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Erzbischof Müller wird Kardinal

Christoph Strack12. Januar 2014

Er ist einer der wichtigsten Mitarbeiter des Papstes. Im Sommer 2012 wurde der deutsche Erzbischof Gerhard Ludwig Müller Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation. Jetzt macht Papst Franziskus ihn zum Kardinal.

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Porträt des deutschen Erzbischofs Gerhard Ludwig Müller (Foto: picture-alliance/ROPI)
Bild: picture-alliance/ROPI

Ob er "sozusagen der Kettenhund des Papstes" sei? Auf diese Interviewfrage antwortete der Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, vor wenigen Wochen kurz und knapp: "Weder Kette noch Hund."

Aber Papst Franziskus weiß, dass er sich auf den aus Deutschland stammenden Theologen Müller verlassen kann. So stärkt Franziskus mit der Kardinalswürde die Rolle des Hüters der katholischen Glaubenslehre. Denn der Präfekt der Glaubenskongregation steht angesichts der mit dem Papst aus Argentinien verbundenen Reformhoffnungen vor wachsenden Aufgaben. Am 22. Februar nimmt Papst Franziskus Müller mit 18 weiteren Geistlichen ins Kardinalkollegium auf.

Seit Sommer 2012 ist Müller einer der wichtigsten Mitarbeiter des Papstes. Zu dem Zeitpunkt holte der damalige Benedikt XVI. den Regensburger Bischof als Präfekt der Glaubenskongregation nach Rom. Benedikt hegte - wie man heute weiß - da schon Rücktrittspläne. Und er stellte die ein oder andere Weiche für seinen Nachfolger. So setzte er in Müller den wichtigsten konservativen deutschen Bischofs-Theologen an die Spitze jener Behörde, die über die rechte Lehre wacht. Und nach sieben Jahren unter einer eher schwachen Führung der Glaubenskongregation sorgte er dafür, dass der Hüter der Lehre erneut aus dem Land der Reformation kommt. Müller passt in das Amt wie wenige andere: ein blitzgescheiter Theologe, tief verwurzelt in der kirchlichen Tradition, vielsprachig, auf mehreren Kontinenten vernetzt.

Das Gebäude der Glaubenskongregation im Vatikan (Foto: Jim McIntosh)
Das Gebäude der Glaubenskongregation im VatikanBild: cc/Jim McIntosh

Arbeiterkind und theologischer Lehrer

Müller, ein Arbeiterkind, wurde am Silvestertag 1947 in Mainz geboren. Nach Abitur und Studium erlangte er bei Karl Lehmann, dem späteren Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, den Doktortitel in Theologie. In seiner ökumenisch angelegten Dissertation aus dem Jahr 1977 befasste er sich mit dem evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), einer der prägendsten protestantischen Gestalten des Widerstands während des Dritten Reichs. Acht Jahre später folgte die Habilitation, gleichfalls bei Lehmann. Danach lehrte Müller als Professor für Dogmatik an der Universität München. Dogmatik - das ist im katholischen Verständnis theologisches Kerngeschäft. Müllers Buch "Katholische Dogmatik" liegt mittlerweile in neunter Auflage und in diversen Sprachen vor. Auch liberalere Theologen loben es als herausragende Summe der katholischen Theologie.

Papst Johannes Paul II. ernannte Müller 2002 zum Bischof von Regensburg. Zehn Jahre, bis zum Ruf nach Rom, führte er das traditionsreiche Bistum. In dieser Zeit krachte es dort einige Male zwischen Laiengruppierungen und der Bistumsleitung - mal in Bezug auf Forderungen nach Kirchenreformen, mal beim Umgang mit innerkirchlichen Kritikern, mal beim Thema Missbrauchsaufarbeitung. Gerade bei kritischen Wortmeldungen aus den eigenen Reihen konnte Müller scharf werden und zu harten Urteilen kommen.

Harte Worte, weiche Seite

So ist Müller nicht unschuldig daran, den Ruf eines Konservativen zu haben. Dafür sorgten auch Wortmeldungen, mit denen er sich in seinen ersten eineinhalb römischen Jahren aus dem "Palazzo del Sant'Uffizio“ in Debatten einschaltete. So wies er im Herbst vorigen Jahres einen Vorstoß aus dem Erzbistum Freiburg, geschiedene Wiederverheiratete nicht länger aus dem vollen kirchlichen Leben auszugrenzen, entschieden zurück - die dortige Handreichung stimme nicht mit der Lehre der Kirche überein und müsse zurückgenommen werden. Und mitten in die Empörung der Deutschen über den umstrittenen Limburger Bischof Tebartz-van Elst hinein sprach er von einer Medienkampagne. Müllers stete Sorge: Die Kirche könne "verweltlichen", zu einer bloßen Nichtregierungsorganisation reduziert werden.

Erzbischof Gerhard Ludwig Müller (Foto: dpa)
Hat den Ruf eines Konservativen: Erzbischof Gerhard Ludwig MüllerBild: picture-alliance/dpa

Aber es greift zu kurz, Müller einfach in die Schublade "konservativ" abzulegen. Kaum ein deutscher Bischof kennt die lateinamerikanische Befreiungstheologie besser als er. Diese sei ein wesentlicher Teil der Kirche, sagte er im Dezember in einem Interview der Deutschen Welle. Heute stelle sich die Frage, "wie wir von der Liebe Gottes sprechen können angesichts des Leidens und der Not vieler Menschen", die in ihrer Menschenwürde beeinträchtigt seien.

Er kann mit Sympathien, ja mit Rührung vom Leben der Kirche unter den Armen Lateinamerikas erzählen. Seit Jahrzehnten ist er mit Gustavo Gutiérrez befreundet, der als "Vater der Befreiungstheologie" gilt. Als die Universität der peruanischen Hauptstadt Lima im Jahr 2007 Müller zum Ehrendoktor ernannte, würdigte sie damit dessen langjähriges Engagement als Seelsorger unter Campesinos und seine gemeinsame Buchveröffentlichung mit Gutiérrez: "An der Seite der Armen - Theologie der Befreiung".

Auch evangelische Theologen schätzen ihn

Ähnliches gilt für die in Deutschland so wichtige Frage der Ökumene von Katholiken und Protestanten. Manches Wort Müllers zu ökumenischen Fragen aus früheren Jahren wirkt überhart. Aber neben den Kardinälen Karl Lehmann und Walter Kasper ist kein deutscher Theologenkardinal so kundig in reformatorischen Fragen. So kommentierte die evangelische Seite seine Beförderung nach Rom mit würdigenden Worten. Vor wenigen Monaten traf Müller im Vatikan den Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider. Und es mag sein, dass Müller noch bis zum Jahr 2017, in dem die evangelische Welt den Beginn der Reformation durch Martin Luther vor 500 Jahren feiert, eine kirchliche Öffnung für Ehepaare erreichen will, die katholisch und evangelisch sind und bislang offiziell nicht zusammen an der Kommunion teilnehmen dürfen. Das Jahr 1517 zeige durchaus "den Erneuerungswillen, der aus der spätmittelalterlichen Kirche" komme, so Müller.

"Kirche an der Seite der Notleidenden"

Papst Franziskus zusammen mit Kindern bei der Neujahrsmesse in Rom (Foto: Reuters)
Papst Franziskus während der Neujahrsmesse in RomBild: Reuters

Gelegentlich gab es in den vergangenen Monaten Spekulationen über eine Distanz zwischen Papst Franziskus und Erzbischof Müller. Im Dezember war der Bergoglio-Papst dann zu einem herzhaften Abendessen in Müllers Wohnung zu Gast. Das war ein Privatbesuch - und doch auch eine Demonstration. Franziskus weiß, was er in Gerhard Ludwig Müller hat. Und falls der Argentinier in diesem Jahr die ein oder andere im Raum stehende Veränderung konkretisieren will, braucht er an seiner Seite einen verlässlichen Akteur, der die konservative Seite mitnimmt. Gewiss wollen beide keine Revolution. Aber die Kirche soll zumindest wieder näher an den Menschen sein.

Wenn man vom "Zentrum der Kirche" spreche, sei dies nicht nur Rom oder der Vatikan, so Müller zur Deutschen Welle. "Zentrum ist überall da für die Kirche, wo Christus gegenwärtig ist, wo er in der Liturgie angebetet und verherrlicht wird, wo er in der Predigt als Grundlage für ein gelingendes Leben bezeugt wird, oder wo er in der Diakonie, im karitativen Tun auch präsent wird, wo wir auch in den Armen, den Notleidenden, den Hungernden, den Durstenden Christus selber erkennen und ihm auch begegnen."

Wer Müller in Rom begegnet, trifft einen Geistlichen, der weit ausgeglichener und offener wirkt als zu seinen Zeiten als Bischof von Regensburg. Eben nicht wie ein "Kettenhund". Er will seinen Beitrag leisten für eine Kirche, die in der Globalisierung mitspricht und sich nach Jahrzehnten der Verfestigung neu der modernen Welt stellt.