschen das
Sie vermischen Embryonen zweier Arten. Und heraus kommt eine Chimäre. Ein Mischwesen. Bei so einer Chimäre vermischt sich das Erbgut jedoch nicht. Die Zellen beider Arten wachsen genetisch voneinander getrennt heran. Dadurch können beispielsweise die Chimären-Organe von der einen Art stammen, die Hülle aber von der anderen Art.
Ein Beispiel: Schon 1984 gelang es Forschern, eine Chimäre aus Ziege und Schaf zu erzeugen. Einige Organe dieser "Schiege" waren Schaforgane, andere Ziegenorgane. Auch äußerlich war das Tier eine Mischung aus Ziege und Schaf. Und sogar das Verhalten war mal so, mal so.
Im Verhalten, so erzählt Steen Willadsen, der Erzeuger der ersten "Schiege", glich das Tier eher einer Ziege, es bevorzugte aber die Gesellschaft von Schafen.
2010: erster Durchbruch
Solche Versuche gab es immer wieder. In den USA, Israel, China, Großbritannien und Japan. Dann, 2010, gelang es dem Japaner Hiromitsu Nakauchi ein Coup. Er ließ in Mäuseembryonen, denen das Gen für die Ausbildung der Bauchspeicheldrüse fehlte, eine Bauchspeicheldrüse aus Rattenstammzellen wachsen.
Die Mäuse, die ohne das Organ gestorben wären, überlebten dank der Ratten-Bauchspeicheldrüse.
2017 konnte Nakauchi in Rattenembryonen Maus-Bauspeicheldrüsen züchten. Diese setzte er Diabetes-kranken Mäusen ein und heilte sie. Das gleiche klappte auch mit Nieren.
Als nächstes der Mensch?
Und jetzt der nächste Schritt: Nakauchi möchte seine Versuche auch mit menschlichen Zellen durchführen. Bisher wurden zwar in einigen Ländern tierische Embryos mit menschlichen Zellen hergestellt, aber nie ausgetragen.
Das soll sich nun ändern. Dafür änderte die japanische Regierung die bisherige Regelung, die verbot, Chimären länger als bis zum 14. Tag der Embryonalentwicklung heranwachsen zu lassen.
Nakauchi plant jedoch erst einmal, Mäuse-Ratten- und Schweine-Embryos mit menschlichen Zellen möglichst lange heranwachsen zu lassen. Bis auf weiteres sei nicht geplant, die Chimären auch auszutragen. Nakauchis Ziel ist es, Chimären zu züchten, bei denen einzelne Organe ausschließlich aus menschlichen Zellen bestehen. Diese könnten als Ersatzorgan für kranke Menschen dienen, mit dem großen Vorteil nicht abgestoßen zu werden.
Weitergedacht: Doch was wäre wenn…?
All das klingt spannend und zum Wohle des Menschen. Doch die Forschung ist sehr umstritten. In Deutschland ist sie durch das Embryonenschutzgesetz verboten.
Auch weil die Chimären-Technik Grenzen verschwimmen lässt. Sie macht Mischwesen, auch Halb-und-Halb-Wesen möglich. Bei einer Schwein-Mensch-Chimäre - wo würde das Tier aufhören, wann der Mensch beginnen?
"Was, wenn die Chimäre sprechen würde, wenn sie denken würde?", fragte Genetiker Martin Bobrow von der Cambridge Universität schon im Jahr 2009. "Oder wenn es in einer menschlichen Art und Weise bewusst ist? Dann spielen wir in einer komplett anderen Liga."