Fischkonsum fördert Hunger
11. Januar 2017Nach einer Studie der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) ist die Lebensgrundlage von vielen Menschen in ärmeren Ländern bedroht. Im Jahr 2050 könnten sich rund 800 Millionen Menschen das Grundnahrungsmittel Fisch nicht mehr leisten, heißt es in der Studie, die von der EU finanziell unterstützt wurde. Statt den Fisch wie bisher vor den Küsten zu fangen und zu essen, würde der Fisch exportiert.
Der Konsum von Fisch wird weltweit zunehmend zu einer Gerechtigkeitsfrage: "Wir Konsumenten sind verantwortlich, wenn wir den Fisch essen, der den Menschen im globalen Süden als Grundnahrungsmittel fehlt: Die einen brauchen den Fisch zum Überleben, die anderen können ihn sich leisten", erklärt Fischereiexpertin Karoline Schacht vom WWF, die in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Kiel die Studie "Überfischt und Unterversorgt" erstellte. "Wir fischen dem globalen Süden die Proteine weg, die wir gar nicht benötigen."
Wer bekommt den Fisch?
Zwar ließen sich weltweit auch 10 Milliarden Menschen mit ausreichender Nahrung versorgen, doch Hunger sei vor allem ein Verteilungsproblem. Heute hungern etwa eine Million Menschen jeden Tag. "Was in einigen Regionen fehlt, wird in anderen sinnlos verschwendet. Weltweit landen etwa 30 bis 40 Prozent aller Nahrungsmittel auf dem Müll", so das Fazit der Autoren. "Eine Ausweitung der Anbauflächen für die Produktion von Grundnahrungsmitteln scheint kaum noch möglich, sondern stößt in vielen Bereichen an ihre Grenzen oder hat sie bereits überschritten", heißt es in dem Bericht.
Beim Fisch sind nach Ansicht der Autoren Interessenkonflikte schon heute sichtbar. Ohne ein besseres Management der Fischbestände, politische Maßnahmen und ein Umdenken bei den Konsumenten würden diese weiter verschärft.
Für die globale Ernährungssicherung spielt Fisch heute eine sehr wichtige Rolle. Für über 3,1 Milliarden Menschen liefert er mindestens 20 Prozent des tierischen Eiweißes. Fisch ist vor allem eine wichtige Quelle von Fettsäuren und Spurenelementen. Doch der Zustand der weltweiten Fischbestände ist besorgniserregend: Von den wissenschaftlich erfassten Beständen gelten 31 Prozent als überfischt und weitere 58 Prozent als maximal befischt. Deshalb stagniere nach Angaben der Autoren der weltweit Fang seit drei Jahrzehnten bei rund 100 Millionen Tonnen pro Jahr.
Da auch vor Europas Küsten die Fischbestände stark abgenommen haben, wird für Europas Versorgung schon die Hälfte des Fischs importiert. "So kann es nicht weiter gehen", warnt Schacht.
Welche Lösungen gibt es?
Die Studie zeigt auch Lösungsmöglichkeiten auf. Nach Berechnungen der Wissenschaftler könnte der globale Fischertrag sogar um 35 Prozent gesteigert werden, wenn ein nachhaltiges Management in allen Fischereien verankert wird. Dann könnten sich die Fischbestände erholen. Illegale Fischerei muss dazu massiv eingeschränkt werden. "Voraussetzung für höhere Fänge ist eine ganzheitliche Betrachtung des Ökosystems Meer, das gesunde Fischbestände zum Ziel erklärt, und ein Fischerei-Management, dass seine Regeln mit Nachdruck durchsetzt", so Schacht.
Für die Erholung der Meere, eine gerechte Verteilung der Fischfänge, die die Ernährungssicherheit ärmer Menschen nicht bedroht, ist nach Ansicht des WWF aber vor allem aber auch die Politik gefragt: In Europa sollten die Regierungen dafür sorgen, dass die Fischbestände in den eigenen Gewässern sich erholen können, um die Importabhängigkeit des europäischen Marktes zu verringern. Europa importiert derzeit knapp ein Fünftel des weltweit gehandelten Fisches.
An die Verbraucher in Europa appelliert der WWF, Fisch als Delikatesse und nicht als alltägliches Konsumgut zu betrachten. Sie sollten möglichst nur Fisch kaufen, der vor den eigenen Küsten gefangen wird oder aus nachhaltigen heimischen Süßwasserzuchtanlagen stammt.