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Steuererleichterungen für ausländische Fachkräfte

Dirk Kaufmann
22. Juli 2024

Die Klagen, der deutschen Wirtschaft mangele es zunehmend an Fachkräften, werden immer lauter. Um diese aus dem Ausland anzulocken, plant die Bundesregierung nun Steueranreize. Wie läuft das in anderen Ländern der EU?

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Ordner und Formular zur Steuererklärung der Einkommenssteuer
Eine Steuererklärung für Einkommensteuer wird ausgefülltBild: Fotolia/Gina Sanders

In ihrer "Wachstumsinitiative" sieht die Bundesregierung vor, dass neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei stellen können. Für diese Freistellung werde eine Unter- und Obergrenze für den Bruttolohn definiert. Nach fünf Jahren wolle man die Wirkung dieser Maßnahme untersuchen. In Deutschland wird gewöhnlich eine progressive Einkommenssteuer in Höhe von 14 bis maximal 45 Prozent erhoben.

Die Pläne stoßen nicht nur bei Gewerkschaftern auf heftigen Widerspruch, die eine "Zwei-Klassen-Besteuerung" befürchten, während Befürworter dieser Regelung Ausländern den deutschen Arbeitsmarkt finanziell schmackhaft machen wollen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verweist darauf, dass Fachkräfte wegen der besseren steuerlichen Bedingungen lieber in andere Länder, etwa nach Skandinavien, gehen würden und sagte dem Handelsblatt: "Das mal zu probieren, die Leute dadurch nach Deutschland zu holen, ist den Versuch wert."

In einer parlamentarischen "Kleinen Anfrage" an die Bundesregierung hatten die damals noch oppositionellen Grünen bereits 2018 wissen wollen, ob in anderen Ländern Europas Steueranreize gewährt werden. Die Bundesregierung hatte damals 15 EU-Länder genannt, in denen diese zur Anwendung kommen. Jetzt verweist Bundesfinanzminister Christian Lindner auf Regeln, die es unter anderem in Griechenland, Kroatien und Zypern sowie in Italien, Spanien und Portugal gibt. Was tun andere EU-Staaten tatsächlich?

Arm eines Mannes aus Gambia mit Spühpistole
Es scheiden mehr Fachkräfte aus als junge Menschen nachrücken - deswegen braucht es mehr Fachkräfte aus dem AuslandBild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Portugal

Gerade südeuropäische Länder bemühen sich, Fachkräfte auch mit steuerlichen Anreizen zu locken. Die Süddeutsche Zeitung hat das am Beispiel Portugals untersucht. Dort werden Menschen mit hohem Einkommen und auch Freiberufler, die von jedem Ort der Welt arbeiten können, mit einem zehn Jahre lang geltenden pauschalen Einkommenssteuersatz von 20 Prozent gelockt. Normale Arbeitnehmer zahlen einen progressiven Steuersatz von 14,5 Prozent bis 48 Prozent.

Bedingung für die 20-Prozent-Regel ist, dass sich die Arbeitnehmer mehr als die Hälfte des Jahres in Portugal aufhalten und dort tätig sind. Rentenbezüge sowie Kapitalerträge und Dividenden sollen von der 20-Prozent-Regel ausgenommen sein. Letzteres hatte Unmut von EU-Staaten mit hohen Kapitalsteuersätzen ausgelöst, weil sich wohlhabende Pensionäre nach Portugal absetzten.

Die kürzlich von Finanzminister Joaquim Miranda Sarmento angekündigte Maßnahme ist eine von mehreren Dutzend Reformen, mit denen Portugal seine Wirtschaft ankurbeln möchte. So soll auch der Unternehmenssteuersatz von 21 Prozent schrittweise auf 15 Prozent gesenkt werden.

Laut Angaben der Nachrichtenagentur Reuters profitierten im Jahr 2022 insgesamt 74.000 Menschen von dem vergünstigten Steuersatz. Die 20-Prozent-Regel existiert in abgewandelter Form seit 2009 und war unter dem Eindruck der Finanzkrise als eine von vielen Maßnahmen zur Erhöhung der Produktivität des Landes erdacht worden.

Spanien

In Portugals Nachbarland Spanien gibt es ebenfalls einen ermäßigten Steuersatz für Arbeitskräfte anderer Nationalität. Dieser "Ausländer-Steuersatz" ist höher als in Portugal. Hier gilt eine Regelung, bei der Fachkräfte mit einem Pauschalsteuersatz von gut 24 Prozent rechnen können.

Italien     

Die Regeln in Italien sind sehr kompliziert und hängen von vielen Details ab: Wie lange man bereits im Land ist, wie viel man verdient und auch von der Anzahl und dem Alter der Kinder im Haushalt. Laut Itaxa. Blog (der Online-Service wirbt mit dem Slogan: "Internationale Steuerregeln in einfachen Worten") könnten - allerdings nur bei optimalen Voraussetzungen und daher selten - sogar bis zu 90 Prozent des Einkommens steuerfrei gestellt werden.

Schweden

Auch nordeuropäische Länder gewähren Steuernachlässe. Eine Studie des Leibniz Informationszentrums für Wirtschaft beurteilte diese Steuervergünstigungen als wirkungsvoll, verweist aber auch auf negative Effekte für die Herkunftsländer, weil sie einen Brain Drain (Abzug qualifizierter Arbeitskräfte) befördern können.

In Schweden sind 25 Prozent des Einkommens steuerfrei. Das Land hat laut Ernst & Young 2024 die steuerlichen Anreize sogar noch vergrößert. Qualifizierte nicht-schwedische Angestellte ab einem Einkommen von etwa 10.000 Euro monatlich brauchen nun sieben statt fünf Jahre lang nur 75 Prozent zu versteuern. 

Dänemark

In Dänemark zahlen besonders hoch qualifizierte Fachkräfte, zum Beispiel Wissenschaftler, für sieben Jahre nur 27 Prozent Einkommensteuer - plus Sozialabgaben. Andere Angestellte ab einem Monatsgehalt von rund 10.000 Euro zahlen nur eine Flattax von 32,84 Prozent - in Dänemark liegt der Spitzensteuersatz eigentlich bei 53 Prozent.

Ärzte auf einem Krankenhausflur in Deutschland
Auch im medizinischen Bereich herrscht Fachkräftemangel, den die deutsche Regierung beheben willBild: Andreas Arnold/dpa/picture alliance

Niederlande

Auch in den Niederlanden können gesuchte Fachkräfte kräftig Steuern sparen. Die dort angewandte "30-Prozent-Regelung" (das heißt, dass fast ein Drittel des Einkommens steuerfrei gestellt ist) ist attraktiv, aber auch umstritten und wird fortwährend verändert.

Die Regelung ist eine Möglichkeit, persönliche "Steuergerechtigkeit" herzustellen, denn - anders als in Deutschland - gibt es keine Steuerklassen, aber mehr Möglichkeiten der individuellen Steuergestaltung mit vielen Abschreibungsmöglichkeiten.

Die Regierung hatte 2023 die Vorteile ihres "Expat-Tax-Regimes" bereits abgeschmolzen und plant weitere Einschnitte. Und es gibt diesbezüglich Mindest- und Höchstgrenzen beim Gehalt. Ein möglicher Anspruch wird anhand des am Schluss zu versteuernden Gehalts geprüft, das deutlich über 40.000 Euro im Jahr angesiedelt sein muss, und zwar nach Ausschöpfung des Steuervorteils. Das bedeutet: Die Vergütungen müssen tatsächlich viel höher liegen.

Die komplizierte Regelung zeigt schon, dass es sich bei dem Konstrukt nicht um einen massentauglichen Steuervorteil handelt - und auch nicht um eine gewollte "Belohnung", um mit Zuzüglern Lücken zu stopfen. Die Regelung zielt darauf ab, das System der steuerfreien Leistungen für eine gewissen Zeit auf Expats in den Niederlanden zu übertragen, um ihnen die Umstellung zu erleichtern. Das ist der wichtigste Unterschied zur Debatte, die in Deutschland geführt wird.