EU: Kein schlechteres Nutella für den Osten
26. Juni 20192016 hatten mehrere Regierungen osteuropäischer EU-Mitgliedsländer kritisiert, dass in ihren Ländern minderwertige Produkte im Handel seien. Es sei "Praxis von Lebensmittel- und Getränkeherstellern", minderwertige Produkte trotz gleicher Verpackung wie im Westen anzubieten.
In Ungarn verkauftes Nutella, so die Lebensmittelbehörde in Budapest, sei "weniger cremig" als in Österreich. Die in ungarischen Supermärkten verkaufte Coca-Cola schmecke "flacher" und sei "weniger vollmundig" als im westlichen Nachbarland.
Aus der Slowakei hieß es, dort verkaufte Produkte hätten oft einen höheren Fett- und einen niedrigeren Fleischgehalt als in westeuropäischen Ländern. Statt Zucker würden Süßungsmittel eingesetzt, statt Fruchtzusätzen künstliche Aromastoffe.
Auf höchster Ebene
Die Frage der Benachteiligung osteuropäischer Verbraucher hatte im März 2017 sogar einen Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs beschäftigt. Die Kommission verweist darauf, dass inzwischen einheitliche Testmethoden in der EU eingeführt wurden, um Doppelstandards festzustellen.
Weil sich die Klagen über vermeintlich minderwertige Waren für Osteuropa, wie Fischstäbchen fast ohne Fisch oder Butterkekse ohne Butter, mehrten, hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker das Thema aufgegriffen und ein Verbot doppelter Qualitätsstandards auf den Weg gebracht.
Gleiche Verpackung, verschiedener Inhalt
In einer EU-Studie konnten keine systematische Benachteiligungen osteuropäischer Länder bei der Qualität von Lebensmitteln und Getränken festgestellt werden. Die EU-Kommission teilte zu Wochenbeginn mit, zwar sei bei fast einem Drittel der untersuchten Lebensmittel die Zusammensetzung trotz identischer oder ähnlicher Verpackung unterschiedlich, bei den untersuchten Produkten habe sich aber "kein einheitliches geografisches Muster" ergeben, das auf eine Benachteiligung Osteuropas hindeute.
Nach der Studie der EU-eigenen Gemeinsamen Forschungsstelle gab es bei neun Prozent der Produkte eine unterschiedliche Zusammensetzung trotz gleicher Packungsvorderseite. Bei weiteren 22 Prozent wurde demnach das veränderte Lebensmittel oder Getränk mit einer ähnlichen Verpackungsvorderseite beworben. Die EU betont darüber hinaus, dass Unterschiede in der Zusammensetzung "nicht zwangsläufig einen Unterschied in der Produktqualität" bedeuten.
Unterschiedliche Geschmäcker und Kulturen
Der deutsche Markenverband begrüßte die Testergebnisse. "Ein Ost-West-Gefälle hat es nie gegeben", hieß es. Die festgestellten Abweichungen seien aus dem Zutatenverzeichnis ersichtlich. Außerdem müsse es weiterhin möglich sein, wie bisher auf die Geschmackspräferenzen eines Landes einzugehen. Der Markenverband unterstrich, die unterschiedliche Zusammensetzung entspreche den Vorlieben der Verbraucher. "Deshalb können und sollen ganz bewusst manche Produkte nicht in jedem Land gleich schmecken", meinte Hauptgeschäftsführer Christian Köhler. Mit minderer Qualität habe das nichts zu tun.
Ein Verbot von Doppelstandards werde dazu führen, dass Hersteller nicht mehr auf regionale Wünsche der Verbraucher eingehen könnten.
"Keine Kluft zwischen Ost und West"
Für die Untersuchung waren rund 1400 Produkte aus 19 Staaten, von denen zehn in Osteuropa liegen,von der EU-Kommission unter die Lupe genommen worden. Die nationalen Behörden könnten nun, so die Kommission, auf Grundlage der vorliegenden Untersuchung "die betreffenden Fälle einzeln prüfen, um irreführende Praktiken zu ermitteln". Das sagte Verbraucherkommissarin Vera Jourová in Brüssel. Sie verwies darauf, dass Verbraucherschutzbehörden über neue Vorschriften die nötigen Instrumente an die Hand gegeben seien, gegen mögliche Missstände vorzugehen.
Bildungs- und Kulturkommissar Tibor Navracsics sprach von einer "gemischten Bilanz". Zwar gebe es keine "Kluft zwischen Ost und West". Doch erfülle es ihn mit Sorge, dass knapp ein Drittel der Proben trotz unterschiedlicher Zusammensetzung identisch oder ähnlich vermarktet würden.
Vera Jourová kündigte an, mit neuen Vorschriften Doppelstandards unter Strafe zu stellen. Die Verbraucher könnten künftig darauf vertrauen, "dass der Inhalt des Produkts den Angaben auf der Packung genau entspricht".