Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Fortschritte in Zentralasien?
28. Juni 2007Die fünf Staaten Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan, Turkmenistan und Tadschikstan waren auf der diplomatischen Landkarte der EU mehr oder weniger weiße Flecken. Nach einer Reise in die Region hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bessere Beziehungen zu den ehemaligen Sowjetrepubliken zum Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft erhoben. Eine neue Zentralasien-Strategie wurde ausgetüftelt. Die EU-Spitze reiste im März 2007 in die Hauptstadt von Kasachstan, nach Astana, um erstmals die Außenminister aller fünf zentralasiatischen Staaten gemeinsam zu treffen. Diese hochrangigen Treffen soll es nun regelmäßig geben, ebenso eine Reihe von Expertentagungen zu Bildungsfragen oder besserer Regierungsführung.
Neue Energielieferanten gesucht
"Darüber hinaus ist das natürlich auch eine energiepolitische wichtige Region, weil sie reich an Energiequellen ist", sagt Benita Ferrero-Waldner, die EU-Außenkommissarin, und nennt damit die Haupttriebfeder für den Aufbruch nach Zentralasien: Die Suche der Europäer nach neuen Energielieferanten. Immerhin ruhen in Zentralasien fünf Prozent der weltweiten Energiereserven unter Steppe und Gebirgszügen. Das sieht auch der Staatschef von Kasachstan, Nursultan Nasarbajew, trotz aller blumigen politischen Papiere ganz nüchtern: "Wir denken, dass das Interesse der EU an unserem Land strategisch und energiepolitisch natürlich und offensichtlich ist. Einerseits haben wir große Reformen umgesetzt, andererseits wird Europa in Zukunft ein Viertel seiner fossilen Energie aus der Region am Kaspischen Meer beziehen."
Im Mai allerdings erhielten die Erwartungen der EU-Präsidentschaft einen Dämpfer. Trotz neuer Freundschaftsschwüre entschieden sich Kasachstan und Turkmenistan zum Bau einer Gaspipeline nach russischen Vorstellungen. Die Wünsche der EU und der USA über die Trassenführung wurden verworfen.
Strategische Interessen und Stabilität
In den strategischen Überlegungen der EU spielt nicht nur der Faktor Energie eine Rolle, sagt EU-Ratspräsidentin Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Man muss sich einmal die geografische Lage anschauen: ein Dreieck zwischen Russland, China und der Europäischen Union. Es gibt ein strategisches Interesse der EU, sich dieser Region als Nachbarschaftsregion auch anzunehmen."
Von Zentralasien aus hofft die EU, Einfluss auf Iran und Afghanistan zu nehmen. Rund um das kaspische Meer wird ein relativ moderater, aufgeklärter Islam gepflegt, den es zu fördern gelte, so Benita Ferrero-Waldner: "Zentralasien liegt nahe an Afghanistan. Von dort ist durch viele Jahre Instabilität nach Europa hereingeholt worden. Wir müssen aber Stabilität schaffen. Von daher müssen wir uns mit diesen Ländern auseinandersetzen."
Die "Konkurrenz" schläft nicht
Dass die autokratischen Staaten in Zentralasien nicht gerade von lupenreinen Demokraten regiert werden, weiß auch die Europäische Union. Doch unter deutscher Präsidentschaft hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Sanktionen und Isolation wenig bringen. Mitte Mai lockerte die EU Einreiseverbote für Funktionäre aus Usbekistan, die nach Massakern an der Opposition vor zwei Jahren verhängt worden waren. Stattdessen werden praktische Hilfen bei Reformen angeboten, sagte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner: "Wir wollen natürlich auch, dass diese Länder mehr und mehr unsere Werte berücksichtigen, mehr und mehr Demokratisierung und Menschenrechte angehen, die die Basis für jede gesunde Gesellschaft sind."
Von Beginn der 90er Jahre bis 2013 wird die EU rund zwei Milliarden Euro für Trainingsprogramme, Bildungsaustausch und andere Unterstützungsmaßnahmen in die Region gepumpt haben. In allen Staaten will die EU-Kommission eigene Niederlassungen einrichten. So hofft die EU, andere energiehungrige Riesen wie Russland, China, Japan oder Indien ausstechen zu können - die Konkurrenz schläft nicht in Zentralasien.
Bernd Riegert
DW-RADIO, 27.6.2007, Fokus Ost-Südost