Abschied des Mythos
19. Februar 2008Fidel Castro wollte die Ungerechtigkeiten in seiner Heimat beseitigen, als er Anfang der 1950er-Jahre Revolutionär wurde. Er versprach, Wohlstand für alle zu schaffen. Die Ungerechtigkeiten hat der Máximo Líder bekämpft, den Wohlstand aber beseitigt. Fast alle Kubaner sind gleich arm geworden. Der Durchschnittsverdienst auf der Karibikinsel liegt bei 20 bis 30 Dollar im Monat.
Vater aller Kubaner
Dennoch ist Fidel Castro in den Jahren seiner Herrschaft zu einem Übervater der Kubaner geworden. Für seine Verehrer ist er eine Persönlichkeit, die ein Volk nur einmal in Jahrhunderten hervorbringt. Unvorstellbar für viele, dass er eines Tages nicht mehr da sein würde. "Alles, was wir wollen, ist, dass Fidel Präsident und Kuba sozialistisch bleibt", sagte vor wenigen Tagen ein junger Mann auf der Straße in Havanna. Für seine Gegner war er dagegen ein Diktator, der sein Volk an den Bettelstab brachte.
Die Mehrheit der Menschen auf der Karibikinsel unweit der Südspitze des US-Bundesstaates Florida hat keinen anderen Politiker erlebt. Castro hielt die Insel stets in einem revolutionären Ausnahmezustand: Vom Sturz seines Vorgängers Fulgencio Batista, dem Widerstand gegen die Hegemonie der USA - einschließlich US-Handelsembargo - über den revolutionären Kampf an der Zuckerrohrfront bis zur Bekämpfung des Energiemangels.
Ein Leben im Fadenkreuz der USA
Die leidenschaftliche Feindschaft zwischen ihm und den USA verschwand nie. "Ich bin wirklich glücklich, die 80 zu erreichen. Ich habe das nie erwartet, vor allem weil ich einen Nachbarn habe - die größte Macht der Welt -, die täglich versucht, mich umzubringen", sagte Castro noch kurz vor der Machtübergabe. 600 Attentatspläne hätten der US-Geheimdienst CIA und kubanische Exilanten aus Miami gegen ihn geschmiedet. Tatsächlich belegen Dokumente der US-Regierung, dass die Agenten Mafiosi auf den Revolutionsführer ansetzten.
Schließlich hatte Castro in einem Bürgerkrieg 1959 den von der Regierung in Washington unterstützten Diktator Fulgencio Batista gestürzt. Dann enteignete er Unternehmen aus den USA und von wohlhabenden Kubanern und schloss später eine Allianz mit der Sowjetunion. Die stationierte 1962 kurzzeitig Atomraketen auf Kuba und löste so eine Krise mit den USA aus, die fast zu einem Krieg führte. Kuba wurde der westlichste Außenposten des Kommunismus - 145 Kilometer von Florida entfernt.
Sowjet-Satellit oder gleichwertiger Partner?
Die Abhängigkeit von der kommunistischen Großmacht Sowjetunion bis zu deren Zusammenbruch hatte Castro dabei in Kauf genommen. Im Weltreich des Kremls war Kuba ein herausragender Frontposten des Kalten Krieges zur Beobachtung und Bedrohung des Feindeslandes. Der Zusammenbruch der Sowjetunion traf Castro und Kuba schwer. Die Insel stand in den 1990er-Jahren am Rande des Abgrundes. Das hat er vor kurzem selbst noch einmal in einer seiner "Reflexionen" beschrieben.
Notgedrungen ließ er eine Annäherung an die Europäische Union zu. Doch die Liaison mit den Europäern war stets belastet, weil diese auf eine Demokratisierung Kubas drängten. Außerdem erschwerten verschärfte Embargogesetze der USA den Handel von Drittstaaten mit Kuba. Kritiker ließ Castro stets als Handlanger der USA einsperren.
Neue Allianzen
An die Stelle der Sowjetunion als engster Verbündeter trat später Venezuela, dessen Politik sich unter Präsident Hugo Chávez gegen Washington richtete. Gemeinsam mit diesem bedeutenden Ölproduzenten begann Castro, an einer lateinamerikanischen Front gegen die USA zu zimmern. Venezuela zahlt mit Öl-Dollars, Kuba steuert Ärzte, Lehrer und die Erfahrungen des ewigen Revolutionärs bei.
Ein Leben für die Revolution
Fidel Castro wurde am 13. August 1926 als Sohn eines spanischen Einwanderers in den ostkubanischen Städtchen Birán unweit von Santiago geboren. Nach dem Besuch einer Jesuitenschule studierte er an der Universität Havanna Jura, wurde dann aber Revolutionär. Der erste Versuch, 1953 einen Volksaufstand auszulösen, scheiterte. Er kam kurz in Haft und ging nach Mexiko ins Exil. 1959 kehrte er nach Kuba zurück und stürzte den verhassten Diktator Batista. Demokratischen Wahlen hat sich Castro nie gestellt. (leix)