Rätselhaftes Sterben
26. Januar 2011Die Bienen in Europa sind in großer Gefahr. Ihr rätselhaftes Sterben bedeutet große wirtschaftliche Verluste für die Europäische Union, denn Bienen und andere Bestäuber bringen nach Angaben des Deutschen Imkerbundes der EU-Landwirtschaft jährlich rund 22 Milliarden Euro ein. Jetzt will die EU-Kommission die Insekten retten.
Die Gesundheit der Biene besorgniserregend
Bienen liefern nicht nur Honig, sondern bestäuben vor allem Blüten. Damit sichern sie die Existenz von Pflanzen und sorgen für gute Erträge der Bauern. Rund 84 Prozent aller Pflanzen des kommerziellen Ackerbaus in der EU sind auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen, auch mehr als 80 Prozent aller wild wachsenden Pflanzen in der EU benötigen für ihr Weiterbestehen die Bienen. Wenn sie sterben oder kränkeln, betreffe das alle, warnt die Europäische Kommission. Und genau das ist seit Jahren der Fall.
"Der Gesundheitszustand der europäischen Bienen ist sehr, sehr besorgniserregend", warnte Ungarns Agrarminister Sandor Fazekas am Montag (24.01.2011) bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen in Brüssel. Ungarn führt derzeit die Amtsgeschäfte der Union. Bislang sei zu wenig getan worden, um das Ausmaß des Bienensterbens einschätzen zu können, schreiben EU-Fachleute in einem Bericht.
Gefahr für die Lebensmittelversorgung
Das Bienen- und Hummelsterben ist weltweit ein großes Problem. Die Bestäuber sterben vor allem dort, wo Äcker mit intensiven, industriellen Anbaumethoden bestellt werden. Nach Angaben der Universität von Illinois schrumpften bestimmte Hummelarten in den USA um bis zu 90 Prozent im vergangenen Jahrzehnt. Allein im Jahr 2007 entstand den US-Landwirten durch das Bienensterben ein Ernteschaden von rund 15 Milliarden Dollar. In Großbritannien ist die Situation nach Angaben der britische Tageszeitung "The Guardian" ähnlich alarmierend: Einige Bienenarten sind inzwischen komplett ausgestorben, andere Arten wurden seit den 1970er Jahren um bis zu 70 Prozent reduziert. "Ihr weltweiter Rückgang gefährdet die Lebensmittelsicherheit und die Vielfalt an gesunden Lebensmitteln", so Olaf Tschirpke, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU).
In der EU ist das Bienensterben bereits seit Mitte der 1990er Jahre bekannt, als erstes schlugen die Imker Alarm. Im größten EU-Agrarland Frankreich verloren manche Imker alle Honigbienenvölker, im Durchschnitt liegt der Verlust bei Frankreichs Imkern bei 30 Prozent. In Deutschland erregte ein Massensterben der Bienen 2002 erstmalig größere Aufmerksamkeit: Fast ein Drittel der deutschen Bienenvölker verendete. Im vergangenen Jahr lag nach Angaben des Deutschen Imkerbundes die Bienensterblichkeit zwischen 15 und 30 Prozent.
Pestizide und Monokulturen schädigen Bienen
Die Ursachen für den schlechten Gesundheitszustand der Bienen liegen nach EU-Kommissionsangaben weitgehend im Dunkeln. Doch es gibt Vermutungen: Neben Pflanzenschutzmitteln, die den Bienen schaden können, sieht Manfred Hederer vom Deutschen Imkerbund die immer intensivere Landwirtschaft als Verursacher: "Auf dem Land leiden die Bienen Hunger. Manche Völker sterben mitten im Sommer, auf den Feldern gedeihen oft nur noch Monokulturen, die Bienen finden keinen Nektar und keine Pollen mehr." Hederer fordert deshalb ein Umdenken in der Landwirtschaft.
Bei den Pestiziden steht vor allem die Gruppe der Neonicotinoide als Verursacher des Bienensterbens im Rampenlicht. Dazu gehört das Insektizid Clothianidin, ein chemisch verändertes Nervengift. Es sei für Bienen und andere Insekten hochgefährlich, sagt Chemieexperte Heribert Wefers vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Mit dem Pestizid werden zum Beispiel Mais-Saatkörner behandelt, um Schädlinge abzuwehren. Die Langzeitfolgen dieser Agrargifte, die auch für den Menschen gefährlich seien und im Verdacht ständen, Krebs auszulösen, seien bei der Zulassung nicht ausreichend bedacht worden, kritisiert Wevers. 2008 waren laut BUND in Süddeutschland etwa 20.000 Bienenvölker durch Clothianidin getötet oder schwer geschädigt worden.
EU will eine grünere Agrarförderung
Um die Ursachen für das rätselhafte Sterben der Bienen zu finden, soll nach Plänen der EU-Kommission bis April 2011 in Frankreich ein EU-Referenzlabor zur Bienengesundheit entstehen. Darüber hinaus will die Kommission Pestizide nur noch dann genehmigen, wenn sie für Honigbienen unbedenklich sind. Wichtig für die Gesundung der Bienenvölker könnte auch eine umweltfreundlichere Agrarsubvention sein. Würden EU-Subventionen für Brachflächen und naturnahe Landwirtschaft bezahlt statt für Monokulturen, hätten die Bienen mehr Nahrung und eine bessere Überlebenschance.
Autor: Gero Rueter
Redaktion: Julia Kuckelkorn