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Freund oder Feind deutscher Ermittler?

Nina Niebergall8. August 2016

Aus Politiker- und Sicherheitskreisen hagelt es Vorwürfe: Facebook verweigere Auskünfte, arbeite nicht mit den Behörden zusammen. Ein neues Gesetz soll her - auch mit Blick auf die Terrorgefahr. Experten haben Zweifel.

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Symbolbild Facebook (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/J.Stratenschulte

Mindestens sechs Facebook-Profile hatte der Attentäter von Ansbach, der sich vor wenigen Wochen am Rande eines Musikfestivals in die Luft sprengte und 15 Menschen teils schwer verletzte. Mindestens einen nutzte er, um mit falscher Identität islamistische Propaganda zu verbreiten. Auch der 17-Jährige, der in Würzburg Menschen mit einer Axt angriff, unterhielt zwei Accounts in dem sozialen Netzwerk.

Für Polizei und Staatsanwaltschaft ist der Social-Media-Auftritt der Täter eine Fundgrube an Informationen - und deshalb von unschätzbarem Wert, um Komplizen ausfindig zu machen, Hintergründe zu ermitteln und weitere Terroranschläge auszuschließen. "Die Täter rühmen sich häufig im Internet für ihre Tat. Sie schreiben auf ihre Chronik, was sie getan haben, wo sie es getan haben und wo sie die Tatwaffe deponiert haben", erklärt der Anwalt für Internetstraf- und Datenschutzrecht, Saleh R. Ihwas, im Interview mit der DW. "Täter von Terrorakten kommunizieren auch untereinander über Soziale Netzwerke und nutzen sie als Verbreitungswerkzeug."

Auch abseits der Terrorbekämpfung nutzt die Polizei gelegentlich das Mitteilungsbedürfnis Krimineller. Ihwas berichtet von einem Dieb, der sich in dem Haus, in das er gerade eingebrochen war, in sein Facebook-Profil einloggte - und nicht wieder ausloggte. So konnte er überführt werden.

Dr. Saleh R. Ihwas Rechtsanwalt (Foto: "Dierlamm Rechtsanwälte")
Saleh R. Ihwas ist Anwalt für Internet- und DatenschutzrechtBild: Dierlamm Rechtsanwälte

Viele unbeantwortete Anfragen

In den vergangenen drei Jahren gingen bei Facebook 300.000 Anfragen von Ermittlungsbehörden ein, davon 16.000 alleine aus Deutschland. Diese Zahlen veröffentlichte das Unternehmen in seinen jährlichen Transparenzberichten. Weil die deutsche Polizei auf die in den USA gespeicherten Daten keinen Zugriff hat, muss sie zunächst eine Anfrage auf Rechthilfe stellen.

Das Problem: Nicht immer kooperieren Facebook und Co. So fand die "Welt am Sonntag" (WamS) heraus, dass 37 Prozent der deutschen Anfragen unbeantwortet blieben. Der Chef des Bundesverfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, forderte die sozialen Netzwerke deshalb auf, besser mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten.

Deutsche Politiker sind sich parteiübergreifend einig, dass sich dieser Zustand ändern müsse - und fordern ein neues Gesetz. "Dadurch muss sichergestellt werden, dass soziale Netzwerke bei Auskunftsersuchen beauftragte Ansprechpartner im Inland zur Verfügung stellen", erklärt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty beklagte: "Wenn es keine zehn Sekunden dauert, dass ein in Deutschland gepostetes Foto auch in Neu-Delhi zu sehen ist, erwarte ich, dass Facebook Anfragen von Strafverfolgungsbehörden innerhalb einer Stunde beantwortet." Er begreife nicht, "warum Facebook sich hier so sperrig zeigt."

Symbolbild Islamischer Staat und Social Media (Foto: Twitter)
Im islamistischen Milieu werden soziale Netzwerke zur Kommunikation genutzt - und zur Verbreitung von PropagandaBild: picture-alliance/AP

Schuld der Bürokratie?

Stellt sich Facebook also absichtlich quer, um deutsche Ermittlungsarbeit zu behindern? Diesen Vorwurf weist der US-Konzern zurück. Nicht nur im Zusammenhang mit den Angriffen in Würzburg, München und Ansbach habe man volle Unterstützung geleistet, teilte das Unternehmen mit. Allerdings seien etliche Behördenanfragen in anderen Fällen so fehlerhaft, dass sie nicht von Facebook bearbeitet werden könnten. Eine solche Anfrage kann von jeder Ermittlungsbehörde gestellt werden. Tatsächlich berichtet das Bundeskriminalamt (BKA) von einer guten Zusammenarbeit mit dem sozialen Netzwerk - wenn die Form eingehalten werde.

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagt der DW: "Im internationalen Rechtsverkehr müssen viele formelle Dinge beachtet werden." Ein Polizeibeamter müsse zum Beispiel Gesetze beachten und die richtige Sprache verwenden. "Da kann man eine Menge Fehler machen", gibt er zu. "Terrorimusermittler des BKA haben natürlich ganz andere Möglichkeiten als normale Ermittler vor Ort". Ein Problem sieht Wendt darin allerdings nicht. In Fällen, die von der Polizei untersucht werden - Mord, Drogendelikte und sämtliche andere Verbrechen, genüge es meist, im sozialen Umfeld der Täter zu ermitteln.

Deutschland Polizeigewerkschaft Rainer Wendt (Foto: dpa)
Rainer Wendt kritisiert den Aktionismus der PolitikerBild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Bedenken von Polizei und Justiz

Die Rufe nach einer neuen Gesetzesgrundlage hält Wendt daher für übertrieben. "Der deutsche Gesetzgeber neigt manchmal dazu, auch das Wetter per Gesetz festzuschreiben", sagt er scherzhaft. Er habe erhebliche Zweifel, dass in Deutschland ein Gesetz erlassen werden könne, das ein internationales Unternehmen wie Facebook zu irgendetwas verpflichtet. "Was passiert denn, wenn Facebook gegen ein solches Gesetz verstößt? Erst einmal nichts." Mit einer solchen Forderung mache es sich die Politik sehr einfach, findet Wendt. Sie solle sich lieber darum kümmern, die Kapazitäten der Polizei zu verbessern - zum Beispiel durch geschulte Ermittler.

Auch Rechtsanwalt Ihwas ist sich nicht sicher, ob ein solches Gesetz den gewünschten Effekt hätte. "Damit deutsche Strafverfolgungsbehörden direkt auf Nutzerdaten zugreifen könnten, müsste Facebook letztlich verpflichtet werden, diese in Deutschland zu speichern", meint er.

Der Köner Social-Media-Experte Hendrik Unger sorgt sich um den Datenschutz, der bei einem neuen Gesetz gewährleistet sein müsste. Im DW-Interview sagt er: "Es kann zu sogenannten Datenlecks kommen - dass also Daten fälschlicherweise herausgegeben werden, weil es sich zum Beispiel nur um einen Verdacht und nicht um eine erwiesene Straftat handelt."

Hendrik Unger Geschäftsführer und Social Media Experte (Foto: Kreativagentur 36Grad)
Social Media-Experte Hendrik Unger kennt sich mit der Strategie von Facebook und Co. ausBild: 36grad.de

Ihwas erklärt, er habe den Eindruck, dass es in der aktuellen Debatte darum ginge, möglichst schnell an die Daten von Verdächtigen zu kommen. "Aber gerade bei sensiblen Daten dauert so eine Anfrage eben", betont er. Es müsse sorgsam geprüft werden, welche Daten für den konkreten Fall überhaupt relevant seien - und wann persönliche Vorlieben oder Ähnliches keine Rolle für die Ermittlungen spielten.