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Filmdoku "Nawalny" porträtiert den Putin-Widersacher

4. Mai 2022

Alexej Nawalny wurde gefeiert wie ein Popstar, weil er sich dem System Putin entgegenstellte. Das kostete ihn fast das Leben. Regisseur Daniel Roher hat dem Russen ein filmisches Denkmal gesetzt.

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Nawalny sitzt an einem Tisch und schaut in die Kamera.
Berühmter Kremlkritiker: Alexej Nawalny Bild: DOK.fest München

Es ist fast gespenstisch, dass man sich während des Films in eine andere Zeit zurückwünscht. In eine Zeit vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Eine Zeit, in der der russische Präsident Wladimir Putin von der Welt zwar als knallharter Machthaber wahrgenommen wurde, der Menschenrechtlern, Regierungskritikern und Oppositionellen den Mund verbietet und auch vor Mord nicht zurückschreckt - von dem jedoch kaum jemand dachte, dass er einen brutalen Angriffskrieg auf ein Nachbarland führen würde.

Die Zeiten haben sich geändert - und die Welt sieht, zu welchen Taten der Kremlchef wirklich fähig ist. Hätte Alexej Nawalny dies geahnt, wäre er nach dem Giftanschlag, den er nur knapp überlebt hat, vielleicht nicht nach Moskau zurückgekehrt, in gutem Glauben an seine Rechte und an seine weltweite Popularität.

Nawalny im Gang des Flugzeugs hebt grüßend die Hand, während ihn die anderen Passagiere mit Handys filmen.
Nawalny auf seinem Rückflug nach Moskau am 17. Januar 2021Bild: DOK.fest München

Ein Oppositioneller als TikTok-Star

Der kanadische Regisseur Daniel Roher hat Alexej Nawalny während seines Aufenthaltes in Deutschland begleitet und interviewt. Sein Dokumentarfilm zeigt - zunächst mit älteren Archiv- und Privataufnahmen - Nawalny, der in Russland die Massen mobilisiert, der sich als ernstzunehmender Oppositioneller und Regimekritiker Gehör verschafft und wie er zum Social-Media-Star wird. Schließlich entwickelt sich Nawalny zu Putins schärfstem Kritiker und Widersacher und wird vom Kremlchef so sehr gehasst, dass dieser nicht einmal seinen Namen in den Mund nehmen will. Die Doku zeigt, wie Nawalny immer wieder abgeführt und ihm Gewalt angetan wird. Die Fortsetzung ist bekannt: Nawalny endet 2020 auf einer Trage nach einem Giftanschlag, wird aus einem Flugzeug getragen und in ein Moskauer Krankenhaus eingeliefert.

"Geheimes Killerteam" verfolgt Nawalny

Die Familie erwirkt, dass die Berliner Charité Nawalny behandelt, wo er zunächst im Koma liegt. Als er - kaum aus dem Koma erwacht - von seiner Vergiftung hört, lacht er und sagt, so dumm könne selbst der Kreml nicht sein.

Zwei junge Männer machen ein Selfie mit Nawalny.
Selfie mit Nawalny - der Kremlkritiker war auch ein Social-Media-StarBild: DOK.fest München

Daniel Roher ist dann selbst mit seinem Kameramann dabei, als Nawalny mitsamt seiner Familie in den Schwarzwald zieht, wo er sich langsam von dem Anschlag erholt und währenddessen mit dem bulgarischen Datenjournalist Christo Grozev vom Investigativnetzwerk "Bellingcat" in Kontakt kommt. Der zeigt ihm anhand gekaufter Daten, dass er auf seiner Reise nach Sibirien, wo ihn der Giftanschlag ereilt hat, nicht alleine war, sondern dass sich zur selben Zeit ein Spezialkommando des russischen Geheimdienstes, ein "geheimes Killerteam vom FSB", an seine Fersen gehaftet hatte.

Spannend erzählt wie ein Agententhriller

Und dann wird der ohnehin fesselnde Dokumentarfilm spannender als ein Agententhriller. Mit fingierten Telefonaten gelingt es Nawalnys Team, einen der Täter zum Reden zu bringen - so decken sie das Mordkomplott auf und strafen Wladimir Putin, der einen Auftragsmord an Nawalny stets geleugnet hat, Lügen.

Filmstill aus dem Film "NAWALNY". Nawalny sitzt vor einem Laptop und guckt konzentriert, eine Frau neben ihm filmt ihn mit einer Handykamera und schaut ungläubig.
Der Moment, in dem sich ein Geheimdienstler verrätBild: DOK.fest München

Nawalny fühlt sich so sicher, dass er tatsächlich im Januar 2021 in seine Heimat zurückkehrt.

Am Flughafen wird er vor den Augen der Welt verhaftet und abgeführt. Seitdem steht er  wegen absurdester Anschuldigungen vor Gericht. Erst im März wurde seine zweieinhalbjährige Lagerhaftstrafe um weitere neun Jahre verlängert, und zwar unter besonders harten Bedingungen - wegen "Betrugs in besonders großem Ausmaß" und der "Missachtung des Gerichts".

Daniel Roher hat bereits 2019 mit seiner Musik-Dokumentation "Once Were Brothers: Robbie Robertson and the Band" für Aufsehen gesorgt. Dort erzählt er die Geschichte der Begleitband von Bob Dylan, die zu einer der einflussreichsten Gruppen ihrer Zeit avancierte.

Roher will in seinen Filmen große Geschichten erzählen, um ein weltweites Publikum zu erreichen. Das gelingt ihm auch mit "Nawalny", der bereits auf dem Sundance Festival gezeigt wurde, am Mittwoch, dem 4. Mai das DOK.fest München eröffnet, und einen Tag später in die Kinos kommt. Der Film handelt nicht nur vom unerschütterlichen Mut und Optimismus des Alexej Nawalny, sondern auch von den brutalen Mechanismen des Systems Putin, die sich schon lange vor dem Angriff auf die Ukraine zeigten.

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online