Strippenzieher
31. Juli 2007"Ich delegiere - vorübergehend - meine Funktion als Kommandant der heldenhaften revolutionären Streitkräfte an den Genossen Verteidigungsminister Raúl Castro Ruz", lässt Fidel Castro vor einem Jahr durch seinen Privatsekretär Carlos Valenciaga im kubanischen Fernsehen und Rundfunk ausrichten. Der Máximo Líder übergibt aus gesundheitlichen Gründen seinem Bruder Raúl die Führung des Landes.
Kuba wird sich jetzt öffnen, lauten viele Prognosen, doch davon ist im Juli 2007 nicht viel zu spüren: "Alles ist beim Alten, nur der Alte ist nicht mehr in der zentralen Position, in der er vorher war, und das ist eigentlich schon eine Sensation, dass der ganze Laden auch ohne Fidel im Prinzip genau so weiterläuft wie bisher", erklärt Bert Hoffmann vom Institut für Iberoamerikakunde in Hamburg.
Veto-Spieler im Hintergrund
Fidel Castro selbst hält sich betont im Hintergrund. Durch weitere Operationen geschwächt und längere Zeit über Sonden ernährt, trat er erst vor einigen Wochen wieder öffentlich auf - im kubanischen Fernsehen. Was Fidel denkt, können die Kubaner allerdings schon seit Monaten in den staatlichen Medien nachlesen: Dort kommentiert der Revolutionsführer Vorgänge in der ganzen Welt, von Korea bis Kosovo. "Er zieht nicht mehr die Fäden, aber er ist jetzt , was man einen Veto-Spieler nennen kann", erläutert Lateinamerika-Spezialist Hoffmann. "Gegen sein Veto geht nichts. […] Er ist eigentlich aus dem Tagesgeschäft heraus, aber man wird nichts gegen das tun, was man als Fidels Vermächtnis sieht.'
Zu Fidels Vermächtnissen gehört auch der enge Kontakt zu Venezuela respektive zu dessen Präsidenten Hugo Chávez. Castro sieht in Chávez seinen legitimen Nachfolger als politischer Führer der Linken in Lateinamerika - der Kuba auch wirtschaftlich unter die Arme greift. Dass es Kuba wirtschaftlich deutlich besser geht als noch vor fünf oder zehn Jahren, resultiert aus diesen sehr vorteilhaften Geschäften mit Venezuela, wo Kuba Öl bekommt und dafür Ärzte und Lehrer nach Venezuela schickt.
Politisches Warten - vergeblich
Doch die Millionen an Dollar kommen bei der kubanischen Bevölkerung kaum an. Stattdessen sind die Preise für Grundnahrungsmittel wie Fleisch oder Milch im letzten Jahr sogar noch gestiegen. Das monatliche Durchschnittseinkommen in Kuba liegt dagegen nach wie vor bei nur etwa 30 Euro. Dass es trotzdem zu keinen nennenswerten Protesten kommt, erklärt Bert Hoffmann vom Institut für Iberoamerikakunde mit einem großen Rückzug ins Private allenthalben: "Da gibt es diese Haltung des Wartens, die im Prinzip das letzte Jahr auch dominiert hat."
Auch die USA haben das letzte Jahr auf einen politischen Wandel auf Kuba gewartet - ebenso vergeblich. Washington setzt dabei weiterhin auf die Isolation der Insel. Eine absurde, illegale und fehlgeschlagene Politik, wie Raúl Castro dieser Tage am kubanischen Nationalfeiertag betont. Im selben Atemzug fordert der Staatschef einen gleichberechtigten Dialog mit den USA - freilich nach dem Ende der Präsidentschaft von George W. Bush.
"Castro hat dieses Land durch und durch geprägt"
Es wäre der elfte US-amerikanische Präsident, den Fidel Castro überleben würde. Immer wieder gern erzählt der Máximo Líder dann auch sein Problem mit den Vereinigten Staaten: Sie hätten ihn schon so oft für schwer krank oder tot erklärt, dass ihm den echten Tod nun niemand mehr glauben würde.
Auf Kuba jedenfalls wird sich mit einem lebendigen Fidel Castro nicht viel ändern - mit einem toten wahrscheinlich aber auch nicht, wie Bert Hoffman betont: "Wenn Fidel stirbt, ist das noch einmal ein historischer Einschnitt. Fidel hat dieses Land länger regiert, als es die ganze DDR überhaupt gegeben hat, das muss man sich mal vor Augen führen. Dieses Land ist wirklich durch und durch geprägt von seiner Persönlichkeit. Es ist aber trotzdem nicht ausgemacht, in welche Richtung das geht: ob eine Reform von oben, ob im Prinzip ein 'Weiter so' oder ob es doch irgendwann zu einem Bruch kommt, das ist nicht zu prophezeien."