EU in Zentralasien
8. April 2008Wenn sich die EU-Außenpolitiker am Mittwoch (9.4.2008) in die turkmenische Hauptstadt Aschgabat aufmachen, um über ihre "Strategie für eine Partnerschaft mit Zentralasien" zu debattieren, kommen sie sehr spät. Längst haben China, Russland und andere Staaten in den ehemaligen Sowjetrepubliken ihre Claims abgesteckt. China zum Beispiel verhandelt in Turkmenistan über den Bau einer Gaspipeline, die von 2009 an für 30 Jahre jährlich 30 Milliarden Kubikmeter Gas nach China liefern soll. Auch Indien und der Iran haben die "Stans" als Energielieferanten und Absatzmarkt entdeckt.
Seit gut einem Jahr will nun auch die EU in Zentralasien im Rennen um Energiereserven und neue Märkte mitmischen. Im Juni 2007 wurde vom Europäischen Rat die "Strategie für eine neue Partnerschaft in Zentralasien" verabschiedet. Mit dem Papier sollen Turkmenistan, Usbekistan und deren Nachbarländer stärker an die EU angebunden werden.
Es geht um mehr wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit und natürlich um die Energiereserven der rohstoffreichen Staaten Zentralasiens. Turkmenistan etwa gehört zu den wichtigsten Gaslieferanten der Welt. Auch Kasachstan mischt mit in den Top Ten der Länder mit den größten Öl- und Gasvorkommen.
Keine Abhängigkeit um jeden Preis
Wie diese Zusammenarbeit genau aussehen könnte, ist Thema des diesjährigen Treffens zwischen den Außenministern der zentralasiatischen Staaten und der EU-Delegation, die vom slowenischen Chefdiplomaten Dimitrij Rupel geleitet wird.
Bereits jetzt ist klar: Die Verhandlungen dürften nicht leicht werden. Denn während es Ländern wie Russland oder China in Zentralasien ausschließlich ums Geschäftliche geht, wollen die Europäer auch die Lage der Menschenrechte verbessern, sagt Cem Özdemir, Berichterstatter des Europaparlaments für Zentralasien der Deutschen Welle. Würde die EU auf ein klares Eintreten für Menschenrechte in Ländern wie Usbekistan oder Kasachstan – wo sie mitunter mit Füßen getreten werden – verzichten, würde sie ihre eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzten. "Wir müssen klarmachen, dass wir uns nicht um jeden Preis in Abhängigkeit begeben und dabei unser Normensystem über Bord werfen können."
Die Europäische Delegation müsse auf ihrer Reise nach Turkmenistan also deutlich machen, dass das Verschwinden von Oppositionellen, die Einschränkung der Pressefreiheit oder Scheinwahlen nichts mit dem zu tun habe, wofür Europa stehe, betont der Grüne Europa-Abgeordnete Özdemir. "Wir müssen auch den Mut haben das anzusprechen, auch wenn andere Konkurrenten damit nichts am Hut haben."
Waren oder Wertetransfer?
Bei den neuen strategischen Partnern dürften derartige Appelle gar nicht gut ankommen: In den zentralasiatischen Ländern, die jahrzehntelang Weisungen Moskaus ausgeliefert waren, werden politische Ratschläge schnell als Indoktrinierung empfunden, sagt Andrea Schmitz von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Für einen Wertewandel durch Handel mit den Europäern sieht sie so gut wie keine Chancen: "Ein Wertetransfer würde ja bedeuten, dass Werte sich auch materialisieren, in Form von Institutionen, die diese Werte tragen - doch da scheint den Eliten in diesen Ländern einfach der politische Wille zu fehlen."
Trotz dieser Probleme: Das Interesse an einer stärkeren Kooperation liegt nicht nur auf Seiten der Europäer. Die zentralasiatischen Staaten wollen ihre Abhängigkeit von China und Russland mindern und suchen nach neuen Handelspartnern und europäischen Investoren, so Schmitz. "Wegen der Dominanz und wegen der Ressourcen, über die Russland und China verfügen, um in Zentralasien Macht auszuüben, wollen die Länder Gegengewichte aufbauen."
Der Handel funktioniert
Zum Teil ist das auch schon gelungen, vor allem in Kasachstan: So sind etwa zahlreiche deutsche Mittelständler in dem Land aktiv, wie der Direktor der Bundesagentur für Außenwirtschaft, Gerd Herx, erläutert. "Die Wachstumsraten sind enorm. Wir haben in den kasachischen Staat Lieferungen mit einem Handelsvolumen von etwa fünf Milliarden Euro". Auch in Usbekistan sieht der Export-Funktionär Chancen für europäische Unternehmer.
Während sich der Handel zwischen EU und Zentralasien durchaus entwickelt, scheuen sich europäische Unternehmer, in den Ländern direkt zu investieren – hierfür sei die Rechtsunsicherheit zu groß, erklärt Schmitz.
Kommt die neue Pipeline?
Schwieriger dürfte es für die EU werden, ihre Interessen beim zentralen Anliegen Energiepolitik durchzusetzen. Die europäischen Staaten wollen vom russischen Gas unabhängiger werden und schielen schon seit ein paar Jahren auf die großen Gasressourcen Turkmenistans. Doch bisher läuft fast der gesamte turkmenische Gasexport über Russland – andere Pipelines gibt es schlicht noch nicht.
Zwar will die EU den Bau neuer Leitungen unterstützen, mit denen Russland umgangen werden soll, Schmitz hält es aber für fraglich, ob dies je möglich sein wird. "Ob Turkmenistan irgendwann in der Lage sein wird, Gas direkt nach Europa zu transportieren, steht noch in den Sternen."
Uneinige Europäer
In Fragen der Energiepolitik setzt Turkmenistan nach wie vor wesentlich stärker auf Russland denn auf die EU, sagt Özdemir. Auch er hält die Möglichkeiten der Europäer, daran etwas zu ändern, für sehr begrenzt. Was seiner Ansicht nach nicht nur an den Turkmenen liegt. "Solange die EU selbst noch keine einheitliche Energiepolitik hat, solange haben wir keine Chance, gegen Russland in der Frage Zentralasien und Energiekorridore einen Stich zu machen."
Dass die Europäer in Fragen der Menschenrechte schon eher einer Meinung sind, hilft auch nicht weiter. Denn hier sind die zentralasiatischen Länder ihren Nachbarn China und Russland ohnehin näher, als dem fernen Europa.