1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

FDP redet sich stärker, als sie ist

Marcel Fürstenau10. März 2013

Auf ihrem Bundesparteitag haben die Liberalen ihre Personalquerelen beendet. Doch der Burgfrieden ist brüchig, denn die Umfragewerte sind noch immer im Keller.

https://p.dw.com/p/17uZM
FDP-Chef Philipp Rösler mit beschwörender Geste während seiner Rede auf dem Bundesparteitag 2013 in Berlin. REUTERS/Fabrizio Bensch (GERMANY - Tags: POLITICS)
Bild: Reuters

Die FDP hat auf ihrem Parteitag in Berlin die Bundestagswahl am 22. September zur "Richtungswahl" erklärt: Fortsetzung der konservativ-liberalen Regierungskoalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel oder ein Bündnis aus Sozialdemokraten und Grünen - vor dieser Alternative steht Deutschland aus Sicht der FDP. Zwei Tage stimmten sich die rund 660 Delegierten auf den Bundestagswahlkampf ein. Höhepunkte waren die Wiederwahl des lange umstrittenen Partei-Vorsitzenden Philipp Rösler und die per Akklamation erfolgte Kür von Fraktionschef Rainer Brüderle zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.

Mit ihrer Doppelspitze glauben die Liberalen, verlorenes Vertrauen zurückgewinnen zu können. Von dem fulminanten Triumph bei der Bundestagswahl 2009 ist wenig übrig geblieben. Knapp 15 Prozent erhielt die FDP damals. Nach elf Jahren in der Opposition kehrte sie mit fünf Ministern zurück auf die Regierungsbank. An der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel ging es allerdings kontinuierlich bergab. Zentrale Wahlversprechen wie spürbare Steuersenkungen blieben unerfüllt. Zahlreiche Wahlschlappen auf Landesebene schürten Existenzängste, die bei aktuellen bundesweiten Umfragewerten von bestenfalls fünf Prozent noch zunehmen.

Aufbruchstimmung könnte Strohfeuer sein

Vor diesem Hintergrund wird sich noch erweisen müssen, ob die auf dem Bundesparteitag zu spürende Aufbruchstimmung mehr als ein Strohfeuer oder gar nur Teil einer Inszenierung ist. Zu frisch sind die Erinnerungen an parteiinterne Auseinandersetzungen, denen Partei-Chef Philipp Rösler noch im Januar zum Opfer zu fallen schien. Anfang des Jahres rechneten nicht nur die professionellen Meinungsforscher mit einem Scheitern der FDP bei der Wahl im Bundesland Niedersachsen. Auch parteiintern stellten sich alle auf ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde ein, was den erneuten Einzug in den Landtag in Hannover verhindert hätte. Deshalb drängte Bundestagsfraktionschef Brüderle auf ein Vorziehen des ursprünglich für Anfang Mai geplanten Parteitags.

Fraktionschef Rainer Brüderle gestikulierend während seiner Rede auf dem Bundesparteitag Foto: Tobias Schwarz
Mit pathetischen Worte: FDP-Fraktionschef Brüderle befeuerte mit einer 80-minütigen Rede den WahlkampfBild: Reuters

Insgeheim hatte sich die FDP schon auf eine Übergangslösung mit Brüderle als Parteichef eingestellt. Nach dem geradezu sensationellen 9,9-Prozent-Ergebnis in Niedersachsen will es der 67-Jährige nun in einer Doppelspitze mit Rösler richten. "Der 22. September ist Freiheitstag in Deutschland", prophezeite Brüderle mit pathetischen Worten einen Sieg bei der Bundestagswahl. "Die Chance für uns ist da, wir wollen sie nutzen." In Wirklichkeit wären die Meisten in der FDP wohl schon froh, überhaupt wieder in den Bundestag einzuziehen.

Manche träumen aber auch von einer Fortsetzung der christlich-liberalen Koalition und klammern sich an die jüngsten Erfolge bei Landtagswahlen. Außer in Niedersachsen war die FDP schon in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein mit über acht Prozent unerwartet erfolgreich. Auf den Bundestrend haben sich diese Ergebnisse allerdings nicht ausgewirkt. Und deshalb wird selbstverständlich darüber spekuliert, was es im Falle einer Niederlage bei der Bundestagswahl weitergehen könnte.

Sollte die FDP aus dem Parlament fliegen, käme es zum großen Schnitt. Dann hätte der 67-jährige Brüderle keine Zukunft mehr, aber auch die Tage des gerade 40 Jahre alt gewordenen Röslers wären gezählt. Interessant wird es aber auch dann, sollten die Liberalen ihr Bündnis mit Merkels Konservativen fortsetzen können. Fünf Ministerposten dürften es kaum mehr sein, dafür müsste die FDP ihr Topergebnis aus dem Herbst 2009 wiederholen. Stellt sich also die Frage, wer bei vielleicht drei Ministerien zum Zuge kommen könnte? Die besten Karten hätte neben dem amtierenden Wirtschaftsminister Rösler Außenminister Guido Westerwelle. Traditionell besetzt der kleinere Koalitionspartner dieses Ressort. In der rot-grünen Ära unter Kanzler Gerhard Schröder war das Joschka Fischer.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (l.) und Gesundheitsminister Daniel Bahr Foto: Michael Kappeler (dpa)
Zwei Verlierer des Parteitags: Entwicklungsminister Niebel (l.) und Gesundheitsminister BahrBild: picture-alliance/dpa

Gute Karten hätte im Falle einer erneuten schwarz-gelben Koalition auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die das Profil der Liberalen als Bürgerrechtspartei stärkt. Verlierer in einem solchen Szenario wären Gesundheitsminister Daniel Bahr und Entwicklungsminister Dirk Niebel. Beide haben im Gegensatz zur Justizministerin schon auf dem Berliner Parteitag herbe Rückschläge erlitten - sie scheiterten mit ihrer Kandidatur für das FDP-Präsidium. Ihr Einfluss innerhalb der Partei nimmt also schon jetzt ab. Ganz anders sieht das beim früheren Generalsekretär der Bundespartei, Christian Lindner, aus. Er führte den größten Landesverband Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr zu einem hervorragenden Wahlergebnis und wurde nun zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt.

Mit 34 Jahren verkörpert der rhetorisch hochbegabte Linder schon aus Altersgründen die Zukunft der Freien Demokratischen Partei. Sollte die FDP bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, wäre es höchstwahrscheinlich seine Aufgabe, sie wieder aus der außerparlamentarischen Opposition herauszuführen. Aber auch so gilt Lindner mittelfristig als der kommende Mann in der FDP. Wann er das Ruder übernimmt, entscheiden also nicht nur die Delegierten eines Parteitages, sondern indirekt auch die Bundestagswähler.